Dienstag, 30. Januar 2018

Vergewaltigungsfabriken - Anmerkungen zu dem Film "Showgirls" von Paul Verhoeven aus dem Jahr 1995



Heute brachte die Bildzeitung, die ich in der Kurspause im Cafe Hessenauer las, die Ankündigung eines Buches von Rose McGowan, das heute unter dem Titel „Brave“ in den USA erschienen ist und am 3. April in Deutschland unter dem Titel „Mutig“ erscheinen soll. Die Bildzeitung schreibt, Rose McGowan (44) und ihre Kollegin Ashley Judd (49) seien die ersten Schauspielerinnen gewesen, die im Oktober 2017 den Hollywood-Film-Mogul Harvey Weinstein (65) öffentlich der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung beschuldigten. Sie haben so die derzeitige „#Me Too“-Debatte, der nun auch der deutsche Fernsehregisseur Dieter Wedel „zum Opfer“ gefallen ist, ins Rollen gebracht. Die Bildzeitung zitiert die Schauspielerin und Buchautorin folgendermaßen: „Weinstein ist nicht nur in der Filmbranche mächtig, auch in der Politik, in den Medien und Verlagen (…) Jeder um ihn herum wusste davon. Es ist ein internationales Vergewaltigungs-Syndikat, es ist eine Vergewaltigungs-Fabrik“.
Ich kenne weder die eine, noch die andere Schauspielerin und weiß nicht, was wirklich mit ihnen passiert ist. Aber seitdem ich vor einer guten Woche (22.1.2018) auf Arte Paul Verhoevens „Musical“ „Showgirls“ aus dem Jahre 1995 gesehen habe, in der die Freundin der Heldin Nomi Malone zuerst von den Leibwächtern eines Superstars und dann von diesem selbst brutal vergewaltigt wird, so dass sie mit inneren und äußeren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, kann ich es mir zumindest vorstellen. Verhoeven („Basic Instinct“) ist bekannt für seine Gewaltszenen, die meistens auch noch sexuell aufgeladen sind. Aber er hat bereits 1995 die offensichtliche Wahrheit dieser „Vergewaltigungsfabrik“, die sich von Las Vegas bis nach Los Angeles erstreckt, gezeigt. Rose McGowan berichtet in ihrem Buch, wie sie im Jahr 1997 in einem Hotel von Harvey Weinstein vergewaltigt wurde.
Ich habe vor ein paar Tagen folgende Anmerkungen zu dem Film „Showgirls“ und seinem Regisseur verfasst:
Eben (23.01.2018)sah ich in der Arte-Mediathek das Porträt über den äußerst liebenswürdigen niederländischen Filmregisseur Paul Verhoeven („Meister der Provokation“), für das ich am Sonntagabend nach dem Film „Total Recall“ (USA 1990) keine Zeit und Lust mehr hatte.
Den Science-Fiction-Film hatte ich schon einmal gesehen und mir daraufhin einen Band mit Kurzgeschichten von Philipp K. Dick gekauft. Diesen habe ich allerdings inzwischen wieder aus meiner Buchsammlung aussortiert wie so manches andere Buch.
Mir gefiel der Film am Sonntagabend nicht mehr so. Alles war so übertrieben und etwas in mir fühlte sich provoziert dadurch, dass das Herz der Mars-Stadt, in der der längere Teil des Films spielt, ausgerechnet – ähnlich wie in „AI – Artificial Intelligence“ – ein Vergnügungsviertel ist, das auch noch den Namen „Last Resort“ trägt, als wäre käuflicher Sex das „letzte Ufer“, an das sich die Menschheit bei der Apokalypse retten könnte.
Nun schaute ich mir gestern einen weiteren Film des Regisseurs an, dem Arte anlässlich seines 80. Geburtstages eine Filmreihe widmete: „Showgirls“ aus dem Jahre 1995. Zunächst war ich – noch unter dem Eindruck von „Total Recall“ – skeptisch, aber am Ende fand ich den Film als Metapher für die dekadente Seite Amerikas gelungen. Der Film spielt, ähnlich wie „Casino“, in Las Vegas und zeigt sehr gut die Machtstrukturen einer solchen Stadt, in der es um Glücksspiel, Sex und Drogen geht. Nicht Hollywood ist das „Zentrum des Bösen“, sondern diese Wüstenstadt.
Interessanterweise sind beide Filme, Verhoevens „Showgirls“ und Scorseses „Casino“ im gleichen Jahr, also geradezu parallel zueinander, entstanden.
Beide Filme sind in gewisser Weise für mich schwer zu ertragen. Sie zeigen jedoch auf künstlerische Weise das tatsächliche Leben in dieser Metropole des Vergnügens, die von den beiden jüdischen Gangsterfreunden Meyer Lansky und Bugsy Siegel im Jahre 1946 mitbegründet wurde.
Der Film erzählt die Erlebnisse einer begabten Tänzerin, der es gelingt, in einer Oben-Ohne-Tanzshow Karriere zu machen und sogar bis zur Göttin („Goddess“) aufzusteigen und die dennoch genügend Rückgrat besitzt, dieser Welt nicht zu verfallen, sondern ihr am Ende angewidert den Rücken zu kehren: Nomi Mallone (Elizabeth Berkeley) geht buchstäblich durch die „Glitzerhölle“, in der sexistische Machos mit den Frauen machen, was sie wollen, und bewahrt sich dabei ihre Integrität: „Ich bin keine Hure!“ ruft sie einmal aus. Diese innere Kraft des äußerst attraktiven Mädchens kann man nur bewundern. Hier wird in einem Film das Ich des Menschen sichtbar, das trotz aller Versuchungen zum Schluss siegt.
Nomi bietet den menschenverachtenden Machos a la Harvey Weinstein erfolgreich Paroli.
Solch eine Power-Frau gibt es vermutlich in der Wirklichkeit nicht, aber Elizabeth Berkeley überzeugt mit ihrer Rolle jeden Zweifler, weil sie so energiegeladen und überzeugend spielt.
Die amerikanischen Zuschauer haben den Film, als er damals in die Kinos kam, offenbar nicht besonders geliebt. Allzu deutlich hielt er ihnen den Spiegel vor. Heute gilt „Showgirls“ als Kultfilm und wird – ähnlich wie die „Rocky-Horror-Picture-Show“ – vor allem in Mitternachtsvorstellungen amerikanischer Kinos aufgeführt.
.Verhoevens letzte Arbeit ist der französische Film „Elle“ mit Isabelle Huppert, von dem Günther so begeistert war. Ich habe ihn noch nicht gesehen.
Interessant ist, dass Verhoeven zusammen mit dem Drehbuchautor Joe Eszterhas einmal eine Art Musical drehen wollte, weil er die großen alten MGM-Musicals liebte, von denen ich letztes Jahr gesprochen habe. In diesen Technicolor-Tanzfilmen erlebten die Revuen, wie sie in europäischen und amerikanischen Großstädten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkamen, ihre Auferstehung im Kino. Das Publikum ergötzte sich an den langen nackten Beinen unzähliger Tänzerinnen.
Aber diese Filme waren geradezu harmlos gegenüber den Tanzrevuen, welche die Nachtclubs von Las Vegas anbieten. Das sind im Grunde reine Strip-Shows mit anschließenden Kopulationen auf offener Bühne. Jede Grenze ist aufgehoben. Was in dem Film „Les Girls“ noch hinter der Bühne stattfand, das wird nun in aller Öffentlichkeit für ein geiles Männer-Publikum praktiziert.
Nach dem Film „Showgirls“ zeigte Arte gestern Abend noch einen älteren Film von Paul Verhoeven, seine erste Hollywoodproduktion[1]. „Fleisch und Blut“ (Flesh + Blood, NL/E/USA 1985) kündigt das Arte-Magazin als „blutrünstiges Mittelalter-Gemetzel“ an. In dem Film spielt ein alter Freund Verhoevens, der Schauspieler Rutger Hauer, den ich am Samstagabend zum ersten Mal in einem Film („Nighthawks“) – natürlich als Bösewicht – gesehen habe, mit.
Den Film schaue ich mir nach Mitternacht nicht mehr an. Ich hatte schon von dem vorangegangenen Film Alpträume und durchwanderte in diesen eine trost- und hoffnungslose Wüstenwelt auf der vergeblichen Suche nach einem echten Menschen.






[1] In dem Porträt erfahre ich, dass der Niederländer, der durch den Film „Soldier of Orange“ (NL 1977) international bekannt wurde, durch Stephen Spielberg nach Hollywood „gelockt“ wurde.

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