Freitag, 3. November 2017

Ein Duell mit dem "Bösen" - Steven Spielbergs erster erfolgreicher Film "Duel" aus dem Jahre 1971



Am Montagabend (30.10.2017) habe ich mit Lena den Spielbergfilm „Duell“ (1971 als 74minütiger Fernsehfilm, 1973 als 90minütiger Kinofilm) angesehen, der auf Arte zum Abschluss der Filmreihe ausgestrahlt wurde.
Der Film zeigt den Kampf eines psychisch gestörten Mannes namens David Mann (Dennis Weaver) mit einem Tanklastwagen, der es offenbar auf ihn abgesehen hat. Dieser wird wie ein eigenständiges Wesen gezeigt: der Fahrer bleibt weitgehend anonym und der Zuschauer sieht ihn immer nur ansatzweise von der Seite, etwa seinen winkenden Arm.
Im Grunde kann man sagen, dass der Lastwagen „das Böse“ symbolisiert, ähnlich wie der Hai In „Jaws“. Hier ist es eine bedrohliche Maschine, dort ein gefährliches Tier, in die das „Böse“ schlüpft.
Wenn man tiefer schaut, so ist der Beginn der Filmkarriere Spielbergs im Jahre 1971 auch der Beginn seiner Auseinandersetzung mit Ahriman. Im Hintergrund von allen Filmen Spielbergs scheint mir dieses Duell zu stehen: Gut und Böse ringen miteinander.
Das ist allerdings nicht nur in den Filmen von Steven Spielberg, sondern in den meisten Hollywoodfilmen der Fall, insbesondere in den Western-Filmen. Der Unterschied liegt nur in der „Machart“.
In den Filmen des alten Hollywood hatte das Böse noch ein Gesicht. In „Duell“ hat es keines mehr. Es ist eine anonyme, unfassbare Macht. Am Ende des Films steht auch kein wirklicher Sieg des Menschen über das Böse. Der Mensch ist in dem Film immer nur auf der Flucht.
Am Ende des Films steht der Sturz des Bösen in den „Orkus“, indem der bedrohliche Laster auf dem gebirgigen Highway (to Hell) von der Straße abkommt und in einen Abgrund rast. Man sieht nach diesem in Zeitlupe gefilmten Sturz des „Geistes der Finsternis“ den erleichterten Mann, der am helllichten Tag von diesem Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund angegriffen wurde, vor der untergehenden kalifornischen Sonne am Rande der Schlucht sitzen, in die sein „Feind“ gestürzt war, und über seine „Schuld“ nachdenken. Aber weder er, noch der Zuschauer, der mit ihm nachdenkt, verstehen, was er getan haben könnte, um das „Böse“ anzuziehen.
Der Autor Peter Biskind hat im Jahr 1998 unter dem Titel „Easy Riders, Raging Bulls“ ein Buch über das „New Hollywood“ veröffentlicht, das 2000 unter dem Titel „Wie die Sex & Drugs & Rock’n‘ Roll-Generation Hollywood rettete“ auch auf Deutsch erschien. Darin schildert der einstige Chefredakteur von „American Film“ die Anfänge der Generation von Regisseuren wie Dennis Hopper, Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, George Lucas und Steven Spielberg zu Beginn der 70er Jahre.
Im Grunde begann alles mit dem Film „Easy Rider“ (1969), einem Low-Budget Road-Movie und Motorradfilm, der ein Riesenerfolg an den Kinokassen wurde und schließlich jungen Filmbegeisterten die Türen der Hollywoodstudios öffnete. In diese Zeit gehört auch der Film, den der damals erst 25-jährige Spielberg 1971 für die Firma Universal als Fernsehfilm drehen durfte. Er wurde auf Anhieb ein Erfolg, erhielt gute Kritiken und kam 1973 – ergänzt durch ein paar weitere Szenen – als 35-mm-Kinofilm heraus. Der Film war der Start zu Spielbergs Karriere. Sein erster wirklicher Kinofilm war 1974 „Sugarland Express“[1].
Peter Biskind, der für sein Buch – wie es heißt – tausende von Interviews geführt hat, schreibt über die Herkunft, Kindheit und Jugend Steven Spielbergs:
„Steven Spielberg wurde am 18. Dezember 1946 in Cincinnati geboren (…)Spielberg hatte drei jüngere Schwestern. Sein Vater Arnold arbeitete als Elektronikspezialist für RCA, Burroughs und IBM. Seine Mutter Leah hatte sich als Konzertpianistin versucht, bevor sie Hausfrau und Mutter geworden war. Die Familie zog nach New Jersey und 1955 nach Phoenix, Arizona. Wie so viele der Movie-Brats war Steven in seiner Schulzeit ein ‚Nerd‘ gewesen, einer jener als hässlich, unsportlich und verschroben geltenden Außenseiter, die ständig von ihren Mitschülern gehänselt werden. Er bezeichnete seine Kindheit als ‚diese jämmerlichen Jahre‘, und beschrieb sich selbst als einen ‚komischen, dürren Typen mit Akne‘. Er trug einen Bürstenhaarschnitt und hatte große, rechtwinklig vom Kopf abstehende Ohren, wie Dumbo, der fliegende Elefant. ‚Ich war ein Einzelgänger und sehr einsam, das einzige jüdische Kind auf der Schule. Ich war extrem schüchtern und unsicher‘, sagte er. ‚Meine Freunde waren solche Jungs wie ich, picklige Brillenträger mit schmalen Handgelenken. Wir gaben uns redlich Mühe, die Schule hinter uns zu bringen, ohne mit den Köpfen ins Becken der Trinkwasserfontäne getaucht zu werden.‘ Er wäre lieber kein Jude gewesen, ein Wunsch, der zweifellos auch gewisse Ängste seiner Eltern widerspiegelte (Leah hatte begonnen, sich Lee zu nennen). Sein Elternhaus nahm er als ‚unkonventionell, bohemienhaft‘ wahr, und er sehnte sich verzweifelt danach, ‚normal‘ zu sein, ein Junge wie jeder andere.
Spielberg hatte außerdem einen leichten Sprachfehler, ein laterales Lispeln, und litt, wie Schrader und Scorsese, unter einem Haufen Phobien: Angst vor Fahrstühlen, Achterbahnen, Flugzeugen und dergleichen. Wenn ihn jemand von der Seite anschaute, bekam er Nasenbluten. Es gab praktisch nichts, vor dem er sich nicht ängstigte. Der autobiographische Bezug  in einigen jener Filme, die ihn später berühmt machen sollten, ‚Close Encounters of the Third Kind‘ (CE3K) und ‚E.T., The Extraterrestrial‘ ist offenkundig. In seiner Kindheit muss er sich wie ein ‚Alien‘ vom Planeten Israel vorgekommen sein, gestrandet unter den Erdlingen, den biederen Durchschnittsamerikanern von Phoenix.
Spielbergs Vater verkroch sich in Arbeit und war in der Regel abwesend. Er machte Spielberg Vorhaltungen wegen seiner wenig berauschenden Schulleistungen. Steven war ein Schüler, der seine Möglichkeiten nicht ausschöpfte. Er las ungern und hockte stattdessen lieber vor dem Fernsehapparat. Gemeinsam mit Lucas wurde er einer der ersten Regisseure der TV-Generation.“ Peter Biskind, Taschenbuchausgabe 2004, S 440ff)
Ich habe bei vielen seiner Filme das Gefühl, dass sich der ängstliche Mann dadurch selbst therapieren wollte und dabei auf ein Publikum stieß, das von denselben Ängsten besessen war. Dadurch wurde er reich.
Das hat allerdings nicht unbedingt etwas mit wirklicher Kunst zu tun, auch wenn Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) seinen „Werther“ aus einem ähnlichen persönlichen Bedürfnis heraus geschrieben hat. Der 25jährige Goethe ließ 1774, zweihundert Jahre vor „Sugarland Express“, den jungen Mann sterben, um selbst leben zu können.
Es wäre eine interessante Aufgabe, geisteswissenschaftlich zu untersuchen, womit die Ängste jener Filmregisseure – angefangen mit Alfred Hitchcock – stammen, mit denen sie ihr Publikum „erfolgreich“ erschrecken. Ebenso interessant wäre es, die Neurosen eines Publikums zu untersuchen, das auch noch Geld dafür bezahlt, sich von Filmen erschrecken zu lassen.
Erfolg mit dieser Strategie hatte jedenfalls bereits der 23jährige Friedrich Schiller (1759 – 1805), als sein erstes Schauspiel, „Die Räuber“, am 13. Januar 1782 im Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt wurde.
Der erste erfolgreiche Film Steven Spielbergs, der den Kampf des Menschen („Mann“) mit dem anonymen Bösen in der Gestalt einer Maschine schildert, könnte ein Ausgangspunkt für solche Studien sein.

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