Jeff Bezos mit seinem kahlen
Haupt und seiner Hakennase ist mir unheimlich.
Das kann natürlich an der
Dokumentation „Die ganze Welt im Pappkarton“[1] liegen, die vielleicht ein
einseitiges Bild von ihm zeichnen wollte. Aber seine Augen und sein falsches
Lächeln verfolgen mich immer noch. Er hat an der Wallstreet als Broker
gearbeitet, bevor er sich 1994 in einer Garage in Seattle niederließ und einen
Bücherhandel begann. Heute gehören ihm 20 Prozent der Innenstadt der Metropole
an der Westküste der USA. Die Zentrale seines Imperiums, ein Büroturm mit
spiegelnder Glasfassade, hat er „Day One“ genannt, also „erster Tag“. Spielt
der Mann, dessen religiöser Hintergrund nicht wirklich klar ist[2], auf die sieben
Schöpfungstage an?
„Am Anfang schuf Gott Himmel und
Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der
Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es
ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von
der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus
Abend und Morgen der erste Tag.“ (Gen, 1 – 5).
Gestern (01.02.2020) fiel es mir ein, mit Lena
einen Film anzuschauen, der als DVD zufällig auf meinem Fernsehtisch lag, weil
ich ihn schon einmal bereit gelegt hatte. Lena fand den Film „krank“, drehte
sich nach einer halben Stunde um und schlief. Ich schaute ihn zu Ende. Es
handelt sich um Oliver Stones bitterböse Mediensatire „Natural Born Killers“
aus dem Jahr 1994, die ich Anfang 1995 mindestens dreimal allein im Kino sah. Damals
war ich wie berauscht von dem Film, ja, man kann sagen, geradezu süchtig. Die
Musik – allein drei Songs von Leonard Cohen – die Bilderflut, die beiden
Hauptfiguren Mickey und Mallory, die obwohl sie innerhalb von drei Wochen 52
Menschen entlang der Route 666 umgebracht hatten, dennoch ungemein sympathisch
gezeichnet werden, das alles sah ich nun gestern mit meiner schlafenden Lena an
der Seite wieder – abermals allein. Dieses Mal hatte ich mehr Distanz und die
Bilder entfalteten nicht die magische Wirkung wie 1995 im Kino.
Der Film, dessen Drehbuch auf
eine Story von Quentin Tarantino zurückgeht, passt in meine derzeitige
Beschäftigung mit dem Bösen. Der spätere Regisseur von „Inglourious Basterds“ aus
dem Jahre 2009 hatte schon immer ein Faible für das Böse, genau wie der andere
große Regisseur, der in einigen seiner Filmen das Böse zum Thema gemacht hat:
Roman Polanski. Jetzt steht Tarantinos neunter Film, „Once upon a Time – in Hollywood“
mit sechs Nominierungen zur Oscar-Wahl in wenigen Wochen. Bei diesem Film
berühren sich die beiden Meisterregisseure des Kinos zumindest thematisch: Es
geht um jene Nacht im August 1969, als die Mörderbande von Charles Manson die schwangere
Frau des Regisseurs Polanski bestialisch umgebracht hat. Charles Manson wird
auch in „NBK“ immer wieder erwähnt, wenn es um berühmte amerikanische Killer
geht.
Woody Harrelson, der in dem Film
den Killer Mickey spielt, rasiert sich vor dem großen Showdown das Haar wie ein
buddhistischer Mönch oder ein japanischer Ninja-Kämpfer.[3] Das blutige Finale beginnt
mit einem Live Fernsehinterview aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses,
in dem Mickey und Mallory (Juliette Lewis) in Einzelzellen untergebracht sind,
und ufert in eine „Reality-Show“ blutigster Art aus, bei der der publikumsgeile
Moderator Wayne Gale (Robert Downey Jr.) am Schluss von den beiden hingerichtet
wird. Er bettelt zunächst noch um sein Leben, weil er weiß, dass M&M immer
einen laufen lassen, damit sie als Zeugen vom Geschehen berichten können. Dieses
Mal aber machen sie eine Ausnahme: Mickey zeigt nur auf die am Boden stehende
laufende Kamera, die alles live überträgt: Es bedarf keines menschlichen Zeugen
mehr.
Zum Schluss sieht man das Massenmörderpärchen,
das vom Publikum geliebt wird, ein paar Jahre später in einem Wohnmobil durchs Land
fahren: die schwangere Mallory schaut ihren beiden Kindern beim Spielen zu. Ironie
der Geschichte: die Kinder werden vermutlich – ganz im Gegensatz zu ihren
Eltern – eine glückliche Kindheit erleben dürfen, wenn Mickey und Mallory nicht
doch noch gefangen werden.
Robert Downey Junior (geboren am 4.
April 1965)[4],
der Darsteller des TV-Moderators, war 1994 schon ein berühmter Schauspieler,
nachdem er 1992 in dem Film „Chaplin“ von Richard Attenborough den genialen
Komiker verkörpert hatte. Heute gilt er als bestbezahlter Filmschauspieler und als
„Hollywoods heimlicher König“ (Bildzeitung vom 01.02.2020) und tourt gerade mit
dem Kinderfilm „Die fantastische Reise des Dr. Doolittle“ durch die Welt. Der
Bild-Kolumnist Norbert Körzdörfer, der bei dem Blatt für die Stars zuständig
ist, hat ihn in Berlin im Waldorf-Astoria getroffen und mit ihm die meditative
asiatische Kampfkunst „Wing Kung Fu“ geübt.
2008 ist Robert Downey jr. als Comic-Held
„Ironman“ in dem gleichnamigen Film berühmt geworden und seitdem eine Ikone
Hollywoods. Ich habe diesen Film nicht angeschaut und werde es wohl auch nicht
mehr tun.
Der Moderator der Live-Sendung „American
Maniacs“ fragt Mickey beim Interview ganz unvermittelt, ob er an
Wiederverkörperung glaube. Mickey nickt fast beiläufig, so als sei das für ihn
eine Selbstverständlichkeit. Von daher wird auch verständlich, wenn er Mallory
gegenüber immer wieder von „Schicksal“ spricht, so gleich zu Beginn, als sie
sich kennenlernen. Solche Fragen nach dem tieferen Sinn des Lebens stellt
Oliver Stone in allen seinen Filmen. Auch in dem ästhetisch wohl extremsten
Film des Regisseurs – er bedient sich der Schnitttechnik von „MTV“ und „Viva“,
stilprägenden Vorläufern von Youtube mit den heute jederzeit verfügbaren
Musik-Video-Clips – tauchen aus dem Lärm
und der Bilderflut immer wieder solche Fragen auf. So zum Beispiel auch in
jener Szene, als die beiden auf ihrer Flucht zu einem indianischen Schamanen
kommen, der ganz klar sieht, dass Mickey und Mallory von einem Dämon besessen sind.
Als Wayne Gale Mickey später fragt, was diesen Dämon heilen könnte, sagt er nur
ein Wort: „Liebe“.
Ich glaube, dass Oliver Stone den
Namen des Killers nicht zufällig gewählt hat: Mickey erinnert gleichzeitig sowohl
an die Comic-Figur Mickey-Mouse als auch an den Erzengel Michael. Mallory sagt
in einer Szene, dass sie beim Betrachten des sternenglänzenden Nachthimmels die
Engel sehen könne.
Immer mehr wird dem Zuschauer
klar, dass die beiden Killer auf einer Art Mission sind: sie halten den
Menschen einen Spiegel vor und offenbaren ihre geheimsten Emotionen, ihren Hass
und ihre Wut. Was die biederen Amerikaner nicht zu tun wagen, sondern nur im Kino
oder am Fernseher „genießen“, das vollziehen die beiden im "wahren Leben" und werden dadurch zu
wahren TV-Kultfiguren.
Auch die Zahl, die immer wieder
eingeblendet wird, deutet auf einen geistigen Hintergrund: 666 ist die Zahl des ersten Tieres aus der Johannes-Apokalypse (Off. 13, 1ff). Immer wieder wird eine Apparatur dieses seine
Köpfe schwingenden Tieres mit eingeblendet oder mit anderen Szenen überblendet.
Nicht die beiden Killer, sondern
die medial verseuchte amerikanische Gesellschaft sind die eigentlich „Besessenen“,
allen voran Wayne Gale, der das Verbrechen geradezu herausfordert und damit
Geld verdient.[5]
Das beruht auf der Lust der TV-Gemeinde an Mord und Totschlag. Es zeigt eine
menschliche Gesellschaft in der Endphase der Zivilisation, in der das Leben
selbst keinen Sinn mehr macht, in der es nur noch mit Gewaltdarstellungen,
Reality-TV und Soap-Operas erträglich ist. Im Grunde erzählt der Film von uns.
Nicht nur Mickey und Mallory sind von einem Dämon besessen, sondern ein
Großteil der „medienverseuchten“ Gesellschaft. Nicht nur hier kündigt sich die
Ankunft Ahrimans an. Im Grunde ging es 1968 los, als Roman Polanski in seinem
Klassiker „Rosemarys Baby“ die Geburt Satans im New Yorker „Dakota-House“
filmte.
30 Jahre später erscheint das
Gesicht von Jeff Bezos in den Medien und der Mann wird einer der reichsten und
mächtigsten Männer der Welt.
Mich erinnert er mit seinem
kahlgeschorenen Haupt und seinem stechenden Blick nicht nur an Mickey Knox aus „Natural
Born Killers“, sondern noch viel mehr an einen der wirkmächtigsten Magier des
20. Jahrhunderts, an den Georgier Georgij Ivanovitsch Gurdijeff (1866 oder 1877
– 1949).[6]
Heute ist das erste „palindromische
Datum“ seit 900 Jahren. Man kann es von vorne und von hinten lesen: 02.02.2020.
Die Zahl „zwei“ ist die Zahl des Bösen schlechthin, weil sie von der Polarität Luzifer-Ahriman handelt. Erst die Zahl „drei“ ist eine göttliche Zahl. Mit der zwei
sind die beiden Hörner des zweiten apokalyptischen Tieres (aus der Erde, Off. 13, 11ff))
gemeint, aber vielleicht auch die beiden WTC-Türme in New York, die am 11. September
2001 Gegenstand eines Jahrhundert-Attentats waren, das bis heute tausenden von
Menschen das Leben kostet.
Heute ist aber auch Mariä
Lichtmess, der Tag, an dem sich die Mutter Gottes nach 40 Tagen „Wochenbett“
wieder in der Öffentlichkeit zeigen konnte. Das Licht gewinnt ab diesem Termin
wieder deutlich an Kraft.
Ich habe jetzt begonnen, mein
(Film-) Tagebuch aus dem Jahr 1970, das ich endlich gefunden habe, abzutippen. Die
erste Seite habe ich auf ein Foto geklebt, das aus dem Film „Tanz der Vampire“
von Roman Polanski stammt, den ich am Dienstag, den 30. Dezember 1969 im
Ellwanger Regina-Kino zum ersten Mal gesehen hatte.
Dort steht (leider ohne Quellenangabe):
„Der Berliner Goldbärengewinner,
Regisseur Roman Polanski („Wenn Katelbach kommt“), regiert zur Zeit im
Elstree-Studio bei London über eine Unzahl schrecklicher Vampire. Er dreht dort
die Horror-Komödie ‚The Vampire Killers‘ und spielt darin selbst eine wichtige
Hauptrolle (auf unserem Foto mit dem ‚Katelbach‘-Darsteller Jack MacGowran). Der
Film berichtet von zwei Männern, die im Phantasieland Transylvanien alle dort
ansässigen Vampire ausrotten und die schöne Sarah (US-Neuentdeckung Sharon
Tate) retten wollen. Polanski will mit dem für 5,6 Millionen Mark erstellten Blutsauger-Lustspiel
(seinem ersten amerikanischen Film übrigens) nach seinen eigenen Worten ‚dem
Publikum nur Spaß bereiten‘ und keine tiefenpsychologische Studie bieten.“
Diesen Zeitungsausschnitt las ich
heute Morgen. Er stammt aus der Zeit der Dreharbeiten des Films, also lange vor
August 1969, als die „US-Neuentdeckung“, die Polanski und MacGowran „retten
wollen“ zusammen mit anderen Gästen in Polanskis Villa ermordet wurden.
Was
mich immer bewegt hat, war der Schluss des Films, der nicht nur vom Titel her
an Stones „Natural Born Killers“ erinnert: die angeblich gerettete Sarah (Sharon Tate) verwandelt sich in einen Vampir und beißt im Schlitten, mit dem die beiden
Vampirjäger nach der vermeintlichen Vollendung ihrer Mission zufrieden
zurückfahren, Professor Abronsius‘ Assistenten Alfred (gespielt von Roman
Polanski selbst), in den Hals. Über der Landschaft erscheint die Schrift, die immer wieder
einen geheimen Grusel in meiner Seele erzeugt:
„In jener Nacht wusste Professor
Abronsius noch nicht, dass er das Böse, das er für immer zu vernichten hoffte,
mit sich schleppte. Mit seiner Hilfe konnte es sich endlich über die ganze Welt
ausbreiten.“
Ich glaube tatsächlich, dass
Polanski 1966 nicht nur für viel Geld einen Klassiker des Kinos – der inzwischen
sogar zu Musical-Ehren gekommen ist – gedreht hat, sondern dass er – vielleicht
ohne es zu ahnen – das Böse „in die Welt“ gebracht hat.
Natürlich weiß ich, dass das Böse
seit dem Sturz der Geister der Finsternis im November 1879 tatsächlich in den
menschlichen Seelen zu wirken versucht, aber es hatte wohl eine Inkubationszeit
von knapp 100 Jahre gebraucht, bis „der Virus“ wirklich via Kino (und
Fernsehen) die Menschen seelisch ergriff, die sich nicht mit Hilfe der
Geisteswissenschaft schützen konnten. Nicht zufällig wurde Roman Polanskis
hübsche Frau Sharon Tate am 9. August 1969 Opfer jenes fürchterlichen Mordes,
der die ganze Welt erschütterte, und der, wie gesagt, nun Gegenstand des
neuesten Films von Quentin Tarantino ist.
[3]
Dadurch ähnelt er ein wenig Jeff Bezos, der allerdings im Jahre 1994 den
Schädel noch nicht kahlrasiert trug wie heute.
[5] Auf Wikipedia ist zu lesen: "The character of Wayne Gale, the television host of American Maniacs, functions in the film as a figurehead of lurid true crime television documentaries, which recycle real-life incidents of violence and criminal activity into entertainment for the general public. On several occasions, expressionistic jump cuts featuring Gale as a blood-soaked Satan are interspersed into the film (...)" https://en.wikipedia.org/wiki/Natural_Born_Killers
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