Schwäbisch Hall, der 24. Juli 2018 (Dienstag, 5.45 Uhr)
Wie sehr Hollywood die Seelen der
einfachen Menschen verdorben hat und immer noch verdirbt, das wird durch einen
Film wie „Loving Pablo“ aus dem Jahr 2017 mit Javier Bardem und Penelope Cruz wieder
einmal aktuell dokumentiert, in dem es um die Liebe einer Journalistin zu dem
kolumbianischen Drogenkönig Pablo Escobar geht. Auch die Netflix-Serie „Narcos“
setzt dem Schwerverbrecher, der unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hat,
ein popkulturelles Denkmal.
Es ist eingetroffen, was Rudolf
Steiner in seinem Züricher Vortrag „Was tut der Engel im Astralleib“ vom 9.
Oktober 1918 vorausgesagt hat: Die Menschen, welche nicht auf ihren Engel im
Astralleib hören, werden statt des Schönen das Hässliche, statt des Guten das
Böse und statt der Wahrheit die Lüge lieben.
Es ist die Frage, welche Menschen
das sind. Die Frage ist einfach zu beantworten: Es sind in der Regel Menschen,
die nicht weiter nachdenken wollen, also Menschen, die sich leicht manipulieren
lassen. Sie sind meistens uninteressiert an echter Kultur, schließen sich
lieber allen möglichen Massenhysterien an, feiern ihre Götter in Fußballstadien
oder bei Popkonzerten und strömen dazu in die vielen großen Arenen, die in den
vergangenen 20 Jahren zu ihrer Befriedigung errichtet wurden.
Im Augenblick finden wieder überall
solche Sommerveranstaltungen statt, welche Menschenmassen anziehen: ich meine zum
Beispiel das sogenannte Kulturwochenende in Crailsheim oder den Jakobi-Markt in
Schwäbisch Hall, Veranstaltungen, über die die Lokalteile der hiesigen
Tageszeitungen ausführlich berichten. Kaum einer der Besucher dieser „Kultur“-Veranstaltungen
weiß noch, was wirkliche Kultur ist. Keiner weiß, wessen Tag am Sonntag
gefeiert wurde und welcher Tag morgen gefeiert wird. Ich könnte wetten, dass
mit dem Tag der Heiligen Maria Magdalena (22. Juli) oder dem Tag des Apostels
Jakobus (25. Juli) kaum noch ein Crailsheimer oder Schwäbisch Haller unter 30
Jahren etwas Sinnvolles verbinden kann.
In meiner Kindheit konnte ich im
katholisch geprägten Jagstzell noch erleben, wie sich die Volksschüler,
einfache Jungs und Mädchen aus Bauern- und Handwerkerfamilien, darüber freuten,
wenn sie als Belohnung für gute Leistungen vom Pfarrer ein buntes
Heiligenbildchen geschenkt bekamen. Natürlich kannten sie die wichtigsten
Heiligen, besonders den eigenen Namensheiligen wie Joseph, Vitus, Georg,
Johannes, Maria, Theresia, Katharina usw.
Heute scheinen sich jedoch
zunehmend junge Menschen für Bösewichte wie Pablo Escobar begeistern zu können.
So meldete sich zum Beispiel auch der ehemalige Chef von Escobars Mordkommando,
der Auftragskiller Jhon Jairo Velasquez, nach dem Hype um seinen Boss im
Internet zu Wort und brüstete sich damit, der Drahtzieher hinter 3000 Morden
gewesen zu sein und bis zu 300 Menschen, darunter seine eigene Freundin, selbst
getötet zu haben. Der Kriminelle, der sich „Popeye“ nennen lässt, hat bei
Youtube 700000 Abonnenten und träumt nun sogar von einer politischen Karriere.
Nicht nur Sex, sondern auch Crime
sells.
Boris T. Kaiser leitet seinen
Essay „Verklärung des Bösen“ in der „Jungen Freiheit“ Nr. 30 vom 20. Juli 2018
so ein:
„Schon in der Schule erkannte man
die dümmsten Mädchen daran, dass sie auf sogenannte „Bad Boys“ standen. Die
schlaueren Jungs haben das ausgenutzt, indem sie den bösen Buben mimten. Die
Jungs, die ähnlich dumm waren wie die diaboloaffinen Mädels, sind (oft)
wirklich kriminelle und destruktive Persönlichkeiten geworden. (…) Nicht nur in
der Unterschicht, wo wohl so mancher von
einem Leben a la „Scarface“ in einer Luxusvilla in Miami träumt.“
Schwäbisch Hall, der 25. Juli 2018 (Mittwoch, 6.04 Uhr)
Ich leide unter der zunehmenden
Kultur- und Gottlosigkeit unserer Welt. Ich kann kaum noch den „Kultur“-Sender
SWR2 hören. Bei jeder Gelegenheit wird irgendein Leid von Juden beklagt. Das
Thema „Juden“ oder „Jüdisches Leben“ kommt überproportional oft im Programm
vor. Auch wenn ich inzwischen nur noch manchmal während meiner Fahrten von Hall
nach Crailsheim hinein höre, so fällt mir das doch schon lange auf. Außerdem
höre ich in sämtlichen Kommentaren oder Beiträgen immer nur die Meinung einer
ganz bestimmten politischen Richtung. Da werden am liebsten abwechselnd Trump,
Putin, Orban und Erdogan als undemokratisch kritisiert.
Die Deutschen müssen offenbar
ihren eigenen Schuldkomplex dadurch kompensieren, dass sie besonders
vorbildlich sind, was Demokratie und Rechtstaatlichkeit angeht. Wir sind die
großen Verteidiger der Menschenrechte, also der Humanität. Wir allein sind die
einzigen auf dieser Welt übrig gebliebenen Gutmenschen, weil wir so viele arme
Flüchtlinge aufnehmen; weil wir uns für die Rettung der armen Neger aus den
überfüllten Schlauchbooten im Mittelmeer einsetzen; weil wir offensichtliche
Gefährder wie den ehemaligen Leibwächter von Osama bin Laden und seine Familie
jahrelang „versorgen“, nur weil ihm in seinem Heimatland Tunesien die Folter
drohen könnte.
Ich finde, Boris Palmer, der
grüne Oberbürgermeister von Tübingen, hat recht, wenn er in seinem neuesten
Buch behauptet: „Wir können nicht allen helfen!“
Warum müssen die Deutschen sich
immer wieder selbst so hervorheben?[1]
15.25 Uhr:
Ich höre eben auf dem
SWR2-Web-Radio die ersten Interviews zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele,
die wie immer am 25. Juli stattfindet. Dieses Jahr beginnen sie mit Richard
Wagners Lohengrin, der Oper, die am 28. August 1850 – an Goethes Geburtstag –
in Weimar uraufgeführt wurde. Ich habe diese Oper noch nie gesehen. Und so bin
ich froh, dass ich heute frei habe und
mit dem Premierenpublikum die Premiere erleben darf, die sonst nur
gutbetuchte Prominente live erleben.
Nun sitze ich mit dem gelben
Reclam-Bändchen vor meinem Laptop und warte auf den spannenden Moment.
16.59 Uhr:
Der erste Aufzug ist vorbei. Ich
war mehrmals zu Tränen gerührt, auch wenn mich das kühle Bühnenbild eher
gestört hat. Plötzlich wurde mir wieder bewusst, dass Schwäbisch Hall ebenfalls
eine tiefe Beziehung zu Antwerpen in Brabant hat. Das ist eine weitere
Bestätigung meiner „Ahnung“, dass hier im Mittelalter ebenfalls eine
Gralstradition existierte, die mit der Limpurg und mit der Comburg verbunden
sein dürfte.
Die Geheimnisse werden immer
dichter und es ist mir, als wollten sie sich mir nähern.
Lohengrin ist der Sohn von Parzival
und Kondwiramurs. Er wird vom Gral nach Antwerpen entsandt, um die Tochter des
verstorbenen Königs als Frau zu nehmen und das Land von der Not zu retten.
18.03 Uhr:
Das Vorspiel zum zweiten Aufzug
hat begonnen. Draußen beginnt ein Wind aufzuziehen. Im Hintergrund höre ich
Donnern, das sich mit der Musik vermischt. Es ist ein heißer Sommertag.
19.23Uhr:
Der zweite Aufzug ist zu Ende.
Warum nur kommen ein Regisseur (Juval Sharon) und sein Bühnenbildner (Neo
Rauch) auf die abwegige Idee, aus einem Münster ein Elektrizitätswerk zu
machen!? Können sich die zeitgenössischen Künstler das Göttliche nur noch in
Form materialistischer Metaphern erklären? Dabei ist Elektrizität neben dem
Magnetismus und der Kernkraft eine der drei untersinnlichen Kräfte, die nicht
mit dem ätherischen Christus, sondern mit den Widersachermächten verbunden
sind. Überhaupt habe ich nach dem Sehen des zweiten Aufzuges den Eindruck, als
ob in dieser Inszenierung die Seite des Bösen, das vor allem von der „Seherin“
und „Zauberin“ Ortrud verkörpert wird, stärker betont wird als die des Grals,
der durch Lohengrin verkörpert wird. Die Gegenspielerin Elsas erinnert stark an
die Brunhild aus dem Nibelungenmythos. Besonders die Szene vor dem Münster
erinnert ständig an die Szene vor dem Wormser Dom, bei der die gekränkte
Brunhild sich an Krimhild rächt, indem sie den Vortritt verlangt. Das ist schon
richtig bösartig.
Bei Juval Sharon bringt Lohengrin
den Brabantern Licht in Form von Elektrizität. Das ist das Gegenteil von dem,
was Wagner unter dem Gral verstanden hat. Kein Wunder: Yuval Sharon ist Jude
und es macht ihm sicher Freude, das Werk des „Antisemiten“ Richard Wagner zu
dekonstruieren.
20.37 Uhr:
Der dritte Aufzug hat begonnen.
Statt in ein königliches Brautgemach, blicken wir in das Innere eines
Trafo-Häuschens. Die orangen Tapeten hängen zerrissen herunter. Die beiden
Brautleute singen sich gegenseitig Zärtlichkeiten zu, ohne sich näher zu
kommen. Dafür halten beide Bücher in der Hand. Der Irrsinn geht weiter. Ich
spüre ständig König Ludwig, wie er sich „im Grabe“ hin und her dreht. Dabei ist
er gar nicht mehr dort, sondern nimmt das ganze Unglück weinend aus seiner
himmlischen Position wahr. Oder er sitzt irgendwo und hat schon längst den
Computer ausgeschaltet.
20.48 Uhr:
Jetzt versucht Lohengrin Elsa mit
einem orangen Seil zu fesseln. Sie wehrt sich dagegen. Offenbar mag sie keine
Fesselspiele. Ich auch nicht. Was ist das für eine kranke Phantasie!?
21.33 Uhr:
Applaus. Wofür?
Als zum Schluss Gottfried, der
vermisste Bruder Elsas von Brabant, als grünes Männchen mit einem leuchtenden
Zweigchen erscheint, geht bei mir alle anfängliche Begeisterung verloren. Es
ist schon unglaublich, wie selbst in Bayreuth deutsche Kultur systematisch
gegen den Sinn inszeniert und dadurch der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Und
das Publikum applaudiert immer noch.
Mir ist übel!
21.49 Uhr:
Es ist wohl mein Schicksal; dass
ich diese „romantische Oper“, die als eine der schönsten Wagners gilt, in
dieser veballhornten Fassung zum ersten Mal erleben musste. Gott sei Dank habe
ich das Textheftchen mit den Regieanweisungen. Da steht nichts von einem
„grünen Männchen“, sondern folgendes:
„Die weiße Gralstaube schwebt
über dem Nachen herab. Lohengrin erblickt sie; mit einem dankenden Blicke
springt er auf und löst dem Schwan die Kette, worauf dieser sogleich
untertaucht. An seiner Stelle hebt Lohengrin einen schönen Knaben in glänzendem
Silbergewande – Gottfried – aus dem Flusse ans Ufer.“
Dieser Gottfried soll nun der
Anführer der Brabanter sein, wenn der Sachsenkönig Heinrich I., der Vogler, mit
allen deutschen Stämmen im Jahr 933 zum ersten Mal bei Riade gegen die
anstürmenden Ungarn in die Schlacht zieht und siegt.
Zu dem Sieg beigetragen haben
dürfte die „Heilige Lanze“, die er 929 vom burgundischen Herzog Rudolf II. beim
Wormser Hoftag erworben hatte. Diese Lanze[2]
ist ja deutlich als Gralssymbol anzusehen. Auch in der Schlacht auf dem
Lechfeld wurde sie am 10. August 955 dem siegreichen Heer Ottos I.
vorangetragen. Sie gehört seit jener Zeit zu den Reichsinsignien und verweist
damit auf die Verbindung der deutschen Kaisergeschichte mit dem Gral –
zumindest bis zu Kaiser Karl IV., der in Karlstein bei Prag noch eine veritable
Gralskapelle bauen ließ.
Später ist die Verbindung
offenbar abgebrochen und es gibt seitdem bis heute keine Eingeweihten mehr an
der Spitze des deutschen Volkes.
Schwäbisch Hall, der 26. Juli 2018 (Donnerstag, 5.52 Uhr)
Natürlich waren die Musik, der
Gesang und das Spiel der Sänger in der Bayreuther Aufführung des „Lohengrin“ wunderbar.
Pjotr Beczala sang den Lohengrin, nachdem erst ein paar Wochen zuvor der
eigentlich dafür vorgesehene Sänger Roberto Alagna wegen Überlastung abgesagt
hatte. Beczala hat den Lohengrin bereits mehrmals an der Semper-Oper in Dresden
gesungen, an der Seite von Anna Netrebko als Elsa. Er gilt als einer der besten
Tenöre unserer Zeit. Leider sah er in der Inszenierung von Yuval Sharon in
seinem Elektriker-Anzug im ersten und dritten Aufzug nicht sehr ritterlich, sondern
eher lächerlich aus. Anja Harteros sang die Elsa. Ihre eindrucksvolle Frisur
erinnerte – wohl absichtlich – an frühe deutsche Stummfilme, insbesondere an
die Fritz-Lang-Verfilmung der Nibelungen. Waltraud Wagner sang die dämonische
Ortrud. In ihr bringt Wagner jene Merlin-Kräfte auf die Bühne, mit denen er in
einem früheren Leben selbst zu kämpfen hatte, allerdings in ihrer
herabgesunkenen Form.
[1] Es freut
mich, dass mein Bonner Freund Rolf Dernen (vom Karl-May-Magazin) einen
positiven Kommentar zu meinem Text geschrieben hat:
Rolf
Dernen Entweder wollen die Deutschen alle Welt mit ihren
Panzern "beglücken", oder mit ihrer Gutmenschlichkeit, um nun doch
mal diesen von mir nicht sonderlich geschätzten Ausdruck zu verwenden. Entweder
Weltvernichter oder Weltenretter, irgendwie die Größten, Besten, Tollsten etc.
müssen wir schon sein. Ganz schön bekloppt, und auf die Dauer doch auch anstrengend. ;)
[2] Die Heilige
Lanze des Longinus steht auch im Zentrum des Hauptaltars der Haller Michaelskirche,
der um 1460 von einem Antwerpener Kunstatelier geschaffen wurde.
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