Eben (15.01.2019) lese ich in der Zeitung,
dass die Geburtsstadt Rosa Luxemburgs,
das polnische Städtchen Zamosc, die Partnerstadt Schwäbisch Halls ist. Die
kleine Rozalia Luksenburg, die dort am 5. März 1871 geboren wurde, hat
allerdings nur zwei Jahre in dem Städtchen gewohnt. Dann ist ihre Familie – der
Vater war einer der reichsten Männer Zamoscs – nach Warschau umgezogen. Rosa hat
später in Zürich studiert und sogar promoviert, wo sie gewiss mit Lenin
zusammentraf, vielleicht auch mit Ita Wegman, die dort als eine der wenigen
Frauen von 1906 bis 1911 Medizin studierte. Mit Hilfe einer Scheinehe hat die
sich nun Rosa Luxemburg nennende Frau dann die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen
und ist nach Berlin gezogen, wo sie am 15. Januar 1919, also genau heute vor
hundert Jahren, von einem Freikorps-Soldaten mit dem Gewehrkolben erschlagen
wurde. Der mutmaßliche Mörder, Hermann Souchon, lebte in den 50er Jahren in
Crailsheim, wie ich ebenfalls aus dem Haller Tagblatt erfahre.
Das sind schon merkwürdige
Zusammenhänge.
3SAT zeigt heute Abend den Film „Rosa
Luxemburg“ von Margarethe Trotta aus dem Jahre 1985, den ich mir anschauen
werde. Im Haller „Club Alpha“ findet heute eine Gedenkveranstaltung mit
Ausschnitten aus diesem Film und Vorträgen statt. Aber so weit geht meine
Sympathie für die linke Revolutionärin dann doch nicht, dass ich dorthin gehen
würde, auch wenn es mich anderseits reizte.
Nun bin ich der Rosa zu Ehren bis
um 0.30 Uhr wach geblieben und habe mir Margarethe von Tottas berührende Filmbiographie
der jüdischen Revolutionärin aus gutem Hause angeschaut, die nun auch schon
über 33 Jahre alt ist und 1986 zur Zeit des Historikerstreits in die Kinos kam.
In dem Film wird die radikale
Kommunistin (Spartakistin) von Barbara Sukova sehr menschlich dargestellt. Ich
glaube nach dem Sehen des Films auch, dass sich Frau Doktor Luxemburg nicht nur
für die Arbeiterklasse, sondern auch für den Menschen ganz allgemein einsetzte.
Sie war glühende Pazifistin in einer Zeit, als sich die meisten Menschen,
darunter auch viele Sozialdemokraten zur Verteidigung des Vaterlandes zum Kampf
im Krieg verleiten ließen. Auch sie hatten im preußischen Parlament wiederholt für
Kriegsanleihen gestimmt.
Rosa Luxemburg musste für ihre
revolutionären Ideen mehrmals „ins Loch“, unter anderem auch in Breslau.
Viele der bekannten jüdischen
Revolutionäre erstehen in dem Film wieder zum Leben, so zum Beispiel der litauische
Kaufmannsohn Leo Jogisches (1867 – 1919), Rosas Lebensgefährte, und der
gleichaltrige Karl Liebknecht (1871 – 1919), in dem Film gespielt von Otto
Sanders.
Diese beiden Männer waren für
Rosa Luxemburgs Schicksal gewiss entscheidend. Sie starb mit ihnen etwa 14
Tage, nachdem sie mit ca. 40 weiteren Sozialisten am 1. Januar 1919 den „Spartakusbund“
gegründet hatte, der in seinem Blatt „Die rote Fahne“, deren Redakteurin Rosa
Luxemburg eine Zeitlang war, zur Revolution aufgerufen und die junge Weimarer
Demokratie herausgefordert hatte.
Die drei Märtyrer der gescheiterten
deutschen Revolution wurden so zu Helden der kommunistischen Internationale
verklärt. Dass der kommunistische Ableger der Sozialdemokratie und ihre kleine
Minderheit von radikalen Revolutionären in der Vorläuferpartei der KPD, dem
Spartakusbund, nicht nur die Spaltung der Sozialdemokratie, sondern auch die
Spaltung der ganzen Gesellschaft betrieben hat, die in eine Art Bürgerkrieg
ausuferte, wird in dem Film nur am Rande thematisiert. Der Film ist ein
Heldengesang auf die Kommunistin und ihre Mitstreiter, aber keine objektive
Geschichtsdarstellung.
Ich bin mit Rosa Luxemburgs
Ansicht einverstanden, dass das Bürgertum, darunter viele Sozialdemokraten,
angesichts der brisanten sozialen Frage, die durch die Industrialisierung und das
daraus entstandene Proletariat entstanden war, nicht genügend wach gewesen war –
Rosa nannte ihre sozialdemokratischen Genossen in dem Film wiederholt „Schlafmützen“
– aber ich glaube nicht, dass die marxistischen Vorstellungen des Klassenkampfes
und der Diktatur des Proletariats die angebrachte Lösung für die anstehenden
sozialen Fragen waren.
Viele Deutsche, die die
Katastrophe des Ersten Weltkriegs überlebt hatten, sahen mit Schrecken auf die
Verhältnisse in Russland, wo jüdische Kommunisten ihre Vorstellungen einer
neuen Gesellschaft und eines Paradieses auf Erden mit Terror verwirklichen
wollten, bei dem tausende von „Andersdenkenden“ durch willkürliche
Verhaftungen, Erschießungen und Deportationen den Tod fanden.
Was die Bolschewiki dem
christlichsten aller Völker, dem russischen Bauernvolk, antun konnten,
funktionierte in einem aufgeklärten Land wie Deutschland nicht: Die aus dem
Krieg zurückgekehrten, kampfgeübten Soldaten zerschlugen die Aufstände in den
deutschen Städten und konnten den Zauber beenden, bevor auch hier sowjetische
Zustände ausbrachen. Es wird von den linken Propagandisten meistens übersehen,
dass nicht nur von nationalistischer Seite zahlreiche politisch motivierte Attentate
verübt worden sind, sondern auch von kommunistischer. In dem durch den
verlorenen Krieg geschwächten Deutschland sahen die Kommunisten, die die
Wirtschaft durch Streiks und die Politik durch Aufstände lahmlegten, angeleitet
durch ihre charismatischen Führer, eine reale Chance, ihre Vorstellungen einer idealen
Gesellschaft zu realisieren. Noch heut wird die „gescheiterte“ deutsche
Revolution von 1919 von vielen Linken verklärt. In welches Chaos oder gar
Blutbad sie geführt haben konnte, kann man nur ahnen.
Kommunisten wie Rosa Luxemburg
oder auch Clara Zetkin gehörten damals mit Sicherheit zu den bewusstesten und
wachsten Zeitgenossen, hingen jedoch einer falschen Ideologie an.
Beim Anschauen des Films wurde
mir wieder bewusst, dass jene „Kämpfer für eine bessere Welt“ eine Art Familie
bildeten, in der sich alle untereinander kannten und unter den gleichen Ideen
vereinten. Man kann in einer spirituellen Rückschau davon ausgehen, dass es
sich um eine karmische Gemeinschaft handelte, die von der Geschichte ausgewählt
wurde, um die falsche marxistische Ideologie, der bis heute einige Verblendete
anhängen, einmal in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auszuprobieren. Das
sozialistische Experiment überlebte in der Sowjetunion immerhin 70 Jahre, nicht
jedoch die Millionen, die sich nicht unterordnen wollten.
Genauso verblendet wie die
Kommunisten waren die konservativen Nationalisten, die nicht sehen konnten,
dass mit dem Untergang der Monarchien und des Ständestaates eine neue Zeit
angebrochen war, die neue soziale Lösungen verlangte. Ein Zurück zu „unserem alten Kaiser
Wilhelm“ gab es nicht mehr. Auch diese karmische Gemeinschaft suchte und fand
ihren charismatischen Führer.
Beide Gruppierungen haben die
Zeichen der Zeit nicht wirklich erkannt, ja waren in ihrem Fanatismus geradezu
blind dafür: Im Schlüsseljahr 1917 hatte Rudolf Steiner seine Ideen zur
Dreigliederung des sozialen Organismus zum ersten Mal vorgestellt. Daraus
entstand 1919 zeitgleich zum Beginn der jungen Weimarer Demokratie, die 14
Jahre lang sowohl von links wie von rechts bedroht war, die
Dreigliederungsbewegung, in der die drei Ideale der Französischen Revolution
wirklichkeitsgemäß an die drei Glieder des sozialen Organismus angenähert
wurden: die Freiheit (Liberalismus) gehört zum Geistesleben, worunter
Wissenschaft, Kunst und Religion verstanden werden (und nicht zum
Wirtschaftsleben), die Brüderlichkeit (Sozialismus) zum Wirtschaftsleben, also
zu Produktion, Handel und Konsum, und die Gleichheit zum Rechtsleben, in dem
alle Menschen vor dem Gesetz gleich behandelt werden sollen.
Die Vertreter dieser Ideen, die
sich um Rudolf Steiner als ihrem charismatischen Führer gruppierten, bildeten
wieder eine karmische Menschengemeinschaft.
So hatte die Geschichte neben
vielen kleineren Gruppierungen drei größere Gemeinschaften ins Zentrum der mitteleuropäischen Geschichte „befördert“, von denen zwei nur ein Teilgebiet
des sozialen Organismus vertraten: Die Sozialisten die Brüderlichkeit, die
Nationalisten die Gleichheit der völkischen Gemeinschaft unter Ausschluss aller
Nichtarier. Nur die ganzheitlichen Dreigliederer hatten ein passendes Konzept
für eine gesellschaftliche Ordnung, die nicht auf Ideologien basiert, sondern auf
Wirklichkeiten. Diese kleinste Gruppe in der Auseinandersetzung um eine neue
Gesellschaftsform nach dem Zusammenbruch der Monarchien drang mit ihren Ideen
Anfang der zwanziger Jahre nicht durch, ja wurde sowohl von links, als auch von
rechts heftig bekämpft.
In der Dreiergruppe Jogiches,
Liebknecht und Luxemburg war Rosa vermutlich die einzige, die sich für die
humanen Ideen der Dreigliederer hätte begeistern können. Sie stand aber
zwischen zwei eher fanatischen Männern, die an der marxistischen Utopie
festhielten. Dabei war sie eine hoch gebildete Frau, die ihren Goethe und ihren
Mörike kannte und liebte, in ihrer Wohnung eine Kopie des berühmten Feuerbach-Gemäldes
der Iphigenie aufgehängt hatte und an Weihnachten die Kerzen an ihrem
Christbaum anzündete, wie es im Film von Margarethe von Trotta gezeigt wird.
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