Montag, 4. Mai 2020

Sinnlos - drei Figuren im Film "Verdammt in alle Ewigkeit" von Fred Zinnemann aus dem Jahr 1953




Am Sonntagabend ( (03.05.2020) zeigte Arte den Klassiker „Verdammt in alle Ewigkeit“ (From Here to Eternity) von Fred Zinnemann aus dem Jahre 1953. Angekündigt wurde der Film auf dem deutsch-französischen Fernsehkanal von einer Frauenstimme mit folgenden Worten: „Acht Oscars und ein berühmter Kuss.“
Ich hatte den Film zum ersten Mal mit 15 Jahren im Sommer 1967 während einer Radtour in einem Würzburger Kino gesehen. Ich war schon damals total beeindruckt von den Schauspielern Burt Lancaster, Montgomery Clift und Frank Sinatra, die in dem Film die drei Hauptrepräsentanten der amerikanischen Infanterie verkörperten. Burt Lancaster als Sergeant Milton Warden den tapferen, korrekten Soldaten, die reine männliche Kraft, den Willensmenschen, Montgomery Clift als Soldat Robert E. Lee Prewitt den sturen Einzelgänger, der seine Prinzipien über die Befehle der Vorgesetzten stellt und deswegen nicht befördert, sondern geschunden wird, und Frank Sinatra als Angelo Maggio, der einfache Soldat, der nur auf das Wochenende wartet, um sich zu betrinken. Der Film nach dem gleichnamigen Roman von James Jones[1] spielt im Jahre 1941 in Hawaii kurz vor dem japanischen Überfall auf den amerikanischen Militärstützpunkt auf der Hauptinsel Oahu mitten im Pazifik am Sonntag, den 7. Dezember.
Prewitt („Prew“) ist eigentlich die Mittelpunkt-Figur in dem Drama: er wird sowohl Angelos als auch Wardens Freund. Prewitt und Warden lernen nahezu parallel zueinander jeweils eine Frau kennen: Der Sergeant die blonde Frau seines Vorgesetzten Oberst Holmes, Karen (Deborah Kerr), mit der er eine Affäre beginnt, und Prewitt die dunkelhaarige Clubangestellte Alma Lorene Burke (Donna Reed). Im letzten Bild des Films sieht man die beiden Frauen nebeneinander auf der Reling eines Schiffes stehen, das sie nach dem Angriff der Japaner zurück in die Vereinigten Staaten bringt. Jede wirft einen Blumenkranz ins Meer, vielleicht, um des tatsächlichen (Prewitt) oder bevorstehenden (Warden) Todes ihrer Geliebten zu gedenken. Sie unterhalten sich über die Tradition der Ureinwohner: Wenn die Blumenkränze an Land schwimmen, werden sich die Geliebten wiedersehen, wenn sie hinaus aufs offene Meer schwimmen, nicht.
Angelo Maggio offenbart das Dilemma der Army: der italienisch-stämmige Soldat, der als einziger im Film keinen Trost bei einer Frau, die ihn liebt, findet – er tanzt im Club am liebsten mit einer, die einen Kopf größer als er ist – findet sein Heil im Alkohol. Er repräsentiert zwischen dem Willensmenschen Warden und dem Kopfmenschen Prewitt den Gefühlsmenschen. Aber sein Gefühl ist wie vernichtet. Er duldet zwar im Gefängnis die täglichen Schläge des sadistischen Wärters James „Fatso“ Judsons  – gespielt von Ernest Borgnine – aber er zerbricht daran auch. Alle drei Charaktere können ihre tieferen Gefühle im alltäglichen Drill der Armee nicht ausleben. Deswegen scheitern auch die Beziehungen und die Männer bleiben zum Schluss allein. Sie sind mit der Army „verheiratet“, die sie früher oder später zerstören wird.
Der Film strahlt die Stimmung des Existentialismus aus. Einmal sitzen Warden und Prewitt betrunken auf der Straße und philosophieren über die Sinnlosigkeit des Lebens. Sie hoffen geradezu darauf, von einem heranbrausenden Laster überfahren zu werden. Beide hassen im Grunde ihren Dienst: Warden will nicht Offizier werden und Prewitt bleibt lieber einfacher Soldat, anstatt sich als ehemaliger Mittelgewichtler durch Boxkämpfe zu profilieren und befördert zu werden.
Was der Film für Amerikaner bedeutet hat, kann ich schwer einschätzen. Ich aber habe mich bei den Bildern an Amerikaner erinnert, die ich als Jugendlicher erlebt habe. Es war vor allem ihre Coolness, die mich fasziniert hat:  Natürlich ist so eine Figur wie Burt Lancaster als Mann („a real man“) geradezu ein Idol der männlichen Jugend. So hart und gleichzeitig einfühlsam möchte jeder Junge sein. Die Alternative ist Montgomery Clift. Er ist die Verkörperung des Einzelkämpfers, der seinen Weg konsequent geht und dabei auch Demütigungen bis zu einem gewissen Grad in Kauf nimmt. Sein Trompetenspiel ist berühmt, vor allem, als er für seinen toten Kameraden Maggio (Mai) den Zapfenstreich (Englisch: „Taps“) spielt.

Wie der damals auf einem Tiefpunkt seiner Karriere angekommene Frank Sinatra zu seiner Rolle in dem Film „Verdammt in alle Ewigkeit“ gekommen ist, wird unterschiedlich überliefert. Die einen sagen, die Mafia hätte Columbia-Boss Harry Cohn „überredet“, indem sie ihm einen abgeschnittenen Pferdekopf ins Bett legten. Diese Szene wird in dem Film „Der Pate“ kolportiert. Andere behaupten, Ava Gardener, die damalige Ehefrau des Sängers, habe sich bei Cohn für ihn eingesetzt.

Nach dem Film kommt ein Porträt Frank Sinatras. Ich hatte noch nie viel Sympathie für diesen Mann, der als „ol blue Eyes“ mit seinem vor Selbstmitleid triefenden Gesang berühmt wurde und für mich eher die negative Seite Amerikas mit Casinos, Mafia und Nachtclubs repräsentiert. In seinen Konzerten feierten sich vor allem die neureichen Emporkömmlinge, die Ungebildeten und Eingebildeten der amerikanischen Gesellschaft. Sinatra ist für mich geistig gesehen ein Leichtgewicht, das nur durch seinen starken Ehrgeiz und die Hilfe einflussreicher Kreise im Hintergrund die „Stimme Amerikas“ werden konnte. Obwohl er zweimal durch das Tal der Tränen gehen musste, hat er seinen Charakter nicht wirklich verändert. Er lebte in Las Vegas vorwiegend in der Nacht, trank übermäßig Alkohol und war im Grunde, wenn er nüchtern war, depressiv, gewalttätig und gemein.
Mit dem Amerikaner Dean Martin, dem Schwarzen Sammy Davis Jr. und dem Juden Joey Bishop bildete der Italienisch Stämmige das sogenannte Rat Pack (Rattenpack), ein Quartett, das in Las Vegas sehr populär wurde, gefördert durch die jüdische Mafia. Überhaupt will es mir scheinen, dass jüdische Kreise Frank Sinatra nutzten, um die Stimmung in Amerika, die ursprünglich feindlich gegenüber Minderheiten wie Schwarzen, Italienern und Juden (sowie Kommunisten) eingestellt war, zu ändern und aufzuweichen.
So war Frank Sinatra 1945 die Hauptfigur in einem Werbefilm, der sich für die drei genannten Minderheiten (Schwarze, Italiener und Juden) und für das, was in Amerika unter dem Namen „Demokratie“ firmiert, einsetzte. Ausschnitte aus diesem Film wurden in dem Porträt gezeigt[2].
Wie sehr Sinatra sein Fähnchen nach dem Wind zu drehen pflegte, zeigt sich daran, dass er sich zuerst für den Wahlkampf des linksliberalen Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei, John F. Kennedy, einsetzte, später für den erzkonservativen Republikaner Ronald Reagan Wahlkampfhilfe gab, der nachweislich von dem jüdischen Filmmogul Lew Wassermann an die Macht gebracht wurde.
Die mit 91 Minuten viel zu lange Dokumentation aus dem Jahr 2015 verschleiert die Hintergründe mehr, als dass sie sie aufdeckt. Die Autorin Annette Baumeister will das Idol Amerikas nicht demontieren, sondern verherrlichen. Der Frauenliebling, der sich ständig neu verliebte und doch nur eine große Liebe hatte – nämlich Ava Gardener – starb mit 84 Jahren am 14. Februar 1998. Das einzige, was man ihm zugutehalten kann: er war ein großer „Entertainer“. Mit ihm, dem „Inbegriff des All-American-Mans“ – so heißt es – ging eine Ära unter. Es war nicht die beste Ära Amerikas, vielleicht sogar die dunkelste, in der die italienische und die jüdische Mafia immer mehr Einfluss gewannen. Deswegen glaube ich die Geschichte von dem Pferdekopf, die auch der Autor Mario Puzzo in seinem Roman „The Godfather“ erzählt.


[1] Der Roman war im Jahre 1951, also genau zehn Jahre nach Pearl Harbour, als Debut des Schriftstellers James Jones (1921 – 1977) im Verlag Scribner’s, der auch Hemingways Romane veröffentlichte, erschienen und sofort zum Bestseller aufgestiegen, so dass sich Harry Cohn von Columbia die Rechte der Verfilmung als erster sicherte. Der Autor war selbst Mitglied der 27. Kompanie, die auf Hawaii stationiert war, und hat den angeblich völlig überraschenden Angriff der Japaner miterlebt, der schließlich den Vorwand für US-Präsident Roosevelt war, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Inzwischen ist bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst von dem geplanten Angriff Wind bekommen hatte, aber dass der Präsident die Soldaten ganz bewusst nicht gewarnt hat, weil er einen willkommenen Vorwand für den Kriegseintritt brauchte. Ein zweiter Erfolg des Schriftstellers war sein 1957 erschienener Roman „Some Came Running“, der ein Jahr später mit Frank Sinatra, Dean Martin und Shirley McLane in den Hauptrollen von Vincente Minelli verfilmt wurde (Der deutsche Titel –   „Verdammt sind sie alle“ – lehnt sich deutlich an den Titel des Bestsellern „Verdammt in alle Ewigkeit“ an). Der amerikanische Titel "From Here to Eternity" lehnt sich an ein Gedicht von Rudyard Kipling an, in dem die Zeile vorkommt „damned from here to eternity“.

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