Beide Filme rücken die innere Wandlung
einer Frau in den Mittelpunkt. Dabei spielt in beiden Filmen die Liebe zu einem
Mann eine wichtige Rolle. Wie die Liebe das Leben verändern kann, das ist die
gemeinsame Botschaft der beiden Filme.
In „Johnny Guitar“ sehen wir
einen ehemaligen Revolverhelden, der seine Pistolen gegen eine Gitarre
eingetauscht hat, und eine ehemalige Bardame und Prostituierte, die sich mit
dem Geld, das sie durch den „Verkauf“ ihres Körpers gewonnen und gespart hat, eine
neue solide Existenz aufgebaut hat. Zwischen der ersten Begegnung und der
aktuellen liegen fünf Jahre.
Vermutlich ist es Johnny Logan
(Sterling Hayden), der Revolverheld, der die schöne Vienna einst in die
Prostitution getrieben hat, als er sie trotz ihrer Liebe zu ihm verließ. So ist
er nicht nur an dem Tod vieler Menschen, sondern auch an dem „Fall“ Viennas schuld.
Beide haben im biblischen Sinne Schuld auf sich geladen. Der Film spart den
langen Prozess der Wandlung der beiden Charaktere aus. Aber er thematisiert diese
Wandlung immer wieder, wenn sich die beiden bei ihrem Wiedersehen zum Beispiel beschuldigen,
sich „überhaupt nicht geändert“ zu haben. Aber das stimmt nicht. Die ehemalige
Hure entdeckt mit dem verwundeten Jungen aus der Viererbande um „Dancing Kid“
(Scott Brady), ihrem derzeitigen Liebhaber, ihre mütterliche Seite. Und schließlich
gesteht sie Johnny ihre lange verdrängte Liebe ein.
Echte Liebe vergeht nicht wie die
Schönheit, von der Robert Mitchum in „River of no Return“ behauptet, dass sie
vergehe wie der Rauch.
Auch Matt Calder (Robert Mitchum)
hat eine Wandlung durchgemacht. Er hatte einen Mann von hinten erschossen, als
dieser seinen Freund bedrohte. Dafür musste er neun Jahre ins Gefängnis. Nachdem
er frei kam, kümmerte er sich als erstes um seinen Sohn Mark, den er in einem
Goldgräbercamp in der Obhut der Sängerin und Bardame Kay (Marilyn Monroe)
schließlich auffand. Mit diesem Sohn geht er in die Wildnis, baut eine Hütte
und bricht als Farmer das Land um. Dort wo andere nach Gold graben, will er
Weizen anbauen. Er hat die Revolver mit dem Pflug vertauscht, oder wie es in
der Bibel heißt, „die Schwerter zu Pflugscharen“ gemacht.
Die Wandlung Robert Mitchums in „River
of no Return“ geht also weiter als die Wandlung Sterling Haydens in „Johnny
Guitar“.
Was die Wandlung Kays anbelangt,
so wehrt sie sich lange dagegen. Sie hält wider alle Erfahrung an dem
Taugenichts und Falschspieler Harry Weston (Rory Calhun) fest, der Matt Calder
das überlebenswichtige Gewehr und das Pferd raubt, um schnell nach Council
City, der Stadt unterhalb des reißenden Flusses, zu kommen, in dem er seine Goldmine
eintragen lassen will. Calder, sein Sohn und die zurückgebliebene Kay müssen
nun, da sie von Indianern bedroht werden, den Dieb per Floß verfolgen. Auf der
lebensgefährlichen Fahrt auf dem „Fluss ohne Widerkehr“, wie ihn die Indianer
nennen, kommen sich Matt und Kay näher. Eine rührende Szene ergibt sich, als
Matt der durchnässten und frierenden Kay den Rücken und die kalten Beine warm
reibt. Das gefällt Kay, aber sie wehrt sich gegen ihre Gefühle. Matt kann die
seinigen jedoch schließlich nicht mehr unterdrücken, und will die Frau gegen
ihren Willen küssen.
Diese „Eroberung“ gelingt nur halb, weil sie
durch einen Puma unterbrochen wird, der den Braten gerochen hat, den die kleine
Gruppe am Feuer gegrillt hat.
Zum Schluss will Kay in Council
City, wo sie wieder auf ihren Verlobten trifft, um ihn vor Matt zu warnen,
wieder als Bardame und Sängerin auftreten. Da kommt Matt in den Saloon,
arbeitet sich durch die Männer hindurch, packt die Sängerin, wirft sie sich wie
ein erlegtes Reh über die Schultern und bringt sie zur Kutsche. Als sie fragt,
wohin die Reise geht, sagt er nur: „Nach Hause!“ Kay fügt sich. Nun ist sie
auch erlöst.
Am Anfang des Films, als Matt in
dem Zeltlager der Goldgräber noch nach seinem Sohn sucht, trifft er auf einen
christlichen Missionar. Er versucht, in das Lager, das er mit „Sodom und
Gomorrha“ vergleicht, ein wenig christliche Moral hineinzubringen, was ihm aber
wohl kaum gelingen dürfte. Nicht mit der Bibel in der Hand kann man die
Menschen bekehren. Das Schicksal selber bringt jeden Menschen in die
entsprechende Situation, wo er sein bisheriges Leben, biblisch gesprochen: den
alten Adam“ ablegen, und ein neues Leben beginnen kann. Beide Filme sind zwar
nicht explizit kirchenchristlich. Aber ihre tiefere Botschaft ist christlich im
nicht konfessionellen Sinne. Das „Meta Noete!“ des Rufers in der Wüste (Johannes
der Täufer), das „Wandelt Euren Sinn!“ kann man aus beiden Filmen heraushören.
Wie nah Otto Preminger der Bibel
in seinem Film ist, zeigt eine Schlüsselszene, in der der Sohn seinen Vater
fragt, warum er Marc heiße. Der Vater sagt, er heiße Matt nach dem
Matthäus-Evangelium, und weil danach in der Bibel gleich das Markus-Evangelium
komme, habe ihn seine verstorbene Mutter Marc genannt. „Marc follows Matthew!“
Das kann man auch wörtlich verstehen: Der Sohn folgt dem Vater.
Interessant ist, dass in beiden
Filmen nicht nur ein Musikinstrument als Symbol der Wandlung, sondern auch Bücher
eine Nebenrolle spielen: In „Johnny Guitar“ liest Corey (Royal Dano), ein
Mitglied der Bande von Dancing Kid, in einem Buch, während er Wache schieben
soll. Auch in „River of no Return“ nimmt der Junge ein Buch mit, bevor er seine
„Bildungsreise“ auf dem „Fluss ohne Widerkehr“ beginnt.
Ob es in beiden Fällen die Bibel
ist, kann ich nicht erkennen. Aber es entspräche
durchaus dem Geist der Filme.
Beide Filme haben so eine innere
Verwandtschaft, die mir auffällt. Wenn man ein wenig weiter forscht, so kann
man diese Filme in einem Zusammenhang mit der historischen Situation, in der
Amerika und insbesondere die Filmindustrie zwischen 1948 und 1955 in der
sogenannten „McCarthy-Ära“[1] steckte, sehen. In dem „Komitee
für unamerikanische Umtriebe“ (HUAC)[2] unter Senator McCarthy
wurde Hollywood nicht nur wegen mancher unmoralischer Filme ins Visier
genommen, sondern auch wegen der Hinwendung mancher Drehbuchautoren und
Regisseure zur Kommunistischen Partei Amerikas. Das empfanden die regierenden Republikaner
als unamerikanisch. Es begann eine wahre Hexenjagd auf Leute, die man als
Kommunisten verdächtigte. Die meisten davon waren gleichzeitig Juden. Die „Hexenjagd“
(Arthur Miller) hatte also durchaus auch antisemitische Züge.
Ich denke, dass Hollywood sich
reinwaschen wollte, indem es nun Filme produzierte, die eher christliche Themen
behandelten oder in denen zumindest die Grundaussagen des Christentums eine zentrale
Rolle spielten.
Der Höhepunkt dieser Filme war
wohl William Wylers „Ben Hur“ aus dem Jahr 1959, der nach Lewis Walaces 1880
erschienenem Roman „Ben Hur: A Tale of the Christ“ entstanden ist.
In diesem Film wird die Wandlung
des Juden Juda Ben Hur (Charlton Heston) zum Christen ausführlich geschildert. Das
Schicksal lässt ihn alles verlieren: Familie, Besitz und Heimat. Ja, er wird
sogar als Galeeren-Sträfling auf einem römischen Schiff ans Ruder gekettet. Als
er ganz am Ende ist, trifft er den Mann wieder, der ihm auf dem Weg zur Galeere
Wasser gegeben hat. Dieses Mal gibt er ihm ebenfalls Wasser. Der Mann ist auf
dem Weg ans Kreuz. Es ist Jesus. In diesem Augenblick vollzieht sich das Wunder
und Juda Ben Hur werden die Augen geöffnet.
Es fällt mir auf, dass es in
allen drei Filmen auch um Wasser geht. Um zum Versteck der Vierer-Bande von „Dancing
Kid“ zu gelangen, müssen Sterling Hayden und Joan Crawford einen Wasserfall
passieren. Dadurch werden sie gleichsam „reingewaschen“. Die Rolle des Flusses,
in dem sowohl Matt als auch Kay ausgiebig „getauft“ werden, entspricht dem
Reinigungsprozess. Und was das Wasser im Film „Ben Hur“ anbelangt, darüber habe
ich eben schon berichtet.
Im Jahr 1953 wurde Marilyn
Monroe, die damals in ihrem 27. Lebensjahr stand, gleich durch drei erfolgreiche
Filme zum Star: „Niagara“ von Henry Hathaway (In dem Wasser ebenfalls eine
wichtige Rolle spielt), „Gentlemen prefer Blondes“ von Howard Hawks und „How to
Marry a Millionaire“ von Jean Negulesco. Alle drei Filme entstanden für die
1933 gegründete Film-Firma Twentieth Century Fox, genau wie der Preminger-Film
des Jahres 1954. Darryl F. Zanuck (1905 – 1979), der Produzent und
Miteigentümer von Twentieth Century Fox, stammt im Gegensatz zu den meisten anderen
Hollywood-Produzenten aus einem protestantischen Elternhaus, was möglicherweise
auch den christlichen Hintergrund von „The River of No Return“ erklärt.
Das 27. Lebensjahr ist in vielen
Biographien ein Krisenjahr. Viele große Stars sind in diesem Lebensjahr gestorben,
wie zum Beispiel James Dean, Janis Joplin, Jim Morrison oder Jimmy Hendrix.
Marilyn Monroe wäre bei den
Dreharbeiten zu „Fluss ohne Widerkehr“ fast ertrunken. Nach diesem Film kündigte sie den Vertrag mit dem Studio und fand den Weg ins „Actor’s Studio“ von Lee
Strasberg in Manhattan. Diese Schauspielschule ging zurück auf den
russischen Lehrer Konstantin Stanislawski und seinen „brillantesten“ Schüler
Michael Czechov (1891 – 1955)[3], einem Neffen des Dichters
Anton Tschechov. Marilyn Monroe entwickelte zu letzterem eine besondere
Zuneigung und lernte durch ihn auch Rudolf Steiner kennen, dessen Bücher sie
sich später im New Yorker Rudolf-Steiner-Haus besorgte. Im Gegensatz zu dem
Image, das Hollywood von ihr geschaffen hatte, war sie im wirklichen Leben nicht
das blonde Sex-Symbol, sondern eine Frau, die an ihrer geistigen Entwicklung zu
arbeiten versuchte. In diesem Zusammenhang heiratete sie 1956 den
Schriftsteller und Intellektuellen Arthur Miller.
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