„Solche Leute wie dich können wir
hier sowieso nicht brauchen“, sagt Robert Mitchum zu John Wayne am Ende des
Westerns „El Dorado“, den ich heute
Nachmittag – trotz Schmerzen – fast ganz angeschaut habe.
Ich war heute Vormittag fast vier
Stunden in Behandlung beim Zahnarzt. Zwei Frauen und ein Mann haben mich heute
ziemlich heftig „gequält“. Allein 12-mal wurde ich zur Betäubung
„eingespritzt“. Schon die ersten beiden Stiche, von einer jungen Zahnärztin und
ehemaligen „Fast-Schülerin“ meines Gymnasiums, taten höllisch weh. Die hübsche,
junge Frau entschuldigte sich und ich merkte, dass es ihr wirklich leid tat.
Alle beiden Frauen, die Zahnärztin und die Zahnarzthelfein, hatten großes Mitgefühl mit mir. Nur der
Meister-Zahnarzt erledigte sein Handwerk professionell und ohne
die geringste Spur von Mitleid in denkbar kurzer Zeit. Ich muss sie alle drei
loben. Sie waren phantastisch. Aber ich war fix und fertig. Mein Körper hat –
glaube ich – noch nie so viele Stresshormone ausgeschüttet wie heute.
El Dorado ging nicht so lange –
nur etwas mehr als zwei Stunden. Aber in dem Film müssen die zwei Helden auch
furchtbar leiden, bevor sie endlich in den michaelischen Endkampf ziehen können:
Der eine wird – ausgerechnet von einer sehr attraktiven Frau – in den Rücken
geschossen. Der Doc kann die Kugel nicht herausoperieren, weil sie zu nah an
der Wirbelsäule sitzt und weil er – wie er offen zugibt – nicht genug Erfahrung
hat. Der andere ist wegen einer Frauengeschichte abgestürzt und dem Alkohol verfallen.
Er muss erst ausgenüchtert werden. Der Sherif Robert Mitchum ist nur noch ein
Häufchen Elend, als ihn sein Freund John Wayne nach sechs Monaten Abwesenheit
wieder besucht, weil er jetzt die bedrohliche Bande eines mächtigen Viehbarons
bekämpfen muss, der einem anderen Farmer das Land durch Terror abluchsen will, weil
dieses an einem Fluss liegt: Die klassische Konstellation, die auch zum
Beispiel aus dem wunderbaren Western „Weites Land“ (1958)[1] von
William Wyler bekannt ist.
Man muss schon einige
Western-Filme gesehen haben, um „El Dorado“ von Howard Hawks aus dem Jahr 1966,
den Western, der alle Regeln des Genres unterläuft, wirklich genießen zu
können. Ich habe im Angesicht der Leiden der beiden Freunde meine eigenen
Schmerzen glatt vergessen, gegen die mir der Zahnarzt „Iboflam“ verabreichen
wollte.
Natürlich ist „El Dorado“ in
erster Linie ein Film über Männerfreundschaft. John Wayne hilft seinem
abgestürzten Freund wieder auf die Beine. Wie er das macht, das ist eine schöne
Studie in Psychologie. Allein deswegen lohnt sich der Film schon.
Ein anderes Motiv ist das Thema
der Identität. In dem Film gibt es eine Figur, die so ganz anders ist, als die
sonst auftretenden Typen im Wilden Westen. Robert Mitchum, der allmählich
wieder zu sich selbst und seiner alten Stärke findet, fragt den jungen Mann an
der Seite von John Wayne[2]
mindestens fünfmal: „Wer bist Du denn?“
Wie in einen Spiegel schauend
erkennt er allmählich James Caan und sich selbst wieder als zwei Seiten einer Medaille,
die eigentlich für einen ordentlichen Kampf nicht brauchbar sind. Der eine kann
gar nicht schießen, der andere zittert, wenn er einen Revolver betätigen soll.
Im Grunde ist der Kampf gegen die
Bande ähnlich aussichtslos wie der Kampf Gary Coopers in „Zwölf Uhr Mittags“
(High Noon, 1952), auf den sich „El Dorado“ bezieht.
Also, das sind nicht gerade die
großen Helden, die die Wild-West-Filme über 60 Jahre lang in unzähligen
Auflagen gefeiert haben.
Solche Leute sind eigentlich
„unbrauchbar“.
[2] Enno
Patalas leitet seine Besprechung des Films folgendermaßen ein: „‘Allan Bourdillion
Traherne‘, stellt der komische Vogel mit dem Hut, der aussieht wie ein halbierter
Zylinder, sich vor. ‚Ach du meine Güte‘ antwortet Thornton (John Wayne) – so heißt
schließlich kein Westerner. Traherne hat aber noch einen Spitznamen parat, und der
ist gleich so westernmäßig wie nur möglich: Mississippi. Dieser Mississippi ist
eine Schlüsselfigur in Hawks Film. Er verhöhnt die Regeln, denen der Westernheld
gehorcht, teils indem er sie parodiert, teils indem er sich völlig außerstande zeigt,
ihnen nachzukommen. Dessen ungeachtet hat sein Verhalten einen größeren Erfolg als
das Treiben derer, die sich nach den Regeln richten“ (Reclam "Filmgenres - Western", Stuttgart 2003, S. 272 ff)
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