Mittwoch, 16. Januar 2019

Die falsche Mission - Gedanken zum Film "Rosa Luxemburg" von Margarethe von Trotta aus dem Jahre 1985




Eben (15.01.2019) lese ich in der Zeitung, dass die Geburtsstadt  Rosa Luxemburgs, das polnische Städtchen Zamosc, die Partnerstadt Schwäbisch Halls ist. Die kleine Rozalia Luksenburg, die dort am 5. März 1871 geboren wurde, hat allerdings nur zwei Jahre in dem Städtchen gewohnt. Dann ist ihre Familie – der Vater war einer der reichsten Männer Zamoscs – nach Warschau umgezogen. Rosa hat später in Zürich studiert und sogar promoviert, wo sie gewiss mit Lenin zusammentraf, vielleicht auch mit Ita Wegman, die dort als eine der wenigen Frauen von 1906 bis 1911 Medizin studierte. Mit Hilfe einer Scheinehe hat die sich nun Rosa Luxemburg nennende Frau dann die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen und ist nach Berlin gezogen, wo sie am 15. Januar 1919, also genau heute vor hundert Jahren, von einem Freikorps-Soldaten mit dem Gewehrkolben erschlagen wurde. Der mutmaßliche Mörder, Hermann Souchon, lebte in den 50er Jahren in Crailsheim, wie ich ebenfalls aus dem Haller Tagblatt erfahre.
Das sind schon merkwürdige Zusammenhänge.
3SAT zeigt heute Abend den Film „Rosa Luxemburg“ von Margarethe Trotta aus dem Jahre 1985, den ich mir anschauen werde. Im Haller „Club Alpha“ findet heute eine Gedenkveranstaltung mit Ausschnitten aus diesem Film und Vorträgen statt. Aber so weit geht meine Sympathie für die linke Revolutionärin dann doch nicht, dass ich dorthin gehen würde, auch wenn es mich anderseits reizte.

Nun bin ich der Rosa zu Ehren bis um 0.30 Uhr wach geblieben und habe mir Margarethe von Tottas berührende Filmbiographie der jüdischen Revolutionärin aus gutem Hause angeschaut, die nun auch schon über 33 Jahre alt ist und 1986 zur Zeit des Historikerstreits in die Kinos kam.
In dem Film wird die radikale Kommunistin (Spartakistin) von Barbara Sukova sehr menschlich dargestellt. Ich glaube nach dem Sehen des Films auch, dass sich Frau Doktor Luxemburg nicht nur für die Arbeiterklasse, sondern auch für den Menschen ganz allgemein einsetzte. Sie war glühende Pazifistin in einer Zeit, als sich die meisten Menschen, darunter auch viele Sozialdemokraten zur Verteidigung des Vaterlandes zum Kampf im Krieg verleiten ließen. Auch sie hatten im preußischen Parlament wiederholt für Kriegsanleihen gestimmt.
Rosa Luxemburg musste für ihre revolutionären Ideen mehrmals „ins Loch“, unter anderem auch in Breslau.
Viele der bekannten jüdischen Revolutionäre erstehen in dem Film wieder zum Leben, so zum Beispiel der litauische Kaufmannsohn Leo Jogisches (1867 – 1919), Rosas Lebensgefährte, und der gleichaltrige Karl Liebknecht (1871 – 1919), in dem Film gespielt von Otto Sanders.
Diese beiden Männer waren für Rosa Luxemburgs Schicksal gewiss entscheidend. Sie starb mit ihnen etwa 14 Tage, nachdem sie mit ca. 40 weiteren Sozialisten am 1. Januar 1919 den „Spartakusbund“ gegründet hatte, der in seinem Blatt „Die rote Fahne“, deren Redakteurin Rosa Luxemburg eine Zeitlang war, zur Revolution aufgerufen und die junge Weimarer Demokratie herausgefordert hatte.
Die drei Märtyrer der gescheiterten deutschen Revolution wurden so zu Helden der kommunistischen Internationale verklärt. Dass der kommunistische Ableger der Sozialdemokratie und ihre kleine Minderheit von radikalen Revolutionären in der Vorläuferpartei der KPD, dem Spartakusbund, nicht nur die Spaltung der Sozialdemokratie, sondern auch die Spaltung der ganzen Gesellschaft betrieben hat, die in eine Art Bürgerkrieg ausuferte, wird in dem Film nur am Rande thematisiert. Der Film ist ein Heldengesang auf die Kommunistin und ihre Mitstreiter, aber keine objektive Geschichtsdarstellung.
Ich bin mit Rosa Luxemburgs Ansicht einverstanden, dass das Bürgertum, darunter viele Sozialdemokraten, angesichts der brisanten sozialen Frage, die durch die Industrialisierung und das daraus entstandene Proletariat entstanden war, nicht genügend wach gewesen war – Rosa nannte ihre sozialdemokratischen Genossen in dem Film wiederholt „Schlafmützen“ – aber ich glaube nicht, dass die marxistischen Vorstellungen des Klassenkampfes und der Diktatur des Proletariats die angebrachte Lösung für die anstehenden sozialen Fragen waren.
Viele Deutsche, die die Katastrophe des Ersten Weltkriegs überlebt hatten, sahen mit Schrecken auf die Verhältnisse in Russland, wo jüdische Kommunisten ihre Vorstellungen einer neuen Gesellschaft und eines Paradieses auf Erden mit Terror verwirklichen wollten, bei dem tausende von „Andersdenkenden“ durch willkürliche Verhaftungen, Erschießungen und Deportationen den Tod fanden.
Was die Bolschewiki dem christlichsten aller Völker, dem russischen Bauernvolk, antun konnten, funktionierte in einem aufgeklärten Land wie Deutschland nicht: Die aus dem Krieg zurückgekehrten, kampfgeübten Soldaten zerschlugen die Aufstände in den deutschen Städten und konnten den Zauber beenden, bevor auch hier sowjetische Zustände ausbrachen. Es wird von den linken Propagandisten meistens übersehen, dass nicht nur von nationalistischer Seite zahlreiche politisch motivierte Attentate verübt worden sind, sondern auch von kommunistischer. In dem durch den verlorenen Krieg geschwächten Deutschland sahen die Kommunisten, die die Wirtschaft durch Streiks und die Politik durch Aufstände lahmlegten, angeleitet durch ihre charismatischen Führer, eine reale Chance, ihre Vorstellungen einer idealen Gesellschaft zu realisieren. Noch heut wird die „gescheiterte“ deutsche Revolution von 1919 von vielen Linken verklärt. In welches Chaos oder gar Blutbad sie geführt haben konnte, kann man nur ahnen.
Kommunisten wie Rosa Luxemburg oder auch Clara Zetkin gehörten damals mit Sicherheit zu den bewusstesten und wachsten Zeitgenossen, hingen jedoch einer falschen Ideologie an.
Beim Anschauen des Films wurde mir wieder bewusst, dass jene „Kämpfer für eine bessere Welt“ eine Art Familie bildeten, in der sich alle untereinander kannten und unter den gleichen Ideen vereinten. Man kann in einer spirituellen Rückschau davon ausgehen, dass es sich um eine karmische Gemeinschaft handelte, die von der Geschichte ausgewählt wurde, um die falsche marxistische Ideologie, der bis heute einige Verblendete anhängen, einmal in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auszuprobieren. Das sozialistische Experiment überlebte in der Sowjetunion immerhin 70 Jahre, nicht jedoch die Millionen, die sich nicht unterordnen wollten.
Genauso verblendet wie die Kommunisten waren die konservativen Nationalisten, die nicht sehen konnten, dass mit dem Untergang der Monarchien und des Ständestaates eine neue Zeit angebrochen war, die neue soziale Lösungen  verlangte. Ein Zurück zu „unserem alten Kaiser Wilhelm“ gab es nicht mehr. Auch diese karmische Gemeinschaft suchte und fand ihren charismatischen Führer.
Beide Gruppierungen haben die Zeichen der Zeit nicht wirklich erkannt, ja waren in ihrem Fanatismus geradezu blind dafür: Im Schlüsseljahr 1917 hatte Rudolf Steiner seine Ideen zur Dreigliederung des sozialen Organismus zum ersten Mal vorgestellt. Daraus entstand 1919 zeitgleich zum Beginn der jungen Weimarer Demokratie, die 14 Jahre lang sowohl von links wie von rechts bedroht war, die Dreigliederungsbewegung, in der die drei Ideale der Französischen Revolution wirklichkeitsgemäß an die drei Glieder des sozialen Organismus angenähert wurden: die Freiheit (Liberalismus) gehört zum Geistesleben, worunter Wissenschaft, Kunst und Religion verstanden werden (und nicht zum Wirtschaftsleben), die Brüderlichkeit (Sozialismus) zum Wirtschaftsleben, also zu Produktion, Handel und Konsum, und die Gleichheit zum Rechtsleben, in dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich behandelt werden sollen.
Die Vertreter dieser Ideen, die sich um Rudolf Steiner als ihrem charismatischen Führer gruppierten, bildeten wieder eine karmische Menschengemeinschaft.
So hatte die Geschichte neben vielen kleineren Gruppierungen drei größere Gemeinschaften ins Zentrum der mitteleuropäischen Geschichte „befördert“, von denen zwei nur ein Teilgebiet des sozialen Organismus vertraten: Die Sozialisten die Brüderlichkeit, die Nationalisten die Gleichheit der völkischen Gemeinschaft unter Ausschluss aller Nichtarier. Nur die ganzheitlichen Dreigliederer hatten ein passendes Konzept für eine gesellschaftliche Ordnung, die nicht auf Ideologien basiert, sondern auf Wirklichkeiten. Diese kleinste Gruppe in der Auseinandersetzung um eine neue Gesellschaftsform nach dem Zusammenbruch der Monarchien drang mit ihren Ideen Anfang der zwanziger Jahre nicht durch, ja wurde sowohl von links, als auch von rechts heftig bekämpft.
In der Dreiergruppe Jogiches, Liebknecht und Luxemburg war Rosa vermutlich die einzige, die sich für die humanen Ideen der Dreigliederer hätte begeistern können. Sie stand aber zwischen zwei eher fanatischen Männern, die an der marxistischen Utopie festhielten. Dabei war sie eine hoch gebildete Frau, die ihren Goethe und ihren Mörike kannte und liebte, in ihrer Wohnung eine Kopie des berühmten Feuerbach-Gemäldes der Iphigenie aufgehängt hatte und an Weihnachten die Kerzen an ihrem Christbaum anzündete, wie es im Film von Margarethe von Trotta gezeigt wird.

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