Trailer "Western Union"
Gestern Abend zeigte Arte den
ersten Technicolor-Farbwestern von John Ford, „Trommeln am Mohawk“ (Drums along
the Mohawk) aus dem Jahre 1939. Erst vor kurzem sah ich auf Arte einen anderen
Technicolor-Farbwestern, den Film „Western Union“ aus dem Jahr 1941 von Fritz
Lang, der in Deutschland auch unter dem Titel „Überfall der Oglalla“ bekannt
ist.
Die beiden Großmeister des Kinos
arbeiteten Ende der 30-er, Anfang der 40-er Jahre für Darryl F. Zanucks Twentieth
Century Fox. Obwohl beide Western nach bekannten amerikanischen Romanen
entstanden und beide einen historischen Hintergrund[1]
haben, sind es doch für heutige Sehgewohnheiten naive Hollywood-Märchen.
An der Kinokasse hatten die Filme
damals großen Erfolg, heute würden sie kaum noch einen Kinogänger anlocken.
Dabei haben beide großartige männliche Darsteller: In „Western Union“, nach
einem Roman von Zane Grey gedreht, spielte der junge Randolph Scott den
gemischten Charakter, in „Drums along the Mohawk“ der junge Henry Fonda den
unbescholtenen Siedler, der während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges
1776 für Amerika in den Krieg gegen die Engländer zieht und Frau und Farm
verlassen muss.
Nebenbei ist der Film von John
Ford auch noch das Porträt einer Oststaatenfrau, die Luxus gewohnt war und nun
unter einfachsten Verhältnissen zusammen mit ihrem Mann eine Existenz im Westen
aufbauen muss, also eine jener tüchtigen Frauen wurde, mit deren Hilfe die
Männer ein wenig Kultur in ihr Leben im „Wilden Westen“ bringen konnten. Diese
tapfere Frau wird von einer viel zu hübschen Claudette Colbert gespielt, in
jener Zeit die bestbezahlte weibliche Hollywoodschauspielerin.
Henry Fonda und Claudette Colbert
heben sich durch ihre „Makellosigkeit“ deutlich ab von all den anderen
typischen, meist etwas skurrilen John-Ford-Charakteren, die dem Film eine
gewisse Authentizität verleihen. Dass aber auch diese nur eine scheinbare ist,
zeigt ein Briefwechsel, der in Joe Hembus‘ „Western-Lexikon“
(Wilhelm-Heyne-Verlag, München 1976, S 720) abgedruckt ist. Dort heißt es:
„Nach der Uraufführung des Films
(„Western Union“) bekam Fritz Lang einen Brief des Old Timer’s Club in
Flagstaff, Arizona, in dem es hieß: ‚Wir haben den alten Westen noch nie so
authentisch abgebildet gesehen wie in Ihrem Western
Union. Wie ist das nur einem Regisseur möglich gewesen, der nicht in
Amerika geboren worden ist?‘
Lang zitiert diesen Brief gern,
um sich über ihn und die Gutgläubigkeit seiner Absender zu mokieren: Als
Mythenmacher ist er von solchen Attesten nicht geschmeichelt, und er hat immer
wieder darauf hingewiesen, dass in Western
Union alles fiktiv und erfunden ist. ‚Ich habe nie auch nur einen
Augenblick geglaubt, dass der Westen, der in den Western gezeigt wird, je
existiert hat. Die Legende des alten Westens ist das amerikanische Gegenstück
zu den germanischen Mythen, wie ich sie beispielsweise in den Nibelungen abgebildet habe. Deshalb kann
ein Regisseur jedweder Nationalität die Legende des alten Westens auf die
Leinwand malen; es handelt sich um etwas, was sich die Leute in ihrer Phantasie
ausgemalt haben.“
Es ist interessant, dass ein
intelligenter Regisseur wie Fritz Lang (1890 – 1976) nicht unterscheiden kann
zwischen echten Mythen wie dem Nibelungenmythos und den „Phantasien“, die man
sich in Hollywood vom sogenannten „Wilden Westen“ ausgedacht hat. Das beweist
einmal mehr die materialistische Einstellung dieses einäugigen Regisseurs
deutsch-jüdischer Abstammung[2].
Das geschichtslose Amerika, das
sich durch den „Unabhängigkeitskrieg“ von der „Alten Welt“ losgelöst hat und
sich seitdem „Gods own Country“ nannte, kannte keine Historie und musste sich
deshalb eine eigene erschaffen. Dazu stand Hollywood bereit.
der Trailer ist leider in Schwarz-Weiß
John Ford (1894 – 1973)[3]
ist der Western-Regisseur par excellence gewesen, der in unzähligen Filmen die
Eroberung des Westens durch die weißen Siedler und die Kavallerie verherrlicht
hat.
In beiden von Arte
wiederaufgeführten Western-Filmen, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im
gleichen Hollywood-Studio entstanden sind, als ein „Bösewicht“ die Alte Welt
ins Unglück stürzte, kommen als „Bösewichte“ auch Indianer vor: In „Western
Union“ und in „Drums along the Mohawk“ lassen sie sich von „bösen“ Weißen mit
Hilfe von „Feuerwasser“ zum Kampf gegen „die Guten“ (die Amerikaner) verleiten.
Sie taumeln bei mancher Gelegenheit, bunt bemalt und besoffen, durch das Bild.
Diese abstoßende Darstellung der
frühen Western-Filme prägte damals das Bild des „roten Mannes“. Erst viel
später[4],
in den 60er Jahren, wurden auch die Ureinwohner Amerikas im Film rehabilitiert.
John Ford setzte ihnen 1964 in „Cheyenne Autumn“[5]
ein großartiges Denkmal, Arthur Penn 1970 in „Little Big Man“.[6]
In beiden Filmen spielt ein Krieg
im Hintergrund mit. In „Western Union“ (1941) ist es der amerikanische
Bürgerkrieg (1861 – 1865) zwischen den Nordstaaten und den Südstaaten, wobei
die nördliche „Union“ unter Präsident Abraham Lincoln als die „gute“ Seite, die
Sklavenhalter der „Konföderierten“ als die „Bösen“ gelten. So ist Jack Slade
(Barton MacLane), der Bruder von Vance Shaw (Randolph Scott), ein abtrünniger
Konföderierter, der zusammen mit einer Bande von Indianern seinen privaten
Krieg gegen das Nordstaaten-Unternehmen „Western Union“ führt, während sein
ehemaliger Bandengefährte und Bruder inzwischen die Fronten und die Parteien
gewechselt hat.
In „Drums along the Mohawk“ ist
es der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, in dem sich die Siedler unter ihrem
Anführer George Washington, der in dem Film des Öfteren genannt wird, gleich gegen drei Parteien zur Wehr setzen
müssen: gegen die Engländer, die gegenüber diesen loyalen Amerikaner („Tories“
oder auch the „Kingsmen“ genannt) und gegen die Indianer vom Stamm der Seneca.
Natürlich sind in dem Film die amerikanischen Siedler die „Guten“.
In beiden Filmen spielt der
Schauspieler John Carradine interessante Nebenrollen: In „Drums along the
Mohawk“ spielt er den Anführer der Tories und der Seneca. Mit seiner schwarzen
Augenklappe und seiner hageren Gestalt sieht er in dem Film geradezu dämonisch
aus. Joe Hembus nennt den englischen Intriganten Caldwell in seinem
Western-Lexikon einen „richtigen Märchen-Bösewicht“ (a.a.O. S 662). In „Western
Union“ spielt er den coolen Arzt Doc Murdoch.
Wenn die Filme auch kein
authentisches Bild vom amerikanischen Westen zeichnen, so entführen sie doch in
eine Zeit, die im 20. Jahrhundert eine Gegenwelt zur Wirklichkeit schuf, die
zahlreiche Menschen von der bitteren Wirklichkeit ablenken und ihnen die „richtigen“
Gefühle in Bezug auf Amerika einpflanzen sollten: Am Schluss von „Drums along
the Mohawk“ wird die erste amerikanische Flagge auf dem zuvor umkämpften Fort
gehisst, die damals neben den dreizehn Streifen nur 13 Sterne im Kreis zeigte.
Der Film ist eine patriotische
„Hymne auf den Pioniergeist, den militärischen Mut und die Frömmigkeit der
ersten Amerikaner“ (Joe Hembus). Wie sehr das „Image“ Amerikas seitdem gelitten
hat, kann man in der Gegenwart an hunderten Beispielen ablesen. Ob es der
derzeitige Präsident schafft, „Amerika wieder groß“ zu machen, darf bezweifelt
werden.
Moralisch, militärisch und
politisch ist es schon lange nicht mehr das große Vorbild, das es Anfang der
40er Jahre für viele noch war.
[1]
Western Union schildert die Verlegung einer Telegrafenleitung von Omaha nach
Salt Lake City im Jahre 1861, kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs; die Figuren
aus John Fords Verfilmung eines Romans von Walter D. Edmonds gehen auf
historische Personen zurück.
[2]
Seine Mutter Pauline, geborene Schlesinger, war Jüdin, konvertierte jedoch zum
Katholizismus. Auch Fritz Lang wurde gleich nach der Geburt in der Wiener
Schottenkirche katholisch getauft. https://en.wikipedia.org/wiki/Fritz_Lang
[3]
John Ford war irischer Abstammung und Katholik. (https://en.wikipedia.org/wiki/John_Ford).
In all seinen Filmen spielt das Christentum eine wichtige Rolle, so auch in
„Drums along the Mohawk“, wo sich ein etwas trotteliger Indianer, der in der
Weißen-Siedlung wohnt, ausdrücklich als Christ bezeichnet und einmal laut
„Halleluja“ ruft. In dem Film wird durch den Pfarrer der Siedlung das strenge
puritanische Christentum vertreten, in dem auf „die Bösen“, sprich die
Engländer und die mit ihnen verbündeten Indianer, in gut alttestamentarischer
Weise der Zorn Gottes herabgerufen wird.
[4] Von
einzelnen Ausnahmen abgesehen.
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