Wieder einmal habe ich wegen so eines
„dummen“ Filmes geweint und bin auch noch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe,
ganz gerührt. Das MGM-Melodram „Gefundene Jahre“ (Random Harvest, USA 1942) von
Mervin LeRoy[1]
lief schon zum wiederholten Mal im Arte-Nachmittagsprogramm. Ich hatte
eigentlich nicht vor, den Film heute (22.05.2018) Nachmittag anzuschauen. Dann
schaltete ich doch ein und je länger ich zusah, desto mehr wurde ich in die
etwas sentimentale Handlung hineingezogen.
Vielleicht war es die
Hauptdarstellerin Greer Garson, die „Schuld“ daran war. Die britische Theater-
und Filmschauspielerin wurde Ende der 30er Jahre von Louis B. Mayer, dem Chef
der MGM, nach Hollywood gerufen und erhielt sofort einen Siebenjahresvertrag. Ihr
erster großer Erfolg bei Kritik und Publikum war William Wylers Klassiker „Mrs.
Miniver“. Im gleichen Jahr 1942 erschien der nächste große Erfolg der
Schauspielerin, die als Nachfolgerin von Greta Garbo galt, eben „Random Harvest“,
in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte. Diesen Film bezeichnete Greer
Garson später als ihren Lieblingsfilm.[2]
Es handelt sich um die Verfilmung
eines Romans von James Hilton[3], der erst ein Jahr zuvor,
im Jahre 1941, veröffentlicht worden war. James Hilton hat auch am Drehbuch von
„Mrs. Miniver“ mitgearbeitet. Vor allem bekannt geworden ist er aber durch
seinen Roman „Irgendwo in Tibet“ (Lost Horizon), der im Jahre 1933
veröffentlicht wurde. In diesem sehr erfolgreichen Abenteuerroman schildert
Hilton, der offenbar Zugang zu esoterischen Quellen hatte, den „utopischen“ Ort
Shangri-La, ein paradiesisches Land, das identisch ist mit dem geheimen Land „Shambala“
aus der buddhistischen Legende. Aufgrund des Romans brachen Expeditionen nach
Tibet auf, um den Ort zu suchen, darunter angeblich auch eine unter Heinrich
Himmler (1900 – 1945), der sich für die Wiederverkörperung von Heinrich I., dem
Vogler, hielt. Präsident Franklin D. Roosevelt nannte 1942 sein abgelegenes ländliches
Feriendomizil in Maryland „Shangri-La“. 1953 wurde es von Dwight D. Eisenhower
in „Camp David“ umbenannt. Frank Capra verfilmte den Roman „Lost Horizon“ 1937;
in Deutschland lief er unter dem Titel „In den Fesseln von Shangri-La“. Ich
habe den Film seit langem auf DVD, aber noch nicht angeschaut. In dem Film
spielt Ronald Colman, ein bekannter Stummfilmstar, mit, der in "Random Harvest" die männliche Hauptrolle übernommen hat.
In „Random Harvest“ geht es um
einen Mann, der im Ersten Weltkrieg in der Schlacht um Arras schwer verwundet
wurde und dabei sein Gedächtnis verloren hat. Deutsche haben ihn gefunden und
gegen einen englischen Kriegsgefangenen ausgetauscht. Mehrere Jahre lebt der
Mann ohne Namen und Identität in einer Heilanstalt im mittelenglischen
Melbridge, wo er den provisorischen Namen John Smith erhält. Eines Tages
verlässt er die Anstalt und trifft in einem Tabakladen auf die Tänzerin Paula,
die sofort sieht, dass der Mann ein Gentleman ist. Sie nimmt ihn mit in ihr
Variete und flieht mit ihm schließlich sogar aufs Land, um ihn gesund zu
pflegen. Der Mann, den sie Smithy nennt, gesundet tatsächlich und schreibt
schließlich sogar erfolgreiche Geschichten für eine englische Zeitschrift. Die
beiden heiraten und bekommen einen Sohn. Eines Tages, kurz nach der Geburt des
Sohnes, fährt Smithy nach Liverpool, um einen Festvertrag bei seiner Zeitschrift
zu unterzeichnen. Dabei gerät er unter ein Fahrzeug und kommt mit einer
Gehirnerschütterung in einer Apotheke wieder zu sich. Nun erinnert er sich an
sein Leben vor dem Krieg und vergisst gleichzeitig die drei Jahre und seine
Frau Paula. Es stellt sich heraus, dass er Charles Rainier heißt und der älteste
Sohn und Erbe einer wohlhabenden Industriellenfamilie ist. Er kehrt zurück nach
„Random Hall“, wo er gerade am Tag der Beerdigung seines Vaters eintrifft.
Mehrere Jahre später sieht Paula,
die sich gewundert hat, dass ihr Mann nach der Liverpool-Fahrt nicht zu ihr
zurückgekehrt ist, ein Foto ihres immer noch geliebten Mannes in der Zeitung
und erfährt dadurch, dass er ein bekannter Industrie-Magnat ist. Sie bewirbt
sich bei ihm als Privat-Sekretärin und bekommt auch den Zuschlag. Aber ihr Mann
erinnert sich nicht mehr an sie und es vergehen wieder Jahre, bis er
schließlich ein zweites Mal um ihre Hand anhält, ohne zu wissen, dass er
bereits mit ihr verheiratet war. Allmählich findet er nach und nach sein
Gedächtnis wieder und schließlich umarmen sich die beiden vor dem kleinen Landhaus,
in dem sie als einfaches Ehepaar ein paar Jahre glücklich zusammengelebt haben.
Natürlich ist der Film ein schönes
Märchen, das im Stil der Hollywoodfilme der 40er Jahre mit viel sentimentaler
Musik untermalt ist. Aber man kann den Film auch ganz anders verstehen. Er
zeigt ja das Wiedererkennen zweier Menschen, von denen einer zweimal sein
Gedächtnis verliert. Das passiert aber jedem Menschen, wenn er wiedergeboren
wird: er verliert die Erinnerung an sein letztes irdisches Leben und an alle
Menschen, die ihm einmal nahestanden. Und genau so verstehe ich den Film. Paula,
die als (eingeweihte) Frau die Wahrheit kennt, führt ihren Geliebten behutsam
zurück zu seiner Erinnerung an das frühere Leben.
Genau das ist es, was mich so
berührt, so dass mir am Schluss die Tränen fließen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen