Am Montagabend (30.10.2017) habe
ich mit Lena den Spielbergfilm „Duell“ (1971 als 74minütiger Fernsehfilm, 1973
als 90minütiger Kinofilm) angesehen, der auf Arte zum Abschluss der Filmreihe
ausgestrahlt wurde.
Der Film zeigt den Kampf eines
psychisch gestörten Mannes namens David Mann (Dennis Weaver) mit einem Tanklastwagen,
der es offenbar auf ihn abgesehen hat. Dieser wird wie ein eigenständiges Wesen
gezeigt: der Fahrer bleibt weitgehend anonym und der Zuschauer sieht ihn immer
nur ansatzweise von der Seite, etwa seinen winkenden Arm.
Im Grunde kann man sagen, dass
der Lastwagen „das Böse“ symbolisiert, ähnlich wie der Hai In „Jaws“. Hier ist
es eine bedrohliche Maschine, dort ein gefährliches Tier, in die das „Böse“
schlüpft.
Wenn man tiefer schaut, so ist der
Beginn der Filmkarriere Spielbergs im Jahre 1971 auch der Beginn seiner
Auseinandersetzung mit Ahriman. Im Hintergrund von allen Filmen Spielbergs
scheint mir dieses Duell zu stehen: Gut und Böse ringen miteinander.
Das ist allerdings nicht nur in
den Filmen von Steven Spielberg, sondern in den meisten Hollywoodfilmen der
Fall, insbesondere in den Western-Filmen. Der Unterschied liegt nur in der
„Machart“.
In den Filmen des alten Hollywood
hatte das Böse noch ein Gesicht. In „Duell“ hat es keines mehr. Es ist eine
anonyme, unfassbare Macht. Am Ende des Films steht auch kein wirklicher Sieg
des Menschen über das Böse. Der Mensch ist in dem Film immer nur auf der
Flucht.
Am Ende des Films steht der Sturz
des Bösen in den „Orkus“, indem der bedrohliche Laster auf dem gebirgigen
Highway (to Hell) von der Straße abkommt und in einen Abgrund rast. Man sieht nach
diesem in Zeitlupe gefilmten Sturz des „Geistes der Finsternis“ den
erleichterten Mann, der am helllichten Tag von diesem Fahrzeug ohne
ersichtlichen Grund angegriffen wurde, vor der untergehenden kalifornischen
Sonne am Rande der Schlucht sitzen, in die sein „Feind“ gestürzt war, und über
seine „Schuld“ nachdenken. Aber weder er, noch der Zuschauer, der mit ihm
nachdenkt, verstehen, was er getan haben könnte, um das „Böse“ anzuziehen.
Der Autor Peter Biskind hat im
Jahr 1998 unter dem Titel „Easy Riders, Raging Bulls“ ein Buch über das „New Hollywood“
veröffentlicht, das 2000 unter dem Titel „Wie die Sex & Drugs & Rock’n‘
Roll-Generation Hollywood rettete“ auch auf Deutsch erschien. Darin schildert
der einstige Chefredakteur von „American Film“ die Anfänge der Generation von
Regisseuren wie Dennis Hopper, Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, George Lucas
und Steven Spielberg zu Beginn der 70er Jahre.
Im Grunde begann alles mit dem
Film „Easy Rider“ (1969), einem Low-Budget Road-Movie und Motorradfilm, der ein
Riesenerfolg an den Kinokassen wurde und schließlich jungen Filmbegeisterten
die Türen der Hollywoodstudios öffnete. In diese Zeit gehört auch der Film, den
der damals erst 25-jährige Spielberg 1971 für die Firma Universal als
Fernsehfilm drehen durfte. Er wurde auf Anhieb ein Erfolg, erhielt gute
Kritiken und kam 1973 – ergänzt durch ein paar weitere Szenen – als
35-mm-Kinofilm heraus. Der Film war der Start zu Spielbergs Karriere. Sein
erster wirklicher Kinofilm war 1974 „Sugarland Express“[1].
Peter Biskind, der für sein Buch
– wie es heißt – tausende von Interviews geführt hat, schreibt über die
Herkunft, Kindheit und Jugend Steven Spielbergs:
„Steven Spielberg wurde am 18.
Dezember 1946 in Cincinnati geboren (…)Spielberg hatte drei jüngere Schwestern.
Sein Vater Arnold arbeitete als Elektronikspezialist für RCA, Burroughs und
IBM. Seine Mutter Leah hatte sich als Konzertpianistin versucht, bevor sie
Hausfrau und Mutter geworden war. Die Familie zog nach New Jersey und 1955 nach
Phoenix, Arizona. Wie so viele der Movie-Brats war Steven in seiner Schulzeit
ein ‚Nerd‘ gewesen, einer jener als hässlich, unsportlich und verschroben
geltenden Außenseiter, die ständig von ihren Mitschülern gehänselt werden. Er
bezeichnete seine Kindheit als ‚diese jämmerlichen Jahre‘, und beschrieb sich
selbst als einen ‚komischen, dürren Typen mit Akne‘. Er trug einen
Bürstenhaarschnitt und hatte große, rechtwinklig vom Kopf abstehende Ohren, wie
Dumbo, der fliegende Elefant. ‚Ich war ein Einzelgänger und sehr einsam, das
einzige jüdische Kind auf der Schule. Ich war extrem schüchtern und unsicher‘,
sagte er. ‚Meine Freunde waren solche Jungs wie ich, picklige Brillenträger mit
schmalen Handgelenken. Wir gaben uns redlich Mühe, die Schule hinter uns zu
bringen, ohne mit den Köpfen ins Becken der Trinkwasserfontäne getaucht zu
werden.‘ Er wäre lieber kein Jude gewesen, ein Wunsch, der zweifellos auch
gewisse Ängste seiner Eltern widerspiegelte (Leah hatte begonnen, sich Lee zu
nennen). Sein Elternhaus nahm er als ‚unkonventionell, bohemienhaft‘ wahr, und
er sehnte sich verzweifelt danach, ‚normal‘ zu sein, ein Junge wie jeder
andere.
Spielberg hatte außerdem einen
leichten Sprachfehler, ein laterales Lispeln, und litt, wie Schrader und
Scorsese, unter einem Haufen Phobien: Angst vor Fahrstühlen, Achterbahnen,
Flugzeugen und dergleichen. Wenn ihn jemand von der Seite anschaute, bekam er
Nasenbluten. Es gab praktisch nichts, vor dem er sich nicht ängstigte. Der
autobiographische Bezug in einigen jener
Filme, die ihn später berühmt machen sollten, ‚Close Encounters of the Third
Kind‘ (CE3K) und ‚E.T., The Extraterrestrial‘ ist offenkundig. In seiner
Kindheit muss er sich wie ein ‚Alien‘ vom Planeten Israel vorgekommen sein,
gestrandet unter den Erdlingen, den biederen Durchschnittsamerikanern von
Phoenix.
Spielbergs Vater verkroch sich in
Arbeit und war in der Regel abwesend. Er machte Spielberg Vorhaltungen wegen
seiner wenig berauschenden Schulleistungen. Steven war ein Schüler, der seine
Möglichkeiten nicht ausschöpfte. Er las ungern und hockte stattdessen lieber
vor dem Fernsehapparat. Gemeinsam mit Lucas wurde er einer der ersten
Regisseure der TV-Generation.“ Peter Biskind, Taschenbuchausgabe 2004, S 440ff)
Ich habe bei vielen seiner Filme
das Gefühl, dass sich der ängstliche Mann dadurch selbst therapieren wollte und
dabei auf ein Publikum stieß, das von denselben Ängsten besessen war. Dadurch
wurde er reich.
Das hat allerdings nicht
unbedingt etwas mit wirklicher Kunst zu tun, auch wenn Johann Wolfgang Goethe (1749
– 1832) seinen „Werther“ aus einem ähnlichen persönlichen Bedürfnis heraus
geschrieben hat. Der 25jährige Goethe ließ 1774, zweihundert Jahre vor „Sugarland
Express“, den jungen Mann sterben, um selbst leben zu können.
Es wäre eine interessante Aufgabe,
geisteswissenschaftlich zu untersuchen, womit die Ängste jener Filmregisseure –
angefangen mit Alfred Hitchcock – stammen, mit denen sie ihr Publikum „erfolgreich“
erschrecken. Ebenso interessant wäre es, die Neurosen eines Publikums zu untersuchen,
das auch noch Geld dafür bezahlt, sich von Filmen erschrecken zu lassen.
Erfolg mit dieser Strategie hatte
jedenfalls bereits der 23jährige Friedrich Schiller (1759 – 1805), als sein erstes
Schauspiel, „Die Räuber“, am 13. Januar 1782 im Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt
wurde.
Der erste erfolgreiche Film Steven
Spielbergs, der den Kampf des Menschen („Mann“) mit dem anonymen Bösen in der Gestalt
einer Maschine schildert, könnte ein Ausgangspunkt für solche Studien sein.
[1] Siehe meine
Filmkritik: http://johannesws.blogspot.de/2016/11/widerspruche-aushalten-steven.html
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