In den vergangenen drei Tagen
habe ich drei interessante Filme gesehen, über die ich heute ein wenig
nachdenken will. Vielleicht ist es ja verschwendete Zeit, aber ich denke, es
lohnt sich, die Strukturen des Denkens zu enthüllen, die in der
Hollywood-Film-Industrie herrschen. Erst jetzt gelingt es mir, diese Denkweise
immer mehr zu durchschauen.
Natürlich sind all diese Filme
hervorragend gemacht und dramaturgisch gut aufgebaut. Diese Seite der Filme
will ich auch nicht kritisieren. Die Meister aus Hollywood beherrschen ihr
Metier. Umso schwerer fällt es mir auch heute noch, mich dem Sog dieser Filme
zu entziehen und sie hinterher mit kühlem Kopf zu analysieren. Ich versuche
dabei immer, die geistige Botschaft herauszufinden, die diese Produkte der
„Kulturindustrie“ (Theodor Adorno) transportieren.
Der erste der drei Filme lief am
Sonntagabend auf Arte: „Einer flog über das Kuckucksnest“ (One Flew over the
Cuckoo’s Nest) von Milos Forman aus dem Jahre 1975: Der Film wurde als Hommage
auf den in der Nacht vom Freitag, den 13. April auf Samstag, den 14. April 2018
– etwa gleichzeitig mit der völkerrechtswidrigen Bombardierung Syriens durch
die USA, Großbritanniens und Frankreich
– mit 86 Jahren verstorbenen Regisseur gezeigt, wozu das Programm
geändert worden war.
Selbst in den
Nachrichtensendungen und in 3SAT-Kulturzeit wurde mit kleineren Beiträgen des
Regisseurs gedacht, der für seinen wohl berühmtesten „Kultfilm“ 1975 die fünf
begehrtesten Oscars gewann, die vor ihm nur ein anderer Regisseur für einen
Film gewonnen hatte: Frank Capra für „It happened one Night“ (1932): Bester
Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester männlicher Hauptdarsteller (Jack
Nicholson) und beste weibliche Hauptrolle Louise Fletcher.
Den Film, der gleichzeitig
Höhepunkt und Schlusspunkt des „New Hollywood“ bedeutete, hatte ich schon
mehrmals gesehen und ich schaute mir auch das anschließende „Make-of“ an: „Es
war einmal… Einer flog über das Kuckucksnest“ von Antoine de Gaudemar aus dem
Jahr 2011.
Der Film basiert auf dem Roman
von Ken Kesey (1935 – 2001). Der Autor hatte im Jahr 1959 während seines Literatur-Studiums
am „Veterans Hospital“ im kalifornischen Menlo Park gejobbt und dort am
geheimen CIA „Forschungsprogramm“ MKULTRA mit bewusstseinsverändernden Drogen teilgenommen.
Seine Erfahrungen verarbeitete er in seinem 1962 erschienenen Roman „Einer flog
über das Kuckucksnest“, der ein Bestseller wurde.[1]
Der Schauspieler Kirk Douglas,
der eben seinen Film „Spartacus“ fertiggestellt hatte, interessierte sich für
das Buch, schrieb es zu einem Theaterstück um und inszenierte es am Broadway.
Er selbst übernahm die Hauptrolle. Das Stück hatte jedoch nicht den erhofften
Erfolg.
Später überließ er die Rechte an
dem Roman seinem Sohn Michael Douglas, der den tschechischen Regisseur
engagierte, mit dem sein Vater bereits Mitte der 60er Jahre Kontakt aufgenommen
hatte, nachdem gerade dessen erster Film „Die Liebe einer Blondine“ mit Erfolg
in den amerikanischen Kinos angelaufen war. Michael Douglas ließ durch Bo
Goldman („Der Duft der Frauen“, 1992) und Lawrence Hauben ein Drehbuch
schreiben.
Im Unterschied zum Roman wird die
Geschichte im Film nicht aus der Perspektive des „stummen“ Indianerhäuptlings
Bromden, sondern aus der Perspektive des unangepassten „Spielers, Maulhelden,
Frauenfreundes und Taugenichts“[2] McMurphy (Jack Nicholson)
erzählt. Die Geschichte spielt in der geschlossenen Abteilung einer
Psychiatrischen Anstalt und zeigt, wie sich der anarchische McMurphy durch
seine unkonventionelle Art allmählich zum Anführer der Gruppe aufschwingt und
die Insassen „aufmischt“. So erleben diese Momente ungewohnter Freiheit in
einem geschlossenen System, das von der eiskalten Oberschwester Ratched
beherrscht wird. Schließlich wird der aufmüpfige McMurphy, nachdem eine
Elektroschock-Therapie nicht geholfen hat, durch einen logopädischen Eingriff
(Trennung der Gehirnhälften) „ruhig“ gestellt.
Der Film wurde in einer
wirklichen Psychiatrischen Klinik in Oregon gedreht, wie die Dokumentation von
Gaudemar zeigt. Mehrere Insassen durften vor und hinter der Kamera mitarbeiten.
Sogar der Klinikdirektor und ein Psychiater durften mitspielen. Diese Umstände
verleihen dem Film Authentizität.
Milos Forman erklärt in der
Dokumentation, dass er bei dem Film vor allem die Verhältnisse in den autoritär
gelenkten kommunistischen Ländern vor Auge hatte, die er in der Tschechoslowakei
selbst erlebt hatte. Dort konnten unliebsame Kritiker des Systems von heute auf
morgen für psychisch krank erklärt und weggesperrt werden, ohne dass man je
wieder etwas von ihnen erfuhr. Diese Methode wurde in diesen Staaten
tausendfach ausgeübt.
Wie die Zustände in
amerikanischen Kliniken in den 60er und 70er Jahren waren, entzieht sich meiner
Kenntnis. Aber ich denke, dass Typen wie McMurphy, die sich nicht in das System
des „american way of life“ einordnen konnten, durchaus ebenfalls in solchen Anstalten
verschwinden konnten. Als der Film entstand, befand sich Amerika auf dem
Höhepunkt der Proteste gegen den Vietnam-Krieg und das Vertrauen in den Staat
war unter den jungen Menschen nach der Watergate-Affäre auf einen Nullpunkt
gesunken.
So spricht Milos Forman in der
Dokumentation zu Recht von den beiden wichtigsten Bürgerrechten, für die der
Film eintritt: die Redefreiheit und die Meinungsfreiheit. Diese waren nicht nur
in den kommunistischen Staaten, sondern auch in den Vereinigten Staaten bedroht.
Was ich an dem Film auszusetzen
habe, ist die Gestalt des McMurphy, die zum Helden des Films hochstilisiert
wird. Dabei hat diese Figur rein gar nichts zu bieten außer seiner anarchischen
Aufmüpfigkeit. Er ist im Grunde trotz seiner unbestreitbaren Intelligenz ein
geistloses Individuum, das ständig nur an eines denkt: an Sex. So trägt er
ständig ein Kartenspiel mit sich herum, das delikate Fotos von halbnackten
Frauen in eindeutigen Positionen zeigt. Natürlich reizt er dadurch etwas in den
psychisch Kranken, die nie oder selten Gelegenheit haben, ihre geschlechtlichen
Triebe zu befriedigen.
Ob die Methode des
„schwanzgesteuerten“ McMurphy die bessere Therapie ist, wie der Film
suggeriert, oder ob es doch nicht viel mehr die „wissenschaftliche“ Methode
seiner Kontrahentin, der kühlen und scheinbar geschlechtslosen Oberschwester Rached,
ist, die in dem Film als das sublime „Böse“ dargestellt wird, ist die
eigentliche Frage des Films, die dieser allerdings zugunsten McMurphys
beantwortet.
Ich erkenne darin ein Prinzip des
Hollywoodkinos: Sexualität ist ein Mittel, um das Publikum unbewusst zu
beeinflussen und zu binden. Es ist falsch, wenn immer wieder behauptet wird,
dass durch die Darstellung der Sexualität die Menschen freier würden. An die
Stelle von Sex müsste in Wirklichkeit Geist treten. Aber das passiert in den
seltensten Fällen im Hollywood-Kino. Selbst in den prüdesten Doris-Day-Filmen
geht es unterschwellig immer nur um geistlosen Sex.
Sex ohne Geist wird zum
Gefühlsgefängnis, das schließlich in die Depression führt. Wahre Erfüllung,
wirkliches Glück kann ein Paar nur erfahren, wenn es sich einem Höheren
zuwendet. Die Libido ist zwar eine starke Kraft, aber sie zieht den Menschen,
der keinen Geist hat, schließlich nur herab und macht ihn zum Sklaven seiner
Triebe.
Aber seit Sigmund Freud versucht
die Psychiatrie dem Menschen einzureden, dass nur durch die Befreiung der
Libido auch der Mensch frei würde. Dabei ist bekannt, dass Freud die
Psychoanalyse als „Bollwerk gegen den Okkultismus“[3] verstanden wissen wollte.
Gleichzeitig mit Freud bot Rudolf Steiner, der sich durchaus mit der
Psychologie seiner Zeit auseinandergesetzt hat, die Geisteswissenschaft als
Alternative an.
Natürlich besteht auch in einer
abgehobenen Geistigkeit eine Gefahr und ich kenne diese Gefahr aus eigenem
Erleben. Zuviel Geist kann auch in die Psychiatrie führen, so wie McMurphy
durch zu viel Libido ins Gefängnis und dann in die Psychiatrie kam: er hat eine
Minderjährige zum Sex gezwungen und schwärmt noch vor dem Klinikdirektor von
ihrer „rosaroten Muschi“.
Der einzige, der in dem Film über
etwas Geist verfügt, ist der „stumme“ Indianerhäuptling, dem tatsächlich am
Ende des Films auch die Flucht in die Freiheit gelingt.
[2]
Stefanie Weinsheimer in „Reclams Filmklassiker“, Band 3, 5. überarbeitete und
erweiterte Auflage, Stuttgart 2006
[3]
„Die Sexualtheorie, so Freud zu Jung, sei das Allerwesentlichste. Sehen Sie,
wir müssen daraus ein Dogma machen, ein unerschütterliches Bollwerk gegen die
schwarze Schlammflut des Okkultismus.“ Siehe: http://www.wissenbloggt.de/?p=25536
Mit der „schwarzen Schlammflut des Okkultismus“ deutet Freud unmissverständlich
auf die Steinersche Geisteswissenschaft hin.
[2]
Stefanie Weinsheimer in „Reclams Filmklassiker“, Band 3, 5. überarbeitete und
erweiterte Auflage, Stuttgart 2006
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