Mittwoch, 21. November 2018

Bilder und Gegenbilder - zum Remake des Films "King Kong" im Jahre 1976 von John Guillermin





Am vergangenen Freitag (16.11.2018) zeigte 3SAT einen Blockbuster aus dem Jahre 1976: das Remake des Horrorfilms „King Kong“ aus dem Jahr 1933.
Der Film ist von seiner künstlerischen Seite her eher uninteressant. Die Story ist banal, konstruiert und unglaubwürdig. Aber wenn man als geistig geschulter Zuschauer tiefer zu schauen gewohnt ist, dann lohnt es sich doch, diese Großproduktion von Dino de Laurentiis anzusehen. Regie führte der handwerkliche Routinier John Guillermin (1925 – 2015), von dem erst vor wenigen Wochen der Weltkrieg-Eins-Fliegerfilm „Der Blaue Max“ (1965) auf Arte wieder aufgeführt wurde. Vor knapp drei Jahren (am 04.01.2016) sah ich seinen Klassiker, die Agatha-Christie-Verfilmung „Tod auf dem Nil“ (1978), ebenfalls auf Arte.
Die Geschichte um den Riesenaffen erfand unter anderen der britische Krimi-Autor Edgar Wallace. Das Remake aus dem Jahre 1976 folgt der Grundkonstruktion ziemlich genau. Es gibt allerdings ein paar kleine Veränderungen, die nicht uninteressant sind. Die Regisseure Merian  C. Cooper (1893 – 1973) und Ernest B. Schoedsack (1893 – 1979) waren Abenteurer und Naturfilmer, bevor sie mit „King Kong“ 1933 ihren ersten Spielfilm schufen, der heute ikonischen Kultstatus hat.
Der Brite mit französischen Wurzeln John Guillermin sah den Film als Junge und sagte in einem Interview mit der Los Angeles Times vom 23. Januar 1977:
„Das Original war Teil meiner Kindheit und ich liebte es, ja ich träumte davon. Was ich in dem Remake versuchte, war die Stimmung, in der ich mich fühlte, als ich den Film zum ersten Mal sah, zu erzeugen, aber ich wollte die Geschichte doch auch für unsere Zeit adaptieren. (...) Wir möchten doch alle irgendwie zurück zu der lyrischen Geschichte von ‚Die Schöne und das Biest‘ aus unserer Kindheit.“[1]
Wie stark Kindheitseinflüsse in solche Filme einfließen, das kann man immer wieder studieren. So wurde das Remake, das in den USA zur Vorweihnachtszeit 1976/77 in die Kinos kam, „für die ganze Familie“ empfohlen.
King Kong ist in erster Linie ein Abenteuerfilm, der wiederum eine ganze Generation von Kindern geprägt hat. So wird ein Mythos lebendig gehalten.
John Guillermins Film ist ja nicht das einzige Remake. Der Herr-der-Ringe-Regisseur Peter Jackson, den ich schon in meiner letzten Filmkritik erwähnt habe, hat im Jahre 2005 erneut eine Wiederverfilmung King Kongs herausgebracht.
Aber warum wird dieser moderne Mythos immer wieder belebt? Was drückt sich – spirituell gesehen – in der Geschichte von King Kong aus?
Es ist ein künstlicher Kino-Mythos.
Im Original findet der fiktive Filmregisseur Carl Denham, in dem sich Merian C. Cooper selbst porträtierte, die geheimnisvolle und ebenfalls fiktive Totenkopf-Insel („Skull-Island“), auf der der Affe lebt. Im Remake aus dem Jahre 1976 steht  Jack Prescott (Jeff Bridges), ein Assistenz-Professor und Abenteurer im Hippie-Look, der sich vor allem für Primaten interessiert, im Mittelpunkt der Handlung.
Eine Filmcrew wird in dem Remake zumindest erwähnt, allerdings ist ihr Boot beim Aufsuchen der Insel explodiert und nur das hübsche, spärlich bekleidete Starlett Dwan (Jessica Lange[2]) hat überlebt und treibt auf einem Schlauchboot im Indischen Ozean. Zufällig wird sie von dem Trawler „Petrox Explorer“ entdeckt und an Bord gezogen. Der Chef der Ölfirma, Fred Wilson (Charles Grodin)[3] will neue Fundorte aufspüren und ist deshalb auf Kurs zu einer geheimnisvollen Insel vor Sumatra, die von einem dichten Nebel verhüllt wird.
Im Original hat die Insel die Form eines Totenkopfes, weswegen sie „Skull-Island“ heißt.
Wenn man sich ein wenig in der Religions-Geschichte auskennt, dann weiß man, dass der Hügel „Golgota“ in Jerusalem zu Deutsch „Schädelstätte“ heißt. Das hebräische Wort wird im Englischen mit „Place of the Skull“ übersetzt.
Solche Bezüge sind in den Zirkeln Hollywoods, die solche Mythen erfinden, bestimmt kein Zufall. Der erste Film mit der "Kreatur" (Englisch: "creature") erscheint mit Sicherheit auch nicht zufällig im Jahre 1933, einem Jahr also, das durch die Zahl 33 an den Tod Christi auf der „Schädelstätte“ erinnert.
Im Remake hat die Insel keinen Namen.
Im Originalskript des Drehbuchautors Lorenzo Semple (1923 – 2014)[4] war von einer Insel die Rede, die nur auf einer Geheimkarte der Vatikanischen Bibliothek eingezeichnet ist. Diese Idee verwarf jedoch Dino de Laurentiis mit Rücksicht auf die Katholische Kirche.
Der Nebel, der im Remake über der geheimnisvollen Insel liegt, erinnert den Kundigen an den untergegangenen Kontinent „Atlantis“, von dem in den Vulkaninseln der Azoren ebenfalls noch Reste über den Wasserspiegel des Atlantischen Ozeans herausragen.
In der Region des Indischen Ozeans befand sich nach den Mitteilungen der Geisteswissenschaft jedoch schon lange vor der Katastrophe von Atlantis ein Ur-Kontinent.  Der ältere Kontinent „Lemuris“ war durch eine Feuerkatastrophe untergegangen.
In dieser prähistorischen Zeit herrschten auf der Erde tatsächlich gewaltige Riesen-Tiere, die Dino-Saurier, aus denen später in den Märchen die Drachen wurden. Unter den Echsen konnte sich das erste Säugetier, das rattenhaft kleine „Megazostrodon“, nur schwer entwickeln. Erst nach der Feuerkatastrophe, die durch den Einschlag eines Riesenmeteoriten im Golf von Mexiko beinahe 80% allen Lebens (und insbesondere die Saurier) auf dem Planeten auslöschte, konnten sich die Säugetiere und also auch die Primaten entwickeln. Aber nie hat ein echter Gorilla die Größe erreicht, die dem Film-Gorilla King Kong zugeschrieben wird.
Das Film-Monstrum ist also eine Mischung aus zwei Evolutionsstufen: die Größe stammt von den Riesen-Echsen des Erdmittelalters (Mesozoikum), die Gestalt von den Primaten, den angeblichen Vorfahren des Menschen,  aus der Erdneuzeit (Känozoikum).
Dass der Mensch von einem Tier abstamme, ist eine relativ moderne Theorie, die erstmals 1859 von dem britischen Forschungsreisenden Charles Darwin in seinem Buch „The Origin of Species“ aufgestellt wurde. Heute glaubt die Mehrheit der Menschen an diese Theorie.
Dabei ist diese Theorie völlig unmöglich, wenn man sich konkret vorstellt, dass ein Primatenpärchen an einem Tag vor etlichen Tausenden Jahren ein menschenähnliches Baby zur Welt bringt, das nicht sofort auf allen vieren laufen kann, sondern zum Laufen Lernen mindestens ein ganzes Jahr braucht, wie es bei Menschen üblich ist. Die Eltern hätten es mit Sicherheit bereits in den ersten Tagen ausgestoßen und es wäre im Dschungel umgekommen.
Nun vermischt allerdings der Film auch hier wieder die Fakten und zeigt, dass der Riesen-Gorilla menschliche Gefühle zu der weißen Frau entwickelt, die ihren Namen Dawn (= Morgendämmerung) in Dwan umgewandelt hat. Dwan unterhält sich in menschlicher Sprache mit dem Tier und der kindliche amerikanische Zuschauer muss den Eindruck bekommen, dass King (=König) Kong sie versteht. Die Filmproduktion hat viel Mühe darauf verwendet, die Gefühle des Riesen-Gorillas so menschlich wie möglich darzustellen.
Als King Kong, der seine „Geliebte“ beschützen möchte, am Ende des Films von drei insektenartigen Helikoptern beschossen wird und tot vom Wolkenkratzer herabstürzt, dann empfindet der gewöhnliche Zuschauer Mitleid mit ihm.
Schon der Kontrast zwischen dem hässlichen Monster und der schönen Frau ist ein Motiv, das geschickt mit den Gefühlen des Zuschauers spielt. Dieses Motiv hat bereits Madame Leprince de Beaumont 1759 in ihrem Kunstmärchen „La Belle et la Bete“ (Die Schöne und das Biest) aufgegriffen. Die Urform erschien schon in der Antike bei dem Schriftsteller Apuleius in dem Mysterien-Roman „Der Goldene Esel“ (auch „Metamorphosen“ genannt) mit der Geschichte von „Amor und Psyche“.[5]
Auf der Insel lebt ein primitives Volk, das den Riesen-Affen wie einen Gott verehrt und ihm regelmäßig Menschenopfer bringt.
Dieses „Göttliche“ im Affen betont auch der Name „King“. Er ist für die Ureinwohner der Insel so etwas wie der „König der Könige“, den sie feiern und dem sie opfern. Auch hier wieder eine Anspielung auf den christlichen Gott, dem der römische Statthalter Pontius Pilatus in der Inschrift am Kreuz gegen den Protest der Pharisäer und Sadduzäer den Titel „Rex Judaorum“ (=König der Juden) gab.
Diese wenigen Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, dass Hollywood in dem Film-Mythos von King Kong sehr geschickt und subtil ein Gegenbild zu Christus aufbaut, der nach den geisteswissenschaftlichen Angaben Rudolf Steiners am Beginn der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts in ätherischer Gestalt  wieder erscheinen sollte und auch tatsächlich einzelnen Menschen wieder erschienen ist.
Der für mich bemerkenswerteste Unterschied zu dem ersten King-Kong-Film ist, dass das Monster 1976  nicht, wie 1933, mit seiner weißen Geliebten auf das Empire State Building klettert, sondern auf die erst kurz zuvor errichteten Türme des World Trade Centers. Es springt in der Schlussszene sogar vom Nord- auf den Südturm, weil es von Flammen werfenden Feuerwehrleuten verfolgt wird.
Interessant ist die filminterne Erklärung für diese Änderung der Geschichte. Dem Affenforscher Jack fällt auf der Flucht durch Manhattan plötzlich ein, dass es auf der Insel King Kongs einen Doppel-Felsen gab, der wie zwei Hörner aussah. Nun weiß er plötzlich, dass das Monster die zwei Türme des World Trade Centers als Fluchtort wählen wird, weil es in ihnen etwas erkennt, was an seine Heimat erinnert.
So geschieht es nun auch und deshalb endet der Film mit spektakulären Szenen auf und um das World Trade Center, das exakt 25 Jahre später das Ziel eines Terror-Anschlages wurde, der das Gesicht des 21. Jahrhunderts geprägt hat und noch lange prägen wird.



[2] Es war die erste Rolle des damals 27-jährigen Fotomodells.
[3] Charles Grodin spielte in Roman Polanskis „Rosemarys Baby“ (1968) den Frauenarzt Dr. Hill, dem sich die schwangere Rosemay Woodhouse (Mia Farrow) zuerst anvertraut, bevor sie auf den Ratschlag ihres Mannes Guy (John Cassevetes) und ihrer satanistischen Nachbarn, den Castevets, zu Doktor Sapirstein wechselt, der dann am 24. Juni 1966 ihr Baby, den Teufel, entbindet. Roman Polanski war Dino de Laurentis erste Wahl, als er einen Regisseur für „King Kong“ suchte. Der Pole sagte jedoch ab.
[4] Der Drehbuchautor Lorenzo Semple hat den Batman-Mythos für das amerikanische Fernsehen entdeckt und 1966 auch das Drehbuch für den ersten Kino-Film (zu Deutsch: „Batman hält die Welt in Atem“) mit dem „Fledermaus-Mann“ geschrieben, ein anderer Kino-Mythos, den Hollywood der Menschheit beschert hat. Besonders gelungen finde ich sein Drehbuch zu dem Agententhriller „Die drei Tage des Condor“ von Sidney Pollak (1975).

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