Sonntag, 3. Juni 2018

Zwei Filme - ähnliche Botschaften: "Johnny Guitar" von Nicholas Ray und "River of No Return" von Otto Preminger




Beide Filme rücken die innere Wandlung einer Frau in den Mittelpunkt. Dabei spielt in beiden Filmen die Liebe zu einem Mann eine wichtige Rolle. Wie die Liebe das Leben verändern kann, das ist die gemeinsame Botschaft der beiden Filme.
In „Johnny Guitar“ sehen wir einen ehemaligen Revolverhelden, der seine Pistolen gegen eine Gitarre eingetauscht hat, und eine ehemalige Bardame und Prostituierte, die sich mit dem Geld, das sie durch den „Verkauf“ ihres Körpers gewonnen und gespart hat, eine neue solide Existenz aufgebaut hat. Zwischen der ersten Begegnung und der aktuellen liegen fünf Jahre.
Vermutlich ist es Johnny Logan (Sterling Hayden), der Revolverheld, der die schöne Vienna einst in die Prostitution getrieben hat, als er sie trotz ihrer Liebe zu ihm verließ. So ist er nicht nur an dem Tod vieler Menschen, sondern auch an dem „Fall“ Viennas schuld. Beide haben im biblischen Sinne Schuld auf sich geladen. Der Film spart den langen Prozess der Wandlung der beiden Charaktere aus. Aber er thematisiert diese Wandlung immer wieder, wenn sich die beiden bei ihrem Wiedersehen zum Beispiel beschuldigen, sich „überhaupt nicht geändert“ zu haben. Aber das stimmt nicht. Die ehemalige Hure entdeckt mit dem verwundeten Jungen aus der Viererbande um „Dancing Kid“ (Scott Brady), ihrem derzeitigen Liebhaber, ihre mütterliche Seite. Und schließlich gesteht sie Johnny ihre lange verdrängte Liebe ein.
Echte Liebe vergeht nicht wie die Schönheit, von der Robert Mitchum in „River of no Return“ behauptet, dass sie vergehe wie der Rauch.
Auch Matt Calder (Robert Mitchum) hat eine Wandlung durchgemacht. Er hatte einen Mann von hinten erschossen, als dieser seinen Freund bedrohte. Dafür musste er neun Jahre ins Gefängnis. Nachdem er frei kam, kümmerte er sich als erstes um seinen Sohn Mark, den er in einem Goldgräbercamp in der Obhut der Sängerin und Bardame Kay (Marilyn Monroe) schließlich auffand. Mit diesem Sohn geht er in die Wildnis, baut eine Hütte und bricht als Farmer das Land um. Dort wo andere nach Gold graben, will er Weizen anbauen. Er hat die Revolver mit dem Pflug vertauscht, oder wie es in der Bibel heißt, „die Schwerter zu Pflugscharen“ gemacht.
Die Wandlung Robert Mitchums in „River of no Return“ geht also weiter als die Wandlung Sterling Haydens in „Johnny Guitar“.
Was die Wandlung Kays anbelangt, so wehrt sie sich lange dagegen. Sie hält wider alle Erfahrung an dem Taugenichts und Falschspieler Harry Weston (Rory Calhun) fest, der Matt Calder das überlebenswichtige Gewehr und das Pferd raubt, um schnell nach Council City, der Stadt unterhalb des reißenden Flusses, zu kommen, in dem er seine Goldmine eintragen lassen will. Calder, sein Sohn und die zurückgebliebene Kay müssen nun, da sie von Indianern bedroht werden, den Dieb per Floß verfolgen. Auf der lebensgefährlichen Fahrt auf dem „Fluss ohne Widerkehr“, wie ihn die Indianer nennen, kommen sich Matt und Kay näher. Eine rührende Szene ergibt sich, als Matt der durchnässten und frierenden Kay den Rücken und die kalten Beine warm reibt. Das gefällt Kay, aber sie wehrt sich gegen ihre Gefühle. Matt kann die seinigen jedoch schließlich nicht mehr unterdrücken, und will die Frau gegen ihren Willen küssen.
 Diese „Eroberung“ gelingt nur halb, weil sie durch einen Puma unterbrochen wird, der den Braten gerochen hat, den die kleine Gruppe am Feuer gegrillt hat.
Zum Schluss will Kay in Council City, wo sie wieder auf ihren Verlobten trifft, um ihn vor Matt zu warnen, wieder als Bardame und Sängerin auftreten. Da kommt Matt in den Saloon, arbeitet sich durch die Männer hindurch, packt die Sängerin, wirft sie sich wie ein erlegtes Reh über die Schultern und bringt sie zur Kutsche. Als sie fragt, wohin die Reise geht, sagt er nur: „Nach Hause!“ Kay fügt sich. Nun ist sie auch erlöst.
Am Anfang des Films, als Matt in dem Zeltlager der Goldgräber noch nach seinem Sohn sucht, trifft er auf einen christlichen Missionar. Er versucht, in das Lager, das er mit „Sodom und Gomorrha“ vergleicht, ein wenig christliche Moral hineinzubringen, was ihm aber wohl kaum gelingen dürfte. Nicht mit der Bibel in der Hand kann man die Menschen bekehren. Das Schicksal selber bringt jeden Menschen in die entsprechende Situation, wo er sein bisheriges Leben, biblisch gesprochen: den alten Adam“ ablegen, und ein neues Leben beginnen kann. Beide Filme sind zwar nicht explizit kirchenchristlich. Aber ihre tiefere Botschaft ist christlich im nicht konfessionellen Sinne. Das „Meta Noete!“ des Rufers in der Wüste (Johannes der Täufer), das „Wandelt Euren Sinn!“ kann man aus beiden Filmen heraushören.
Wie nah Otto Preminger der Bibel in seinem Film ist, zeigt eine Schlüsselszene, in der der Sohn seinen Vater fragt, warum er Marc heiße. Der Vater sagt, er heiße Matt nach dem Matthäus-Evangelium, und weil danach in der Bibel gleich das Markus-Evangelium komme, habe ihn seine verstorbene Mutter Marc genannt. „Marc follows Matthew!“ Das kann man auch wörtlich verstehen: Der Sohn folgt dem Vater.
Interessant ist, dass in beiden Filmen nicht nur ein Musikinstrument als Symbol der Wandlung, sondern auch Bücher eine Nebenrolle spielen: In „Johnny Guitar“ liest Corey (Royal Dano), ein Mitglied der Bande von Dancing Kid, in einem Buch, während er Wache schieben soll. Auch in „River of no Return“ nimmt der Junge ein Buch mit, bevor er seine „Bildungsreise“ auf dem „Fluss ohne Widerkehr“ beginnt.
Ob es in beiden Fällen die Bibel ist, kann ich nicht erkennen. Aber es  entspräche durchaus dem Geist der Filme.
Beide Filme haben so eine innere Verwandtschaft, die mir auffällt. Wenn man ein wenig weiter forscht, so kann man diese Filme in einem Zusammenhang mit der historischen Situation, in der Amerika und insbesondere die Filmindustrie zwischen 1948 und 1955 in der sogenannten „McCarthy-Ära“[1] steckte, sehen. In dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (HUAC)[2] unter Senator McCarthy wurde Hollywood nicht nur wegen mancher unmoralischer Filme ins Visier genommen, sondern auch wegen der Hinwendung mancher Drehbuchautoren und Regisseure zur Kommunistischen Partei Amerikas. Das empfanden die regierenden Republikaner als unamerikanisch. Es begann eine wahre Hexenjagd auf Leute, die man als Kommunisten verdächtigte. Die meisten davon waren gleichzeitig Juden. Die „Hexenjagd“ (Arthur Miller) hatte also durchaus auch antisemitische Züge.
Ich denke, dass Hollywood sich reinwaschen wollte, indem es nun Filme produzierte, die eher christliche Themen behandelten oder in denen zumindest die Grundaussagen des Christentums eine zentrale Rolle spielten.
Der Höhepunkt dieser Filme war wohl William Wylers „Ben Hur“ aus dem Jahr 1959, der nach Lewis Walaces 1880 erschienenem Roman „Ben Hur: A Tale of the Christ“ entstanden ist.
In diesem Film wird die Wandlung des Juden Juda Ben Hur (Charlton Heston) zum Christen ausführlich geschildert. Das Schicksal lässt ihn alles verlieren: Familie, Besitz und Heimat. Ja, er wird sogar als Galeeren-Sträfling auf einem römischen Schiff ans Ruder gekettet. Als er ganz am Ende ist, trifft er den Mann wieder, der ihm auf dem Weg zur Galeere Wasser gegeben hat. Dieses Mal gibt er ihm ebenfalls Wasser. Der Mann ist auf dem Weg ans Kreuz. Es ist Jesus. In diesem Augenblick vollzieht sich das Wunder und Juda Ben Hur werden die Augen geöffnet.

Es fällt mir auf, dass es in allen drei Filmen auch um Wasser geht. Um zum Versteck der Vierer-Bande von „Dancing Kid“ zu gelangen, müssen Sterling Hayden und Joan Crawford einen Wasserfall passieren. Dadurch werden sie gleichsam „reingewaschen“. Die Rolle des Flusses, in dem sowohl Matt als auch Kay ausgiebig „getauft“ werden, entspricht dem Reinigungsprozess. Und was das Wasser im Film „Ben Hur“ anbelangt, darüber habe ich eben schon berichtet.
Im Jahr 1953 wurde Marilyn Monroe, die damals in ihrem 27. Lebensjahr stand, gleich durch drei erfolgreiche Filme zum Star: „Niagara“ von Henry Hathaway (In dem Wasser ebenfalls eine wichtige Rolle spielt), „Gentlemen prefer Blondes“ von Howard Hawks und „How to Marry a Millionaire“ von Jean Negulesco. Alle drei Filme entstanden für die 1933 gegründete Film-Firma Twentieth Century Fox, genau wie der Preminger-Film des Jahres 1954. Darryl F. Zanuck (1905 – 1979), der Produzent und Miteigentümer von Twentieth Century Fox, stammt im Gegensatz zu den meisten anderen Hollywood-Produzenten aus einem protestantischen Elternhaus, was möglicherweise auch den christlichen Hintergrund von „The River of No Return“ erklärt.
Das 27. Lebensjahr ist in vielen Biographien ein Krisenjahr. Viele große Stars sind in diesem Lebensjahr gestorben, wie zum Beispiel James Dean, Janis Joplin, Jim Morrison oder Jimmy Hendrix.
Marilyn Monroe wäre bei den Dreharbeiten zu „Fluss ohne Widerkehr“ fast ertrunken. Nach diesem Film kündigte sie den Vertrag mit dem Studio und fand den Weg ins „Actor’s Studio“ von Lee Strasberg in Manhattan. Diese Schauspielschule ging zurück auf den russischen Lehrer Konstantin Stanislawski und seinen „brillantesten“ Schüler Michael Czechov (1891 – 1955)[3], einem Neffen des Dichters Anton Tschechov. Marilyn Monroe entwickelte zu letzterem eine besondere Zuneigung und lernte durch ihn auch Rudolf Steiner kennen, dessen Bücher sie sich später im New Yorker Rudolf-Steiner-Haus besorgte. Im Gegensatz zu dem Image, das Hollywood von ihr geschaffen hatte, war sie im wirklichen Leben nicht das blonde Sex-Symbol, sondern eine Frau, die an ihrer geistigen Entwicklung zu arbeiten versuchte. In diesem Zusammenhang heiratete sie 1956 den Schriftsteller und Intellektuellen Arthur Miller.


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