Montag, 25. Februar 2019

Als Amerika noch das große Vorbild war - Gedanken zu zwei Western-Filmen - "Trommeln am Mohawk" von John Ford aus dem Jahre 1939 und "Überfall der Oglala" ("Western Union") aus dem Jahre 1941 von Fritz Lang



Trailer "Western Union"


Gestern Abend zeigte Arte den ersten Technicolor-Farbwestern von John Ford, „Trommeln am Mohawk“ (Drums along the Mohawk) aus dem Jahre 1939. Erst vor kurzem sah ich auf Arte einen anderen Technicolor-Farbwestern, den Film „Western Union“ aus dem Jahr 1941 von Fritz Lang, der in Deutschland auch unter dem Titel „Überfall der Oglalla“ bekannt ist.
Die beiden Großmeister des Kinos arbeiteten Ende der 30-er, Anfang der 40-er Jahre für Darryl F. Zanucks Twentieth Century Fox. Obwohl beide Western nach bekannten amerikanischen Romanen entstanden und beide einen historischen Hintergrund[1] haben, sind es doch für heutige Sehgewohnheiten naive Hollywood-Märchen.
An der Kinokasse hatten die Filme damals großen Erfolg, heute würden sie kaum noch einen Kinogänger anlocken. Dabei haben beide großartige männliche Darsteller: In „Western Union“, nach einem Roman von Zane Grey gedreht, spielte der junge Randolph Scott den gemischten Charakter, in „Drums along the Mohawk“ der junge Henry Fonda den unbescholtenen Siedler, der während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1776 für Amerika in den Krieg gegen die Engländer zieht und Frau und Farm verlassen muss.
Nebenbei ist der Film von John Ford auch noch das Porträt einer Oststaatenfrau, die Luxus gewohnt war und nun unter einfachsten Verhältnissen zusammen mit ihrem Mann eine Existenz im Westen aufbauen muss, also eine jener tüchtigen Frauen wurde, mit deren Hilfe die Männer ein wenig Kultur in ihr Leben im „Wilden Westen“ bringen konnten. Diese tapfere Frau wird von einer viel zu hübschen Claudette Colbert gespielt, in jener Zeit die bestbezahlte weibliche Hollywoodschauspielerin.
Henry Fonda und Claudette Colbert heben sich durch ihre „Makellosigkeit“ deutlich ab von all den anderen typischen, meist etwas skurrilen John-Ford-Charakteren, die dem Film eine gewisse Authentizität verleihen. Dass aber auch diese nur eine scheinbare ist, zeigt ein Briefwechsel, der in Joe Hembus‘ „Western-Lexikon“ (Wilhelm-Heyne-Verlag, München 1976, S 720) abgedruckt ist. Dort heißt es:
„Nach der Uraufführung des Films („Western Union“) bekam Fritz Lang einen Brief des Old Timer’s Club in Flagstaff, Arizona, in dem es hieß: ‚Wir haben den alten Westen noch nie so authentisch abgebildet gesehen wie in Ihrem Western Union. Wie ist das nur einem Regisseur möglich gewesen, der nicht in Amerika geboren worden ist?‘
Lang zitiert diesen Brief gern, um sich über ihn und die Gutgläubigkeit seiner Absender zu mokieren: Als Mythenmacher ist er von solchen Attesten nicht geschmeichelt, und er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass in Western Union alles fiktiv und erfunden ist. ‚Ich habe nie auch nur einen Augenblick geglaubt, dass der Westen, der in den Western gezeigt wird, je existiert hat. Die Legende des alten Westens ist das amerikanische Gegenstück zu den germanischen Mythen, wie ich sie beispielsweise in den Nibelungen abgebildet habe. Deshalb kann ein Regisseur jedweder Nationalität die Legende des alten Westens auf die Leinwand malen; es handelt sich um etwas, was sich die Leute in ihrer Phantasie ausgemalt haben.“
Es ist interessant, dass ein intelligenter Regisseur wie Fritz Lang (1890 – 1976) nicht unterscheiden kann zwischen echten Mythen wie dem Nibelungenmythos und den „Phantasien“, die man sich in Hollywood vom sogenannten „Wilden Westen“ ausgedacht hat. Das beweist einmal mehr die materialistische Einstellung dieses einäugigen Regisseurs deutsch-jüdischer Abstammung[2].
Das geschichtslose Amerika, das sich durch den „Unabhängigkeitskrieg“ von der „Alten Welt“ losgelöst hat und sich seitdem „Gods own Country“ nannte, kannte keine Historie und musste sich deshalb eine eigene erschaffen. Dazu stand Hollywood bereit.


der Trailer ist leider in Schwarz-Weiß


John Ford (1894 – 1973)[3] ist der Western-Regisseur par excellence gewesen, der in unzähligen Filmen die Eroberung des Westens durch die weißen Siedler und die Kavallerie verherrlicht hat.
In beiden von Arte wiederaufgeführten Western-Filmen, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im gleichen Hollywood-Studio entstanden sind, als ein „Bösewicht“ die Alte Welt ins Unglück stürzte, kommen als „Bösewichte“ auch Indianer vor: In „Western Union“ und in „Drums along the Mohawk“ lassen sie sich von „bösen“ Weißen mit Hilfe von „Feuerwasser“ zum Kampf gegen „die Guten“ (die Amerikaner) verleiten. Sie taumeln bei mancher Gelegenheit, bunt bemalt und besoffen, durch das Bild.
Diese abstoßende Darstellung der frühen Western-Filme prägte damals das Bild des „roten Mannes“. Erst viel später[4], in den 60er Jahren, wurden auch die Ureinwohner Amerikas im Film rehabilitiert. John Ford setzte ihnen 1964 in „Cheyenne Autumn“[5] ein großartiges Denkmal, Arthur Penn 1970 in „Little Big Man“.[6]
In beiden Filmen spielt ein Krieg im Hintergrund mit. In „Western Union“ (1941) ist es der amerikanische Bürgerkrieg (1861 – 1865) zwischen den Nordstaaten und den Südstaaten, wobei die nördliche „Union“ unter Präsident Abraham Lincoln als die „gute“ Seite, die Sklavenhalter der „Konföderierten“ als die „Bösen“ gelten. So ist Jack Slade (Barton MacLane), der Bruder von Vance Shaw (Randolph Scott), ein abtrünniger Konföderierter, der zusammen mit einer Bande von Indianern seinen privaten Krieg gegen das Nordstaaten-Unternehmen „Western Union“ führt, während sein ehemaliger Bandengefährte und Bruder inzwischen die Fronten und die Parteien gewechselt hat.
In „Drums along the Mohawk“ ist es der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, in dem sich die Siedler unter ihrem Anführer George Washington, der in dem Film des Öfteren genannt wird,  gleich gegen drei Parteien zur Wehr setzen müssen: gegen die Engländer, die gegenüber diesen loyalen Amerikaner („Tories“ oder auch the „Kingsmen“ genannt) und gegen die Indianer vom Stamm der Seneca. Natürlich sind in dem Film die amerikanischen Siedler die „Guten“.
In beiden Filmen spielt der Schauspieler John Carradine interessante Nebenrollen: In „Drums along the Mohawk“ spielt er den Anführer der Tories und der Seneca. Mit seiner schwarzen Augenklappe und seiner hageren Gestalt sieht er in dem Film geradezu dämonisch aus. Joe Hembus nennt den englischen Intriganten Caldwell in seinem Western-Lexikon einen „richtigen Märchen-Bösewicht“ (a.a.O. S 662). In „Western Union“ spielt er den coolen Arzt Doc Murdoch.
Wenn die Filme auch kein authentisches Bild vom amerikanischen Westen zeichnen, so entführen sie doch in eine Zeit, die im 20. Jahrhundert eine Gegenwelt zur Wirklichkeit schuf, die zahlreiche Menschen von der bitteren Wirklichkeit ablenken und ihnen die „richtigen“ Gefühle in Bezug auf Amerika einpflanzen sollten: Am Schluss von „Drums along the Mohawk“ wird die erste amerikanische Flagge auf dem zuvor umkämpften Fort gehisst, die damals neben den dreizehn Streifen nur 13 Sterne im Kreis zeigte.
Der Film ist eine patriotische „Hymne auf den Pioniergeist, den militärischen Mut und die Frömmigkeit der ersten Amerikaner“ (Joe Hembus). Wie sehr das „Image“ Amerikas seitdem gelitten hat, kann man in der Gegenwart an hunderten Beispielen ablesen. Ob es der derzeitige Präsident schafft, „Amerika wieder groß“ zu machen, darf bezweifelt werden.
Moralisch, militärisch und politisch ist es schon lange nicht mehr das große Vorbild, das es Anfang der 40er Jahre für viele noch war.



[1] Western Union schildert die Verlegung einer Telegrafenleitung von Omaha nach Salt Lake City im Jahre 1861, kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs; die Figuren aus John Fords Verfilmung eines Romans von Walter D. Edmonds gehen auf historische Personen zurück.
[2] Seine Mutter Pauline, geborene Schlesinger, war Jüdin, konvertierte jedoch zum Katholizismus. Auch Fritz Lang wurde gleich nach der Geburt in der Wiener Schottenkirche katholisch getauft. https://en.wikipedia.org/wiki/Fritz_Lang
[3] John Ford war irischer Abstammung und Katholik. (https://en.wikipedia.org/wiki/John_Ford). In all seinen Filmen spielt das Christentum eine wichtige Rolle, so auch in „Drums along the Mohawk“, wo sich ein etwas trotteliger Indianer, der in der Weißen-Siedlung wohnt, ausdrücklich als Christ bezeichnet und einmal laut „Halleluja“ ruft. In dem Film wird durch den Pfarrer der Siedlung das strenge puritanische Christentum vertreten, in dem auf „die Bösen“, sprich die Engländer und die mit ihnen verbündeten Indianer, in gut alttestamentarischer Weise der Zorn Gottes herabgerufen wird.
[4] Von einzelnen Ausnahmen abgesehen.

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