Samstag, 29. Juli 2017

Vom "deutschen Wesen" - "Die Meistersinger von Nürnberg" in der Inszenierung von Barrie Kosky zur diesjährigen Eröffnung der Bayreuther Festspiele (TV-Ausstrahlung)


Gestern Abend (28.07.2017) wurde die Neuinszenierung der Wagner-Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" zur Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele, die am Dienstag, den 25.Juli 2017 stattfand, auf 3SAT ausgestrahlt (http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=68031)
Barrie Kosky hat eine durchaus intelligente und ästhetisch interessante Interpretation der „deutschesten aller Opern“ gegeben.
Seine Fassung spielt ästhetisch auf drei Ebenen: Einmal versetzt er die Zuschauer in die Zeit der Renaissance: Die Meistersinger sehen tatsächlich wie reiche Nürnberger Bürger aus, die von Albrecht Dürer gemalt worden sein könnten. Das ist die eigentliche, die traditionelle Ebene der Handlung.
Die zweite Ebene ist die Persönlichkeit Richard Wagners, die in der Inszenierung immer gegenwärtig ist, und zwar in (mindestens) dreifacher Ausfertigung: als Hans Sachs, als Walter von Stolzing und als David. Alle drei haben den typischen Wagner-Bart und tragen immer wieder das typische Wagner-Barett.
Eine dritte Ebene wird geschickt durch das Bühnenbild eingefügt: der erste Aufzug spielt statt in der Nürnberger Katharinenkirche in einem Salon der Villa Wahnfried in Bayreuth, in der sich zum Vorspiel Richard Wagner, Cosima Wagner, Franz Liszt und Herrmann Levi wie die vier Evangelisten versammeln. Alle Personen sind historisierend gekleidet und porträtiert: jede ist sofort als die gemeinte erkenntlich.
Die versammelten Personen verwandeln sich zur ersten Szene hin in die Figuren der Oper, nachdem aus dem Flügel noch fünf andere Wagner-Konterfeis herausgekrochen kamen wie Babys aus dem Mutterschoß oder Reptilien aus einem Ei: ein Wagner wird zu Walter, der nächste zu David, Cosima zu Eva, Levi zu Beckmesser, Liszt zu Veit Pogner und der letzte beziehungsweise erste Wagner zu Hans Sachs. Das ist sehr gut gemacht und sorgt für innere Bezüge.
Barrie Kosky, der, wie er sagt, ein durchaus zwiespältiges Verhältnis zu Wagner hat, ihn aber neben Bach und Mozart für einen der größten deutschen Komponisten, kurz für ein Genie hält, teilt das übergroße „Ego“ Wagners in seiner Inszenierung in die drei Hauptfiguren auf. In einem Interview sagte er, Wagner habe sich in der Oper, die in der Johanni-Nacht und am Johannis-Tag spielt, zugleich als Verkünder Christi, also als Johannes der Täufer, (Hans Sachs und sein Lehrling David) und als die Erfüllung, also als Christus selbst (Walter von Stolzing) gesehen.
Ich kenne Richard Wagner zu wenig, um das bestätigen zu können. Aber es ist die – sehr ironische – Sichtweise eines Juden, der ja – von Natur aus – gar nicht an den Christus glaubt. Für ihn ist das ganze Heilsgeschehen daher nur ein „Spiel“. Genauso erscheint mir das Bühnenbild des zweiten und dritten Aufzugs wie eine beziehungsreiche „Anspielung“: Der mit Bildern und einer umfangreichen Bibliothek an den holzgetäfelten Wänden geschmückte üppige bürgerliche Salon der Villa Wahnfried aus dem ersten Aufzug verwandelt sich in den Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse im zweiten und dritten Aufzug.
Diese Verwandlung vollzieht sich stufenweise. Im zweiten Aufzug, der im Original auf einer mittelalterlichen Nürnberger Gasse spielt, ist der Saal leer und auf seinem Parkett breitet sich zwischen den Wänden eine künstliche Wiese aus. Erst im dritten Aufzug verwandelt sich auch diese Wiese in einen Parkettboden und das Bühnenbild in eine bis ins kleinste Detail originalgetreue Rekonstruktion des Saales, in dem die vier Siegermächte, deren Flaggen deutlich sichtbar und dominierend an der gegenüberliegenden Wand hängen, über Deutschland Gericht saßen und 23 der Haupt-Kriegsverbrecher zum Tode durch den Strang verurteilten. Nur einer wurde zu lebenslanger Haft begnadigt: Rudolf Hess.
Diese Sichtweise ist zwar möglich, aber sie ist wirklich böse, um nicht zu sagen: perfide.
In den „Meistersingern von Nürnberg“ wird – lange vor dem Dritten Reich – das wahre deutsche Wesen gefeiert, das nichts Böses kennt. Und nun wird diese Feier statt auf die „Festwiese“  in einen Raum versetzt, der die Zuschauer mehrere Stunden lang an die größte Schande Deutschlands erinnern soll: in den Saal der Nürnberger Prozesse. Jedem Zuschauer aus dem Premierenpublikum[1] wird dadurch signalisiert: das „gute Deutschland“ ist in Wirklichkeit sehr ambivalent: es hat auch ein abgrundtief böses Deutschland gegeben. Dieses dämonische Bild wird täglich und eben auch durch die Inszenierung von Kosky neu „aufgefrischt“, während das eigentliche Wesen Deutschlands lediglich im ersten Aufzug als gutbürgerliche Kulisse ironisiert wurde, in der „deutsche Kultur“ nur noch „Dekor“ ist.
Als wollte Kosky die Geister Deutschlands[2] für immer bannen, stellt er im dritten Aufzug an den rechten Rand des Saales einen GI, der wie ein Wächter aufpasst, dass alles im Sinne der Siegermächte verläuft.
Das tut weh, insbesondere wenn man nach und nach bemerkt, dass Herr Kosky die spirituelle Dimension der Oper ignoriert oder besser gesagt: ironisiert. Er inszeniert sie wie eine „tief schwarze Comedy“, wie er in einem Interview selber sagte. Dabei verfällt er in Bühnenbild und Kostümen in einen Naturalismus, den ich eigentlich schon längst für überwunden glaubte. Nur zweimal erlaubt sich Kosky eine symbolistische Anspielung, als er nämlich hässliche Gestalten von Juden auftreten lässt, die dem Klischee des deutschen Antisemiten vom „verschlagenen Juden“ entsprechen sollen: so endet zum Beispiel der zweite Aufzug mit einer Fratze, die sich überdimensional vergrößert, weil sie wie ein Luftballon aufgeblasen wird und zum Schluss bis an die Decke des Gerichtssaales reicht und böse auf das Publikum herab schaut. So hält Kosky den Deutschen einen Spiegel vor, in dem sie ihr eigenes Bild vom "bösen" Juden wiedererkennen sollen, das natürlich in dieser Karikatur nicht der Realität entspricht. Es ist das selbe Zerrbild, das Hollywood in unzähligen Filmen[3] vom bösen Deutschen zeichnet.
In keinem Augenblick soll man offenbar vergessen, dass der Regisseur Barrie Kosky der erste jüdische Künstler ist, der in Bayreuth inszeniert. Sein „Ego“ ist in jeder Szene genauso präsent wie die drei „Alter-Egos“ von Richard Wagner.
Immerzu muss ich daran denken, wie viel Geld allein in den edlen Kostümen steckt. Noch viel mehr dürfte das aufwendige Bühnenbild mit all den detailgetreuen Requisiten, angefangen vom Nachkriegs-Mobiliar über die alten Schreibmaschinen und die alten Mikrophone, die auf den Tischen herumstehen, bis zu den reich profilierten Wänden gekostet haben. Natürlich wird Herr Kosky für seine Arbeit ebenfalls eine ordentliche Summe bekommen haben.
Die FAZ stellte in ihrer Ausgabe vom Eröffnungstag der Festspiele (25.07.2017) in ihrem Feuilleton alle Kosten detailliert zusammen und kommt auf unglaubliche Summen im mehrfachen Millionenbereich[4], die nur zum geringeren Teil von den Preisen für die Eintrittskarten[5] gedeckt werden.
Beim Betrachten der Oper fragte ich mich immer wieder: Hat sich dieser Aufwand für das Event, zu dem die Eröffnung der Bayreuther Festspiele geworden ist, wirklich gelohnt?
Ich hatte in der Vorbereitung den Text der „Meistersinger von Nürnberg“ in dem kleinen Reclam-Bändchen gelesen, das man für wenige Euros kaufen kann. Ich kann auch gerne auf die Musik Wagners verzichten, die mir nur zum Teil gefällt. Aber die Lektüre hat mir ein ganz anderes Bild der Oper vor das innere Auge gezaubert als das, welches  ich gestern zum ersten Mal in meinem Leben gesehen habe.

Das prägt.

1845 hatte Richard Wagner gerade den „Tannhäuser“ fertiggestellt. Nun reifte in ihm der Gedanke, der Tragödie ein „Satyrspiel“ folgen zu lassen, wie es im antiken Theater üblich war. Im „Tannhäuser“ wurde ein Wettbewerb („Agon“) mit hochgestelltem, das heißt: adligem Personal vorgeführt. Die Oper handelt vom legendären „Sängerstreit auf der Wartburg“, auf dem einst im Beisein der Heiligen Elisabeth von Thüringen der Gralsdichter Wolfram von Eschenbach gegen den Zauberer Klingsor antrat. Es ist die Zeit der Minnesänger. Tannhäuser war einer von ihnen. Sein Bild zeigt auch die „große Heidelberger Liederhandschrift“ („Codex Manesse“).

„Die Meistersinger von Nürnberg“ sind das Gegenstück. Hier treten die Bürger in einen Sangeswettstreit. Die Komik entsteht dadurch, dass sich die Bürger in ihrem Eifer, die Adligen nachzuahmen, strikte Regeln auferlegen, an die sich die Teilnehmer in ihren Sangesbeiträgen halten müssen. Sie sperren sich sozusagen selbst in die berühmten „spanischen Stiefel“ ein, welche die Adligen großzügig verwerfen können, wenn es ihnen passt. Letztere stellen sich unter keinen Zwang, sondern fühlen sich als „frei geboren“.
Ein Vertreter dieses Adels tritt auch in den "Meistersingern" auf: es ist der Junker aus dem Frankenland, Walter von Stolzing, der als seinen Lehrer Walter von der Vogelweide angibt, der auch schon in Wagners „Tannhäuser“ aufgetreten war. Hans Sachs, der Schuhmacher, protegiert den Adligen, der sich in Eva, die schöne Tochter des Goldschmieds Veit Pogner, damals wohl der reichste Mann Nürnbergs, verliebt hat.
Walter tritt im dritten Aufzug gegen Sixtus Beckmesser an, der eine Abschrift des Textes von Walters Lied, das Hans Sachs mitgeschrieben hatte, ergattert und es in verballhornter Form ohne Sinn und Verstand vorträgt.
Der Zeitpunkt des Wettbewerbs wurde traditionell auf den 24. Juni, den Johannes-Tag, gelegt. Dieser Tag war den Nürnberger Meistersingern, die sich in der Katharinen-Kirche zu versammeln pflegten, heilig. In der Oper treten an diesem Tag zwölf Handwerks-Meister an: der Schuster Hans Sachs, der Goldschmied Veit Pogner, der Kürschner Kunz Vogelsang, der Spengler Konrad Nachtigall, der Bäcker Fritz Kothner, der Zinngießer Balthasar Zorn, der Würzkrämer Ulrich Eißlinger, der Schneider Augustin Moser, der Seifensieder Hermann Ortel, der Strumpfwirker Hans Schwarz und der Kupferschmied Hans Foltz. Einer (Niklaus Vogel) kann nicht kommen, weil er krank ist. Dafür wird als Dreizehnter der Neuling Walter von Stolzing durch eine Art Freisprechung, die bereits am Vortag stattfand (erster Aufzug), zugelassen, auch wenn er bei dieser nach den „Regeln der Kunst“ „versungen“ hat. Dennoch gewinnt der Adelsspross am Schluss den Wettbewerb.
Wagner hat mit Sicherheit die symbolische Zahl „zwölf“ in Anlehnung an die zwölf Apostel gewählt, die sich um einen „Dreizehnten“ scharen. Dabei tragen drei der Apostel den bedeutsamen Namen „Hans“. Es gibt ja auch im Neuen Testament drei Johannes: Johannes der Täufer, Johannes, der Sohn des Zebedäus und Johannes, der Evangelist.[1]
Nun ist der Johannestag nicht nur für die Zunftvereinigung der Meistersinger von Nürnberg von Bedeutung, sondern auch für die am 24. Juni 1717 in London gegründete erste Freimaurerloge und all ihre Nachfolger-Logen. Vor kurzem feierte die Freimaurerei ihren 300. Gründungstag. Gerade in Bayreuth gibt es eines der wichtigsten Freimaurer-Museen der Welt, in dem man sich eingehend über diese Verbrüderung informieren kann.[2]
Richard Wagner hat sich in seiner Bayreuther Zeit mit dem Gedanken getragen, dem Bund beizutreten. Sein Schwiegervater Franz Liszt war Freimaurer, sein Enkel gehört heute noch der Bayreuther Loge an.
Sagen aus dem Artuskreis und germanische Sagen waren Wagners liebste Vorlagen. Besonders „Lohengrin“ und „Parsifal“ beziehen sich auf das Gralsgeschlecht. „Die Meistersinger von Nürnberg“ sind da eher eine Ausnahme. Sie rücken auch zeitlich viel näher an das 19. Jahrhundert heran.
Dennoch ist auch diese Oper – ganz anders, als es Kosky in seiner Inszenierung zeigt – offen für dahinter stehende mythische Bilder. Immer wieder muss ich an die Darstellungen Albrecht Dürers denken, der sich selbst in seinem berühmten Selbstporträt in der Pose des Christus dargestellt hat. Er und sein tief empfundenes johanneisches Christentum stehen im Hintergrund von Wagners Oper, die am 21. Juni 1868 am Münchner Hof- und Nationaltheater uraufgeführt wurde, nachdem er die Partitur am 20. Oktober 1867 im Idyll von Triebschen am Vierwaldtätter See vollendet hatte. Insgesamt hat die Oper also einen Reifungsprozess von mehr als drei Jahrsiebten durchgemacht.
Mit der Uraufführung begann ein „Siegeszug, der in der Operngeschichte kaum seinesgleichen kennt.“ (Wilhelm Zentner im Vorwort zur Reclam-Ausgabe von 1975).
Wenn man noch einen Schritt weitergeht, dann kommt man in tiefste spirituelle Zusammenhänge. Richard Wagner soll nach Andeutungen Rudolf Steiners der wiedergeborene Zauberer Merlin gewesen sein, was mir unmittelbar einleuchtet.
Erst wenn man diesen Faden weiterverfolgt, kommt man dem tieferen Sinn der Opern Wagners näher. Dann erst erschließt sich ihre tiefe Spiritualität ganz. Aus dem Artuskreis, mit dem sich Merlin tief verbunden fühlte, können heute die Impulse für eine Kultur der Zukunft hervorgehen, an der Richard Wagner in seinem Schaffen dachte, eine Kultur der höchsten Kunst.
Im 19. Jahrhundert wurde dieser Plan allerdings noch durch die Ermordung Kaspar Hausers (Parzival) vereitelt. Aber irgendwann werden die wiedergeborenen Grals- und Artus-Rtter von neuem den Versuch beginnen, die Kunst zu retten.





[1] Darunter das schwedische Königspaar als Vertreter des Hochadels und Frau Merkel mit Ehemann als Vertreter der modernen deutschen Demokratie.
[2]  In der letzten Szene singt Hans Sachs, dessen eigentlicher Tag jener  Johanni-Tag ist, weil er auf den typisch deutschen Namen „Hans“ (= Johannes) getauft wurde: „Was deutsch und echt, wüsst‘ keiner mehr,/lebt‘s nicht in deutscher Meister Ehr‘:/Drum sag ich Euch:/Ehrt eure deutschen Meister,/dann bannt Ihr gute Geister!/Und gebt Ihr ihrem Wirken Gunst,/zerging‘ in Dunst/das Heil’ge Röm’sche Reich,/uns bliebe gleich/die heil’ge deutsche Kunst!“
[3] Eben wieder in Christopher Nolans „Dunkirk“.
[4] Gesamtetat: 22 927 400.-Euro, davon 77% Personalkosten.
[5] Die günstigste war für 13.- Euro, die teuerste für 400.- Euro zu haben.

1 Kommentar:

  1. Das ist der reinste Hohn für die Deutschen. Der Inszenierer von der Nationalität und Religion Jude, hat entweder ein Problem oder ist von Grund auf böse. Denn das Thema hat er komplett - nach Wagner - verfehlt!
    6 setzen!
    ODER, was ich nicht glaube....lol..:
    Er will den im Publikum Politmarionetten und Angehörige z.B. Richter oder Wirtschaftslobbyisten sitzenden zeigen: Hier Nürnberg 2 - so schauts aus....

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