Sonntag, 27. Mai 2018

Ein ästhetisches Meisterwerk - Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" aus dem Jahre 1968





Nachdem wir in dem Eiscafe am Karlsruher Kaiserplatz noch ein Eis gegessen haben, fahren wir wieder zurück in die Nähe des Kinos „Schauburg“. Wir sind etwa um 19.00 Uhr da und bekommen noch gute Plätze in der zehnten Reihe: Nr. 10 und 11. Komisch: es ist das erste Mal, dass ich mir die Platznummern bewusst merke. Als ich dies tue, weiß ich noch nicht warum.
Um 19.30 Uhr beginnt die Vorstellung. Der Kinosaal ist zu Dreiviertel voll. Die morgige zweite Vorstellung von „2001 – Odyssee im Weltraum“ ist bereits ausverkauft.
Vor dem Film gibt es eine ca. vierzigminütige Einführung von Nils Daniel Peiler, des Filmhistorikers und Ko-Kurators (Jahrgang 1988) des Frankfurter Filmmuseums, das in diesen Wochen eine Ausstellung zu Kubricks „2001“ macht. Er hat den Film mit zwölf Jahren zum ersten Mal gesehen, als er anlässlich des Jahres 2001 wieder aufgeführt wurde, und seitdem ungefähr 50 Mal.
Ich fühle mich mit dem Film deshalb besonders verbunden, weil er an meinem 16. Geburtstag in einem Filmtheater in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. uraufgeführt worden ist.[1] Da ich mir in der Pause das Büchlein von Nils Daniel Peiler „201 x 2001“ für 9.90 Euro kaufe, weiß ich, dass der Film am 11. September 1968 in einem Münchner Kino seine deutsche Premiere hatte, ausgerechnet an einem elften September und das exakt 33 Jahre vor dem elften September 2001, der die Welt grundlegend veränderte.
Es ist einiges merkwürdig an diesem Film, aber nicht nur an diesem epochemachenden ästhetischen Meisterwerk, sondern an allen 13 Filmen des Regisseurs Stanley Kubrik (geboren 1928), der im Jahr 1999 kurz vor der Aufführung seines letzten, geheimnisumwitterten Films „Eyes Wide Shut“ mit erst 70 Jahren plötzlich verstorben ist.
Es gibt die Hypothese, dass er ein Jahr nach „2001- Odyssee im Weltraum“ die angebliche Mondlandung dreier amerikanischer Astronauten in den Filmstudios von Walt Disney inszeniert habe, und dass damals in Wirklichkeit gar keine Amerikaner auf dem Mond gelandet waren. Lena, die Russin, die nicht weit von der russischen Raumfahrtzentrale Boikonur aufgewachsen ist, wo auch Verwandte von ihr arbeiteten, bezweifelt die Mondlandung vom 20. Juli 1969 ebenfalls.
Außerdem bezweifelt Lena, dass die Menschen, wie der Film im Eingangskapitel „The Dawn of Mankind“  suggeriert, vom Affen abstammen. Sie sagt ironisch, dass sie sich vorstellen könne, dass die Amerikaner oder vielleicht sogar alle Männer  vom Affen abstammen, aber auf keinen Fall die Frauen und auch nicht die Russen.
Sie glaubt einfach nicht, dass ein Affenpärchen an einem Tag x plötzlich feststellt, dass sie ein Menschenkind, das aufrecht gehen und sprechen kann, zur Welt gebracht hat.
Leider hat das Kino, das vor 50 Jahren, am 25. September 1968 nach einer grundlegenden Renovierung mit dem Film „2001“ wiedereröffnet wurde, bis heute keine Klimaanlage. So leidet Lena unter der Hitze und kann den Film gar nicht wirklich genießen. Außerdem hält sie den Film für „amerikanischen Kinderkram“ und kann ihm inhaltlich nichts abgewinnen. Sie kritisiert vor allem die unrealistische Darstellung der Schwerelosigkeit, insbesondere bei den Essensszenen. Als sie in der Einführung ein Foto von Stanley Kubrik sieht, hat sie den Eindruck, dass der Mann aufgedunsen war und ungesund aussah. Das meint sie durchaus im psychologischen Sinne. Sie behauptet, ohne mehr zu wissen: „Er war krank.“
Mir sind Lenas Kommentare immer interessant und wertvoll, weil sie in ihrer reinen Unbefangenheit die Filme ganz anders sieht als ich, der ich von der Hollywoodästhetik seit meinem elften Lebensjahr geprägt bin und mich erst jetzt – auch mit Hilfe von Lena – allmählich von ihr wieder befreien kann. Durch sie merke ich, wie stark meine Generation[2] diese Prägung verinnerlicht hat, so dass wir es schwer haben, einen kritischen Abstand aufrechtzuerhalten. Das geht bis hinein in die Werte-Vorstellung. Lena findet, dass in Hollywoodfilmen Sex, Ehebruch, Fremdgehen und Gangster-Gewalt in gewisser Weise „verherrlicht“ werden.
Diese ständige Beeinflussung hat viele westliche – und nach 1991 auch russische –  Menschen dazu verleitet, all das, was in den Filmen gezeigt wird, für normal zu halten, ja sogar nachzuahmen. 
Lena hat mir schon früher erzählt, dass zum Beispiel Francis Ford Coppolas „Pate“-Trilogie einen enormen Einfluss auf russische Männer gehabt habe und dass damals die russische Mafia einen enormen Auftrieb bekommen habe. Sie hatte selbst einmal kurze Zeit einen Liebhaber aus diesem Milieu und kann aus eigener Erfahrung davon erzählen. Solche Kriminelle bereicherten sich mit mafiösen Methoden und schreckten auch nicht vor Mord zurück. Aus den erfolgreichsten seien später die reichen russischen Oligarchen hervorgegangen, behauptet Lena glaubwürdig.
Es handelt sich bei jenen Filmen um eine subtile Korrumpierung der ursprünglich christlich-moralischen Werte der abendländischen Menschheit. Es ist für mich ein Wunder, das Lenas sensible slawische Seele trotz der Sozialisation in der kommunistischen Sowjetunion diese urchristlichen Werte bewahrt hat und sich an ihrer Negation stößt.
Da ich Lenas Leiden unter der Hitze neben mir spüre, entschließe ich mich, nach der Pause den Kino-Genuss, der für sie offensichtlich keiner ist, abzubrechen und vorzeitig heimzufahren. Wir sehen also das Ende des Films nicht, sondern verlassen die Schauburg im klimagekühlten Nissan um 22.15 Uhr und fahren nach Hause, wo wir um 23.30 ankommen. Dabei haben wir gute Gespräche.
Ich habe den Film ja seit langem auf DVD und kann mir das Ende, also die letzte halbe Stunde, jederzeit anschauen, wenn auch nicht auf der 17 x 7 Meter breiten Cinerama-Leinwand.



[1] Allerdings habe ich ihn erst später im Kino gesehen, ich weiß im Augenblick nur noch nicht wann, werde aber den Termin irgendwo in einer alten Tagebuchaufzeichnung finden.
[2] In der Schauburg laufen in diesem Jubiläumsjahr in der Reihe „Traumfabrik – Lasst 1000 Blumen blühen“ Klassiker des Kinos, die ich alle Ende der 60er Jahre im Kino gesehen habe, wie Alexander Kluges „Abschied von gestern“, Jean-Luc Godards „Weekend“, Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“, Roman Polanskis „Rosemary’s Baby“, May Spils „Zur Sache Schätzchen“, Dennis Hoppers „Easy Rider“, Michelangelo Antonionis „Zabriskie Point“ und andere.

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