Dienstag, 22. Mai 2018

Ein Film über Deja-Vu-Erlebnisse - "Gefundene Jahre" von Mervin LeRoy aus dem Jahr 1942


Wieder einmal habe ich wegen so eines „dummen“ Filmes geweint und bin auch noch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, ganz gerührt. Das MGM-Melodram „Gefundene Jahre“ (Random Harvest, USA 1942) von Mervin LeRoy[1] lief schon zum wiederholten Mal im Arte-Nachmittagsprogramm. Ich hatte eigentlich nicht vor, den Film heute (22.05.2018) Nachmittag anzuschauen. Dann schaltete ich doch ein und je länger ich zusah, desto mehr wurde ich in die etwas sentimentale Handlung hineingezogen.



Vielleicht war es die Hauptdarstellerin Greer Garson, die „Schuld“ daran war. Die britische Theater- und Filmschauspielerin wurde Ende der 30er Jahre von Louis B. Mayer, dem Chef der MGM, nach Hollywood gerufen und erhielt sofort einen Siebenjahresvertrag. Ihr erster großer Erfolg bei Kritik und Publikum war William Wylers Klassiker „Mrs. Miniver“. Im gleichen Jahr 1942 erschien der nächste große Erfolg der Schauspielerin, die als Nachfolgerin von Greta Garbo galt, eben „Random Harvest“, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte. Diesen Film bezeichnete Greer Garson später als ihren Lieblingsfilm.[2]
Es handelt sich um die Verfilmung eines Romans von James Hilton[3], der erst ein Jahr zuvor, im Jahre 1941, veröffentlicht worden war. James Hilton hat auch am Drehbuch von „Mrs. Miniver“ mitgearbeitet. Vor allem bekannt geworden ist er aber durch seinen Roman „Irgendwo in Tibet“ (Lost Horizon), der im Jahre 1933 veröffentlicht wurde. In diesem sehr erfolgreichen Abenteuerroman schildert Hilton, der offenbar Zugang zu esoterischen Quellen hatte, den „utopischen“ Ort Shangri-La, ein paradiesisches Land, das identisch ist mit dem geheimen Land „Shambala“ aus der buddhistischen Legende. Aufgrund des Romans brachen Expeditionen nach Tibet auf, um den Ort zu suchen, darunter angeblich auch eine unter Heinrich Himmler (1900 – 1945), der sich für die Wiederverkörperung von Heinrich I., dem Vogler, hielt. Präsident Franklin D. Roosevelt nannte 1942 sein abgelegenes ländliches Feriendomizil in Maryland „Shangri-La“. 1953 wurde es von Dwight D. Eisenhower in „Camp David“ umbenannt. Frank Capra verfilmte den Roman „Lost Horizon“ 1937; in Deutschland lief er unter dem Titel „In den Fesseln von Shangri-La“. Ich habe den Film seit langem auf DVD, aber noch nicht angeschaut. In dem Film spielt Ronald Colman, ein bekannter Stummfilmstar, mit, der in "Random Harvest" die männliche Hauptrolle übernommen hat.
In „Random Harvest“ geht es um einen Mann, der im Ersten Weltkrieg in der Schlacht um Arras schwer verwundet wurde und dabei sein Gedächtnis verloren hat. Deutsche haben ihn gefunden und gegen einen englischen Kriegsgefangenen ausgetauscht. Mehrere Jahre lebt der Mann ohne Namen und Identität in einer Heilanstalt im mittelenglischen Melbridge, wo er den provisorischen Namen John Smith erhält. Eines Tages verlässt er die Anstalt und trifft in einem Tabakladen auf die Tänzerin Paula, die sofort sieht, dass der Mann ein Gentleman ist. Sie nimmt ihn mit in ihr Variete und flieht mit ihm schließlich sogar aufs Land, um ihn gesund zu pflegen. Der Mann, den sie Smithy nennt, gesundet tatsächlich und schreibt schließlich sogar erfolgreiche Geschichten für eine englische Zeitschrift. Die beiden heiraten und bekommen einen Sohn. Eines Tages, kurz nach der Geburt des Sohnes, fährt Smithy nach Liverpool, um einen Festvertrag bei seiner Zeitschrift zu unterzeichnen. Dabei gerät er unter ein Fahrzeug und kommt mit einer Gehirnerschütterung in einer Apotheke wieder zu sich. Nun erinnert er sich an sein Leben vor dem Krieg und vergisst gleichzeitig die drei Jahre und seine Frau Paula. Es stellt sich heraus, dass er Charles Rainier heißt und der älteste Sohn und Erbe einer wohlhabenden Industriellenfamilie ist. Er kehrt zurück nach „Random Hall“, wo er gerade am Tag der Beerdigung seines Vaters eintrifft.
Mehrere Jahre später sieht Paula, die sich gewundert hat, dass ihr Mann nach der Liverpool-Fahrt nicht zu ihr zurückgekehrt ist, ein Foto ihres immer noch geliebten Mannes in der Zeitung und erfährt dadurch, dass er ein bekannter Industrie-Magnat ist. Sie bewirbt sich bei ihm als Privat-Sekretärin und bekommt auch den Zuschlag. Aber ihr Mann erinnert sich nicht mehr an sie und es vergehen wieder Jahre, bis er schließlich ein zweites Mal um ihre Hand anhält, ohne zu wissen, dass er bereits mit ihr verheiratet war. Allmählich findet er nach und nach sein Gedächtnis wieder und schließlich umarmen sich die beiden vor dem kleinen Landhaus, in dem sie als einfaches Ehepaar ein paar Jahre glücklich zusammengelebt haben.
Natürlich ist der Film ein schönes Märchen, das im Stil der Hollywoodfilme der 40er Jahre mit viel sentimentaler Musik untermalt ist. Aber man kann den Film auch ganz anders verstehen. Er zeigt ja das Wiedererkennen zweier Menschen, von denen einer zweimal sein Gedächtnis verliert. Das passiert aber jedem Menschen, wenn er wiedergeboren wird: er verliert die Erinnerung an sein letztes irdisches Leben und an alle Menschen, die ihm einmal nahestanden. Und genau so verstehe ich den Film. Paula, die als (eingeweihte) Frau die Wahrheit kennt, führt ihren Geliebten behutsam zurück zu seiner Erinnerung an das frühere Leben.
Genau das ist es, was mich so berührt, so dass mir am Schluss die Tränen fließen.

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