Am Freitag- und Samstagabend
haben wir zwei Filme der Angelique-Reihe auf DVD[1] angeschaut.
Ich hatte diese Filme, die zwischen
1964 und 1968 etwa gleichzeitig mit den Karl-May-Abenteuern gedreht wurden, im
Kino gemieden. Die Filme waren erst ab 16 Jahren freigegeben und wurden
insbesondere von den kirchlichen Institutionen wegen ihrer lockeren Moral und
den vielen erotischen Szenen stark kritisiert. Für mich war es Massenware für
ein vorwiegend weibliches Publikum. Natürlich blieb mir der große Erfolg der
Filme nicht verborgen und ich sah auch in allen Buchhandlungen die Vorlagen,
nämlich die Romane von Anne Golon.
Lena hat die Filme mit 16 oder 17
Jahren, also Mitte der 80er Jahre, zusammen mit einer Freundin, die
sinnigerweise auch noch Angela hieß, in einem Kino in Karaganda gesehen. Die
Mädchen waren natürlich begeistert von der Schönheit der Hauptdarstellerin, von
den Kostümen und der Welt der französischen Aristokratie zur Zeit des
Sonnenkönigs.
Lena kennt die ganze Geschichte
noch heute sehr gut und verrät mir im Voraus, mit wem die schöne Heldin als
nächstes im Bett landen wird. Sie hat auch die Romane verschlungen.
Aus Wikipedia[2] erfahre ich, dass Anne
Golon (1921 – 2017), die eine Zeitlang in Afrika als Journalistin gearbeitet
hat, dort den russischen Geologen und Ingenieur Wsewolod Sergejewitsch
Goloubinoff (1903 – 1972) kennengelernt hat, der 1917 vor der Russischen
Revolution nach Frankreich emigriert war. Anne Golon hat ihre ersten
Geschichten mit ihm zusammen verfasst. Er ist also auch Mitautor der ersten Angelique-Romane
und nannte sich in dieser Eigenschaft Serge Golon.[3] Die Autorin Anne Golon,
die ihren Wohnsitz in Versailles hatte, ist erst letztes Jahr gestorben und das
ausgerechnet am französischen Nationalfeiertag, dem Quatorze Juillet.
Ich bin sicher, dass sie einst in
einem früheren Leben eine wichtige Persönlichkeit am Hof des Sonnenkönigs war. Sie
hat die historischen Verhältnisse des 17. Jahrhunderts akribisch recherchiert,
bevor sie mit dem Schreiben des ersten Bandes der erfolgreichen Reihe begonnen
hat. Etwas davon ist auch in die Filme eingegangen, die aber ansonsten sehr oberflächlich
bleiben und mehr auf Effekte als auf Geschichte setzen.
Die Schauspielerin Michele
Mercier, die die Titelrolle spielte und seitdem, ähnlich wie Romy Schneider mit
Sissi, immer mit dieser identifiziert wurde, war 1964 erst 25 Jahre alt. Sie
ist Jahrgang 1939 und lebt heute noch. Ich habe sie als Clarisse in Francois
Truffauts „Schießen Sie auf den Pianisten“ (Frankreich 1959) zum ersten Mal
gesehen. Ich finde sie gar nicht so hübsch wie immer gesagt wird. Sie ist vor
allem sehr selbstbewusst und in gewisser Weise eine Vorläuferin von Lara Croft.
In den prüden 60er Jahren hat sie durch ihre offen zur Schau getragene Erotik
natürlich viele junge Mädchen begeistert, so wie die Jungens von Old Shatterhand und Winnetou begeistert waren.
Insofern gehört sie, ähnlich wie
Brigitte Bardot, zu den Vorläuferinnen der sexuellen Revolution, die gegen das traditionelle
Bild der Frau als Mutter und Hausfrau mit den drei Ks (Kinder, Küche Kirche)
rebellierten.
Dass die Filme Mitte der 80er
Jahre mit zwanzig Jahren Verspätung sogar in der prüden Sowjetunion populär
wurden, hat sicherlich viel zu den geheimen Sehnsüchten junger russischer Frauen in jener Zeit beigetragen. Vielleicht sind diese westlichen Filme der
Grund dafür, dass sich russische Frauen gerne hübsch machen, schick anziehen
und immer einen reichen Prinzen suchen, so wie es Angelique getan hat.
[1]
Ich hatte mir die DVD-Ausgabe mit fünf Angelique-Filmen nur wegen Lena gekauft,
weil sie mir einmal davon vorgeschwärmt hatte.
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