Am Montagabend (19.02.2018) zeigte Arte den Film „Cloud Atlas“ (Deutschland 2012). Den Film hatte ich Ende
2012 mehrmals im Kino gesehen, bin aber damals trotzdem nicht ganz schlau
aus ihm geworden. Dennoch haben sich die Bilder des Films – wie ich am Montag wieder feststellen konnte – fest in meine Erinnerung eingeprägt.
Der Film
erzählt in sechs ineinander geschachtelten Episoden und auf sechs Zeit-Ebenen
die Geschichte einer Gruppe von Menschen in mehreren, zum Teil in der Zukunft
liegenden Inkarnationen. Es ist der interessanteste, aber auch komplexeste Film
zum Thema Reinkarnation, den ich kenne.
Eben
lese ich den Vortrag, den Rudolf Steiner am 5. März 1912 in Berlin gehalten
hat.
Interessant
ist für mich, dass Rudolf Steiners Vortrag aus dem Jahr 1912 exakt hundert
Jahre vor dem Entstehen des Films „Cloud Atlas“ gehalten wurde, und zwar genau
in der Stadt, in der auch große Teile des Films gedreht wurden: in Berlin.
Das
fiel mir besonders auf, als ich in dem Vortrag folgende Zeilen las:
„Wenn
der Mensch nun übergeht zur Erkenntnis von Reinkarnation und Karma (…) da
müssen wir uns klar sein, dass das, was für einen solchen Menschen in seiner
Seele lebt, nicht bloß, wenn er durch die Pforte des Todes geschritten ist,
eine Bedeutung hat für eine erdentrückte Sphäre, sondern dass von dem, was er
erlebt zwischen Geburt und Tod, die Zukunft der Erdengestaltung abhängt. Die
Erde wird sozusagen die äußere Konfiguration haben, welche die Menschen ihr
geben, die vorher da waren. Der ganze Planet in seiner Zukunftskonfiguration,
das Zusammenleben der Menschen in der Zukunft, hängt davon ab, wie die Menschen
früher gelebt haben in ihren früheren Verleiblichungen. Das ist das
Gemüthaft-Moralische, das sich an diese Ideen anknüpft; sodass ein Mensch, der
dies angenommen hat, weiß: wie ich war in dem Leben, so werde ich wirken auf
alles, was in der Zukunft geschieht, auf die ganze Kultur der Zukunft! – Da
erweitert sich etwas mit dem Wissen von Reinkarnation und Karma über die
Grenzen von Geburt und Tod hinaus, was der Mensch bisher nur in engsten Grenzen
kennengelernt hat: das Verantwortungsgefühl.“
Hier
beschreibt Rudolf Steiner etwas, was in vielen Menschen seit den 70er Jahren
aufgetreten ist, nachdem durch den Ölpreis-Schock und die Veröffentlichung des
Berichts des Club of Rome über „Die Grenzen des Wachstums“ in ihnen dieses
Verantwortungsgefühl gegenüber unserem Planeten aufwachte, der – wie ein anderes Buch
jener Zeit behauptet hatte – „geplündert“ wird. Dieses Verantwortungsgefühl und
in dem Zusammenhang insbesondere der Begriff der „Nachhaltigkeit“ hat seitdem
zugenommen. Der Bio-Boom der letzten Jahre ist neben anderem auch ein Zeichen
für diese Zunahme. Wir dürfen die Natur, seien es Tiere oder Pflanzen, nicht
mehr so behandeln wie bisher, wenn wir unseren Planeten auf die Dauer
lebensfähig erhalten wollen.
Rudolf
Steiner fährt fort:
„Bis
heute ist (die Idee von Reinkarnation und Karma) im weitesten Umfang noch
Theorie. Man kann sagen, heute ist es so, dass es eine Anzahl Anthroposophen
gibt, die glauben an Reinkarnation und Karma; aber sie leben so, als wenn es
Reinkarnation und Karma nicht gäbe, sondern als wenn das Leben einmal
eingeschlossen wäre zwischen Geburt und Tod. Das kann auch nicht anders sein.
Denn die Gewohnheiten, die das Leben mit sich bringt, ändern sich weniger
rasch, als die Ideen sich ändern.
(…) Das
wird das Bedeutsame und Wichtige sein, dass übergehen werden die
Fundamentalideen der anthroposophischen Weltanschauung in das Gemütsleben und
in die Gesinnung der Menschen und auftreten werden als moralische Impulse, von
denen die Menschen in den abgelaufenen Zeiten im Grunde genommen gar keine
Ahnung hatten. Das Verantwortungsgefühl wird hervorsprießen in einer Weise, wie
dies früher überhaupt nicht möglich war; und andere moralische Ideen werden
sich notwendig dann in einer ähnlichen Weise ergeben wie dieses
Verantwortlichkeitsgefühl“[1]
Das
zentrale Kapitel in „Cloud Atlas“ zeigt die Umweltaktivistin Luisa Rey (Halle
Berry) im Jahre 1973, die einem Skandal im Betrieb eines Atomkraftwerks auf der
Spur ist. Diese Frau verkörpert sich in allen sechs Episoden immer
wieder neu und ist eine der zentralen Figuren des Films. Ihr Engagement für die
Umwelt, das sich durch alle sechs Inkarnationen durchzieht, ist allerdings zum
Scheitern verurteilt. Die Menschheit verwüstet den Planeten Erde im Laufe des
Films derart, dass sich ein kleiner Rest auf einem erdähnlichen Planeten
niederlassen muss, auf dem die Geschichten der Vergangenheit von Generation zu
Generation weitergegeben werden. Die Erde ist nur noch als blauer Schimmer am
Sternenhimmel zu erblicken.
Der
Roman, auf dem der Film basiert, wurde im Jahre 2004 von dem englischen Autor David
Mitchell veröffentlicht. Es war das Jahr, als auch Dan Browns „The Da Vinci Code“
(2003) unter dem Titel „Sakrileg“ auf Deutsch erschien und das Jahr, in dem
Judith von Halle (-Berry) ihre Stigmata empfing, zwei für mein Empfinden
bedeutsame Ereignisse.
David
Mitchell ist ein Stotterer. Das Geheimnis des Stotterns weist, laut Rudolf
Steiner, auf eine Verfehlung in einem früheren Leben hin; so nennt er als
Beispiel für Stotterer Menschen, die in einem früheren Leben viel gelogen
haben. Ich konnte nicht herausfinden, ob David Mitchell Rudolf Steiners Werk
kennt, aber es wundert mich aufgrund seiner Sprachstörung nicht, dass ihn das
Thema Reinkarnation und Karma interessiert.
[1]
Rudolf Steiner, Wiederverkörperung und Karma und ihre Bedeutung für die Kultur
der Gegenwart, GA 135, dritter Vortrag, Berlin 5. März 1912, Taschenbuchausgabe
S 113 ff
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