Jetzt lese ich Hemingways ersten
Roman „The Sun also Rises“ (Fiesta) aus dem Jahr 1926.
Es interessiert mich einfach
alles, was mir diese Zeit im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts nahe
bringen kann. Bisher spielt der Roman im Paris der 20er Jahre und ich kann noch
nicht viel dazu sagen. Allerdings fällt mir schon jetzt auf, dass es eher eine
materialistische Stimmung ist, die dieser Roman verbreitet. Es wird ziemlich
viel getrunken und geraucht und ziemlich belangloses Zeug geredet.
Auch der Stanley-Donen-Film „Charade“
aus dem Jahre 1963 mit einer herrlich naiven Audrey Hepburn und einem ziemlich
durchtriebenen Cary Grant, den ich am Sonntagabend (11.06.2017) mit Lena auf Arte sah, spielt fast
vollständig in Paris.
Es gibt einige schöne
Anspielungen auf Orte und Geschichten, die ich kenne.
Spontan aufgefallen sind mir fünf: Audrey Hepburn wohnt in einem Hotel "Saint Jacques" und steigt einmal in einer
Metro-Station „Saint Jacques“ in die Metro. Der Bezug ist hier nur angedeutet,
denn in Paris gibt es den Turm Saint Jacques, der zu einem ehemaligen, ganz zentral gelegenen Kloster
gehörte, in dem sich die Jakobspilger versammelten, um nach Santiago de
Compostella aufzubrechen. Dafür benutzten sie die Rue Saint Jacques, die Paris
südlich der Seine vom Norden nach Süden als eine der wichtigen Verkehrsachsen
noch heute durchquert.
Beim Anblick der Kathedrale Notre Dame denkt Audrey Hepburn an den Glöckner von Notre Dame, der sich an einem Seil herunterlässt, um Esmeralda zu retten.
An einer anderen Stelle erinnert sich Audrey Hepburn bei einem Rendez-vous mit Cary Grant an Gene Kelly und seinen Film "An American in Paris", der genau diese Liebe der Amerikaner für Paris wie so viele andere Filme der 50-er Jahre thematisiert.
Im vierten Fall will Walter Matthau sich zum ersten Mal mit Audrey Hepburn bei „Les Halles“ vor der Kirche Saint Eustache treffen und schließlich findet der dramatische Show-Down zwischen dem falschen (Walter Matthau) und dem richtigen (Cary Grant) CIA-Agenten in der „Comedie Francaise“ im Palais Royal statt, in der ich 1986 eine Inszenierung von Molieres „Le bourgeois gentilhomme“ gesehen habe.
Beim Anblick der Kathedrale Notre Dame denkt Audrey Hepburn an den Glöckner von Notre Dame, der sich an einem Seil herunterlässt, um Esmeralda zu retten.
An einer anderen Stelle erinnert sich Audrey Hepburn bei einem Rendez-vous mit Cary Grant an Gene Kelly und seinen Film "An American in Paris", der genau diese Liebe der Amerikaner für Paris wie so viele andere Filme der 50-er Jahre thematisiert.
Im vierten Fall will Walter Matthau sich zum ersten Mal mit Audrey Hepburn bei „Les Halles“ vor der Kirche Saint Eustache treffen und schließlich findet der dramatische Show-Down zwischen dem falschen (Walter Matthau) und dem richtigen (Cary Grant) CIA-Agenten in der „Comedie Francaise“ im Palais Royal statt, in der ich 1986 eine Inszenierung von Molieres „Le bourgeois gentilhomme“ gesehen habe.
Auch in dem Film treiben sich,
wie im Roman von Hemingway, einige (zwielichtige) Amerikaner in der Stadt an
der Seine herum: Arthur Kennedy, James Coburn, Ned Glass und Walter Matthau. Es ist
allerdings nicht das Paris der zwanziger Jahre, sondern das Paris der sechziger
Jahre, also das Paris der Nouvelle-Vague-Filme. Auch Jean-Luc Godards „A bout
de souffle“ (Außer Atem) spielt in Paris. Dieser das Kino revolutionierende Film aus dem Jahr 1960 ist im Grunde eine
Hommage an Amerika, bzw. an die amerikanischen Gangsterfilme: die hübsche Jean
Seberg spielt eine Amerikanerin, die den „Harald Tribune“ verkauft, und sich in
den Pariser Klein-Gangster Jean-Paul Belmondo verliebt.
Das ist das Schöne an Filmen: man
sieht die Welt so, wie sie früher aussah. Und „früher“ heißt in unserer
schnelllebigen Zeit: vor Jahrhunderten. Es scheinen tatsächlich Jahrhunderte zwischen
heute und den 20er Jahren oder den 60er Jahren zu liegen.
Der Film lebt aus dem Kontrast
zwischen dem naiven Mädchen und dem erfahrenen älteren Herrn. Audrey Hepburn
merkt nicht einmal, dass sie mit einem „Dieb“ verheiratet war, der einst das
Geld, das die Vorgängerorganisation der CIA, die OSS, einer Gruppe
französischer Resistance-Mitglieder zukommen ließ, gestohlen hat. Er war 1944
einer von fünf Agenten, die das Geld im Auftrag der OSS nach Frankreich
transferieren sollten. Das ist der ernste, und ich denke, durchaus realistische
Hintergrund des Films. Er gehört also in das Genre des „Agententhrillers“.
Walter Matthau macht Audrey
Hepburn am Anfang klar, dass es einen Unterschied zwischen Spionen und Agenten
gibt. Dieser „running gag“ wird im Film mehrmals variiert, was den Film
wiederum als „Agentenfilm-Parodie“ kennzeichnet.
In ihm sind aber auch die
typischen Elemente eines Hitchcock-Films enthalten: immer wieder muss die "arme" Audrey Hepburn an der Ehrlichkeit und den guten Absichten des charmanten Cary
Grant zweifeln, ja, sie hält ihn zum Schluss sogar für einen gemeinen Killer. Diese
Mehrdeutigkeit, die sich erst ganz zum Schluss aufklärt, als der Zuschauer
erfährt, dass Cary Grant der gute Agent ist, und Walter Matthau der böse, der
sich nur in Cary Grants Büro bei der amerikanischen Botschaft eingeschlichen
und die naive Frau getäuscht hat, sorgt für den notwendigen „suspense“ und
funktioniert nach dem Prinzip „whodunit“.
Und schließlich funktioniert der Film auch als "Romanze".
Und schließlich funktioniert der Film auch als "Romanze".
Audrey Hepburns Naivität, die der
Film immer wieder herausstellt, besteht darin, dass sie einfach zu gutgläubig
ist. Sie mag Lügen nicht. Deshalb will sie sich von ihrem ersten Mann scheiden lassen. Er ist zwar sehr reich, aber nicht "honest". Mit ihm, so beklagt sie sich am Anfang bei ihrer Freundin Sylvie, "everything is secrecy and lies".
Als sie zum ersten Mal feststellt, dass auch der Mann, den sie eigentlich liebt, gelogen hat, wendet sie sich von ihm ab. Das wiederholt sich einige Male, weil Cary Grant, der dem eigentlichen Killer auf der Spur ist und im Grunde nichts anderes macht, als den „unschuldigen Engel“ zu beschützen, aus taktischen Gründen mehrmals die Identität wechseln muss. Dann finden die beiden aber immer wieder zusammen, weil die Liebe stärker ist.
Als sie zum ersten Mal feststellt, dass auch der Mann, den sie eigentlich liebt, gelogen hat, wendet sie sich von ihm ab. Das wiederholt sich einige Male, weil Cary Grant, der dem eigentlichen Killer auf der Spur ist und im Grunde nichts anderes macht, als den „unschuldigen Engel“ zu beschützen, aus taktischen Gründen mehrmals die Identität wechseln muss. Dann finden die beiden aber immer wieder zusammen, weil die Liebe stärker ist.
Am Schluss macht Cary Grant der
süßen Audrey Hepburn, die im Laufe des Geschehens auch ihren Job als
Simultandolmetscherin bei der UNESCO verliert, einen Heiratsantrag. Die Auserwählte meint spontan, dann hätten sie ja schon fünf Namen für
die fünf zukünftigen Kinder. So oft hatte sich Gary Grant bei ihr mit anderem
Namen „vorgestellt“.
Jedes Mal fragte Audrey Hepburn
den „Schutzengel“ von neuem: gibt es auch eine Miss Sowieso?
Mit dieser Frage endet die erste
Episode des Films, der in Megeve einsetzt, einem in den 20-er Jahren von Baron de Rothschild in den französischen Alpen in der Nähe des Mont Blanc als Alternative zu Sankt Moritz in der Schweiz eingerichteten
Ski-Paradieses für Aristokraten. Dort verbringt die durch und durch aristokratisch wirkende Regina (= Königin) „Reggie“ Lampert (Audrey Hepburn) mit ihrer Freundin
Sylvie und deren etwa 11-jährigen Sohn Jean-Louis[1] den Urlaub. Und dort
trifft sie zum ersten Mal auf Cary Grant, der sie offenbar als Erbin ihres (inzwischen ermordeten) Ehemanns, verfolgt, um an das gestohlene Geld zu kommen. Er nennt
sich da noch Peter Joshua.
Der Rest des Films spielt, wie
gesagt, in Paris. Dort wechselt Peter Joshua noch dreimal den Namen, bis er
sich schließlich als Brian Cruikshank zu erkennen gibt, der bei der
amerikanischen Botschaft als Finanzbeamter arbeitet und im Auftrag der amerikanischen Regierung nach dem gestohlenen
Geld forscht.
So entlässt der Film den
verwirrten Zuschauer am Ende in eine beruhigende bürgerliche "Realität".
Der Titel „Charade“ weist auf ein
Spiel hin, bei dem Personen nach jeder
Runde eine neue Rolle übernehmen, wie Cary Grant in der Handlung.[2] Drei Jahre später
versuchte der Regisseur Stanley Donen den Erfolg des Films zu wiederholen und
schuf „Arabeske“ mit Sophia Loren und Gregory Peck.
Solche Verwirr-Spiele waren in
den 60er Jahren ein beliebtes Sujet des Hollywood-Kinos und sie zeigen an, dass
in dieser Zeit alle gewohnten Sicherheiten verloren gingen und die Menschheit,
deren Vertreterin die naive Audrey Hepburn in diesem Film ist, einen Bewusstseins-Sprung zu
vollziehen hatte, den schließlich die sogenannten 68-er in der Realität vollzogen haben.
Man könnte es auch „Emanzipation“
nennen.
Audrey Hepburn ist ja bekannt
dafür, dass sie sich an all den Partys in Hollywood nicht oder nur sehr selten
beteiligte. Sie hat sich als eine der wenigen großen weiblichen Hollywoodstars
ihre Identität bewahrt und ist sich immer
selbst treu geblieben. Sie strahlt in allen ihren Rollen jene Aufrichtigkeit
aus, die sonst nur bei Kindern zu beobachten ist. Ich sagte deshalb, sie sei „naiv“.
In Wirklichkeit erscheint sie aber als die „unschuldige Seele“, die einfach
noch nicht vom Bösen berührt ist, auch wenn sie in „Charade“ ständig von ihm verfolgt
wird. Sie ist wie ein Engel, der traumwandlerisch durch die Welt schwebt und
trotz zahlreicher Mahlzeiten, bei denen man sie in dem besagten Film sieht,
überhaupt kein Gewicht anzunehmen scheint. Sie sieht sogar als „Lebedame“ Holly
Golightly in „Breakfast at Tiffany’s“ aus, als sei sie nicht von dieser Welt. Man
möchte ihre zarte Zerbrechlichkeit als Mann instinktiv beschützen.
Audrey Hepburn ist eine wahre
Ausnahme-Erscheinung im Hollywood-System.
Film und insbesondere der
Hollywoodfilm hat viel mit Lüge zu tun.
Ich sagte einmal, „beim Kino würde das
Auge vierundzwanzigmal in der Sekunde über’s Ohr gehauen“.
Schon bei der
Filmtechnik beginnt die Täuschung, denn die bewegt erscheinenden Bilder zeigen
in Wirklichkeit gar nicht die lebendige Wirklichkeit, sondern machen sich die
Trägheit des menschlichen Auges zunutze. Das Wort „Kino“ kommt von griechisch „Kinema“
= Bewegung. Die statischen Einzelbilder werden durch das „Malteserkreuz“, das den
perforierten Zelluloidstreifen in der Filmkamera und im Projektor transportiert,
in großer Geschwindigkeit bildweise vorgerückt, also ruckweise bewegt. Das einzelne
Bild bleibt nur eine vierundzwanzigstel Sekunde lang stehen, bevor das nächste,
beinahe identische Bild folgt. Eine der ersten Filmfirmen hieß „Biograph“. Das
Wort „Bios“ kommt ebenfalls aus dem Griechischen und bedeutet Leben.
Aber im fertigen Film sehen wir
nicht das bewegte Leben, sondern immer nur ein künstliches Abbild, das wie das Leben
aussieht.
Die „Lüge“ ist also von Anfang an
Bestandteil des Kinos.
Dazu kommt, dass viele Filme auch
vom Inhalt her „Lüge“ sind, wenn man Lüge als Unwahrheit oder Halbwahrheit definiert.
Filme werden zu einem gewissen Zweck verfertigt. Der allerwichtigste Zweck ist
natürlich, das Publikum ins Kino zu locken. Der Film verspricht ihm das, was es
angeblich gerne sehen will. Und so beeinflusst das Kino allmählich die Sehgewohnheiten
des Publikums.
Natürlich weiß das Publikum, dass
der Film „Illusion“ ist, der mit allen Tricks und Effekten arbeitet und es
akzeptiert die „Lüge“ willentlich.
Audrey Hepburn sagt in „Charade“,
dass sie Menschen, die lügen, nicht mag. Aber sie mag Cary Grant, obwohl er sie
ständig belügt. Er tut es allerdings, um sich und sie zu schützen. Es gibt also
offenbar manchmal auch Situationen, in denen gelogen werden darf. Jedenfalls
suggeriert dieser Film diese Scheingewissheit zwei Stunden lang. Wenn auch der
Zuschauer die Botschaft unbewusst aufnimmt, so bleibt doch Audrey Hepburn als
Charakter bis zum Schluss fest. Sie macht eine wichtige Erfahrung: nicht jeder,
der wie ein Lügner erscheint, ist böse. Das Spiel Cary Grants mit den Identitäten war
notwendig, um die wirklich Bösen zu identifizieren.
Schließlich bekommt Audrey Hepburn den Mann,
den sie liebt, obwohl er sie immer wieder „belogen hat und voller Geheimnisse" war.
Ihr erster Mann war ein böser
Lügner, ihr neuer Mann ist ein guter Lügner.
[1]
Eine ironische Pointe des Films ist, dass Cary Grant bei der ersten Begegnung in Megeve mit dem kleinen Jean-Louis ankommt und erzählt, dass er "was throwing snowballs at Baron Rothschield".Der kleine Junge, der später im Zusammenhang mit den
gestohlenen Millionen, die schließlich in Form seltener Briefmarken auftauchen,
eine Rolle spielt, fällt mehrmals als „gewalttätig“ auf. So zielt er, versteckt
hinter einer Tür, gleich am Anfang auf Reggie mit einer (Wasser-) Pistole. So stimmt
der Film den Zuschauer gleich auf das Thema ein: es geht hier um einen „Thriller“,
bei dem es Tote geben wird. Zunächst aber entpuppt sich die Pistole als
Spielzeugpistole und Audrey Hepburn wird nur ein bisschen nass.
[2]
https://en.wikipedia.org/wiki/Charade_(1963_film). Hier kann man den ganzen Film im Original sehen.
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