Warum mag ich Western-Filme? Hängt das
mit meiner Sozialisation zusammen, als ich mit elf Jahren meinen ersten
Winnetou-Film („Der Schatz im Silbersee“) im Kino gesehen habe?
Dieser Eindruck war 1963 vollkommen
überwältigend. Außer den Darstellern Lex Barker und Pierre Brice war es vor
allem die Landschaft, die einen bleibenden Eindruck in meiner Seele hinterließ.
Erst viel später habe ich den amerikanischen Western entdeckt. Da war mein Bild
vom Wilden Westen wesentlich durch die europäischen Winnetou-Filme geprägt. Ich
weiß nicht mehr, welches der erste amerikanische Western war, den ich im Kino
sah, vielleicht der Episodenfilm „How the West was won“, den ich auch heute noch
großartig finde. Später habe ich die Western von Anthony Mann entdeckt und
stelle sie gleich neben die wunderbaren Filme von John Ford. Bei Anthony Mann
und bei John Ford sind die Landschaften ebenso wichtig und beherrschen die Gesamtstimmung
der Filme wie in den Winnetou-Filmen.
Nun sah ich am Montagabend (21.10.2019)
auf Arte den Western „The Last Frontier“ (Draußen wartet der Tod) von Anthony
Mann aus dem Jahre 1955. Im Mittelpunkt des Films steht ein Fort, das an der
Grenze zum Indianerland steht. Überragt wird dieses Fort von einem
schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains, der immer wieder eindrucksvoll in
Szene gesetzt wird.
In der Handlung geht es um den Kampf
der „Blauröcke“ (amerikanische Soldaten) gegen die „Rothäute“, die hier
angeführt werden von Red Cloud, einer historischen Indianer-Persönlichkeit.
Drei Trapper, die ohne Probleme ins Indianerland eindringen, um dort zu jagen,
schließen sich, nachdem ihnen von einem Trupp Indianer die Waffen und die
Pferde abgenommen worden waren, den noch recht unerfahrenen Rekruten im Fort
an, das von dem aufgeschlossenen Captain Riordan (Guy Madison) kommandiert
wird, der die drei Trapper als Kundschafter anstellt. Jed Cooper (Victor
Mature), einer der drei Trapper, verliebt sich in die Ehefrau des abwesenden
Colonel Marston (Robert Preston), der im Grunde ein Psychopath ist, seitdem er
während des amerikanischen Bürgerkriegs in der Schlacht von Shiloh tausende
seiner Soldaten in den Tod geführt hat. Die blonde Corinna Marston (Anne
Bancroft) erwidert seine Gefühle zunächst nicht, da er sich ihr betrunken und
ziemlich „unzivilisiert“ nähert.
Natürlich erkenne ich die drei
wichtigsten Hauptdarsteller des Films schnell wieder, da ich sie in anderen
Filmen bereits gesehen habe: Victor Mature (1913 – 1999) hatte ich erst vor etwa einem Jahr
in dem Bibelfilm „Das Gewand“ (The Robe) von Henry Koster gesehen. In dem Western
von Anthony Mann hat er mich mit seinem Lockenkopf nicht so sehr überzeugt. Anne
Bancroft (1931 – 2005) hat zwölf Jahre später die Rolle der verführerischen Mrs.
Robinson in „The Graduate“ (Die Reifeprüfung) bekommen und ist dadurch bis heute
bekannt. 1955 sah sie noch recht jung und unschuldig aus. Am meisten aber hat mich
verwundert, als ich in dem guten Captain Riordan einen Schauspieler wiedererkannte,
der neun Jahre später in dem Winnetou-Film „Old Shatterhand“ (1964) unter Hugo Fregonese
abermals einen Captain spielte, dieses Mal allerdings nicht einen „guten“, wie in
„The Last Frontier“, sondern einen „bösen“: Guy Madison (1922 – 1996). Manches aus
„The Last Frontier“ scheint dem deutschen Western aus der Produktion von Arthur
Brauner als Vorbild gedient zu haben.
Die Parallelen sind allzu auffallend, wobei
der Anthony-Mann-Film dem späteren „Old Shatterhand“ natürlich haushoch überlegen
ist, was die künstlerische Qualität anbelangt.
Interessant ist, was ich zu dem Film
im Western-Lexikon von Joe Hembus (Heyne-Filmbibliothek, erweiterte Neuausgabe,
München 1995) lese:
„In einem Gespräch mit Bernard
Tavernier sagte Philip Yordan auf die Bemerkung des Interviewers, in Yordans
Drehbüchern finde sich viel Kritik am Krieg, an der Zivilisation und am
amerikanischen Traum: ‚Ich bin gegen alles, was die Freiheit denaturiert: gegen
den Krieg, die Gewalt, den McCarthyismus. Ich bin gegen alle Arten von
Regierungen, weil die meisten von ihnen ohnehin auf die Ungleichheit der
Klassen gegründet sind und deshalb mit der Freiheit nichts im Sinne haben.‘ Wie
seine bevorzugten Drehbuchautoren Philip Yordan und Borden Chase ist Anthony
Mann ein radikaler Individualist, und wie alle radikalen Individualisten hat er
zum Militär eine ambivalente Haltung, da die Armee zugleich das lockerste wie
das strengste Modell einer Gesellschaft ist. Der Trapper Jed geht mehr aus
Neugier als aus patriotischem Pflichtbewusstsein zur Armee (…) Der Schluss mit der gloriosen
Anpassung Jeds an das militärische Establishment soll Mann von der Produktion
aufgezwungen worden sein. Rein optisch ist Mann jedenfalls bis zum Ende für die
Gesellschaftsfeindlichkeit des freien Trappers: die geometrischen Muster des Forts
mit der in Formation angetretenen Besatzung bilden ein klägliches Bild gegen die
offenen Formen der Waldlandschaft, in denen Jed Abschied nimmt von seinem indianischen
Freund.“
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