Mittwoch, 23. Oktober 2019

Die Landschaft spielt mit - Eindrücke vom Western "Draußen wartet der Tod" von Anthony Mann aus dem Jahre 1955




Warum mag ich Western-Filme? Hängt das mit meiner Sozialisation zusammen, als ich mit elf Jahren meinen ersten Winnetou-Film („Der Schatz im Silbersee“) im Kino gesehen habe?

Dieser Eindruck war 1963 vollkommen überwältigend. Außer den Darstellern Lex Barker und Pierre Brice war es vor allem die Landschaft, die einen bleibenden Eindruck in meiner Seele hinterließ. Erst viel später habe ich den amerikanischen Western entdeckt. Da war mein Bild vom Wilden Westen wesentlich durch die europäischen Winnetou-Filme geprägt. Ich weiß nicht mehr, welches der erste amerikanische Western war, den ich im Kino sah, vielleicht der Episodenfilm „How the West was won“, den ich auch heute noch großartig finde. Später habe ich die Western von Anthony Mann entdeckt und stelle sie gleich neben die wunderbaren Filme von John Ford. Bei Anthony Mann und bei John Ford sind die Landschaften ebenso wichtig und beherrschen die Gesamtstimmung der Filme wie in den Winnetou-Filmen.
Nun sah ich am Montagabend (21.10.2019) auf Arte den Western „The Last Frontier“ (Draußen wartet der Tod) von Anthony Mann aus dem Jahre 1955. Im Mittelpunkt des Films steht ein Fort, das an der Grenze zum Indianerland steht. Überragt wird dieses Fort von einem schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains, der immer wieder eindrucksvoll in Szene gesetzt wird.
In der Handlung geht es um den Kampf der „Blauröcke“ (amerikanische Soldaten) gegen die „Rothäute“, die hier angeführt werden von Red Cloud, einer historischen Indianer-Persönlichkeit. Drei Trapper, die ohne Probleme ins Indianerland eindringen, um dort zu jagen, schließen sich, nachdem ihnen von einem Trupp Indianer die Waffen und die Pferde abgenommen worden waren, den noch recht unerfahrenen Rekruten im Fort an, das von dem aufgeschlossenen Captain Riordan (Guy Madison) kommandiert wird, der die drei Trapper als Kundschafter anstellt. Jed Cooper (Victor Mature), einer der drei Trapper, verliebt sich in die Ehefrau des abwesenden Colonel Marston (Robert Preston), der im Grunde ein Psychopath ist, seitdem er während des amerikanischen Bürgerkriegs in der Schlacht von Shiloh tausende seiner Soldaten in den Tod geführt hat. Die blonde Corinna Marston (Anne Bancroft) erwidert seine Gefühle zunächst nicht, da er sich ihr betrunken und ziemlich „unzivilisiert“ nähert.
Natürlich erkenne ich die drei wichtigsten Hauptdarsteller des Films schnell wieder, da ich sie in anderen Filmen bereits gesehen habe: Victor Mature  (1913 – 1999) hatte ich erst vor etwa einem Jahr in dem Bibelfilm „Das Gewand“ (The Robe) von Henry Koster gesehen. In dem Western von Anthony Mann hat er mich mit seinem Lockenkopf nicht so sehr überzeugt. Anne Bancroft (1931 – 2005) hat zwölf Jahre später die Rolle der verführerischen Mrs. Robinson in „The Graduate“ (Die Reifeprüfung) bekommen und ist dadurch bis heute bekannt. 1955 sah sie noch recht jung und unschuldig aus. Am meisten aber hat mich verwundert, als ich in dem guten Captain Riordan einen Schauspieler wiedererkannte, der neun Jahre später in dem Winnetou-Film „Old Shatterhand“ (1964) unter Hugo Fregonese abermals einen Captain spielte, dieses Mal allerdings nicht einen „guten“, wie in „The Last Frontier“, sondern einen „bösen“: Guy Madison (1922 – 1996). Manches aus „The Last Frontier“ scheint dem deutschen Western aus der Produktion von Arthur Brauner als Vorbild gedient zu haben. 
Die Parallelen sind allzu auffallend, wobei der Anthony-Mann-Film dem späteren „Old Shatterhand“ natürlich haushoch überlegen ist, was die künstlerische Qualität anbelangt.

Interessant ist, was ich zu dem Film im Western-Lexikon von Joe Hembus (Heyne-Filmbibliothek, erweiterte Neuausgabe, München 1995) lese:

„In einem Gespräch mit Bernard Tavernier sagte Philip Yordan auf die Bemerkung des Interviewers, in Yordans Drehbüchern finde sich viel Kritik am Krieg, an der Zivilisation und am amerikanischen Traum: ‚Ich bin gegen alles, was die Freiheit denaturiert: gegen den Krieg, die Gewalt, den McCarthyismus. Ich bin gegen alle Arten von Regierungen, weil die meisten von ihnen ohnehin auf die Ungleichheit der Klassen gegründet sind und deshalb mit der Freiheit nichts im Sinne haben.‘ Wie seine bevorzugten Drehbuchautoren Philip Yordan und Borden Chase ist Anthony Mann ein radikaler Individualist, und wie alle radikalen Individualisten hat er zum Militär eine ambivalente Haltung, da die Armee zugleich das lockerste wie das strengste Modell einer Gesellschaft ist. Der Trapper Jed geht mehr aus Neugier als aus patriotischem Pflichtbewusstsein  zur Armee (…) Der Schluss mit der gloriosen Anpassung Jeds an das militärische Establishment soll Mann von der Produktion aufgezwungen worden sein. Rein optisch ist Mann jedenfalls bis zum Ende für die Gesellschaftsfeindlichkeit des freien Trappers: die geometrischen Muster des Forts mit der in Formation angetretenen Besatzung bilden ein klägliches Bild gegen die offenen Formen der Waldlandschaft, in denen Jed Abschied nimmt von seinem indianischen Freund.“

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