An Ostern hatte 3SAT mehrere
Filme von Billy Wilder gezeigt, nicht aber „Ariane“. Ich habe nur zwei
angeschaut: am Ostersonntagnachmittag „One, Two, Three“. Dabei bin ich
allerdings nach einer Weile eingeschlafen und bekam dann nur noch das Ende mit.
Am Ostermontagabend nach der Tagesschau die herrliche Satire „The Front Page“
(Extrablatt) aus dem Jahre 1974 mit dem köstlichen „Odd couple“ Walter Matthau
und Jack Lemmon. Lena und Claude, die beide nicht so gut in der deutschen
Sprache bewandert sind, konnten den witzigen Dialoggefechten nicht folgen und
kapitulierten. So saß ich nach einer Weile allein vor dem Fernseher und schaute
mir den herrlichen Film, den ich erst vor ein paar Jahren zum ersten Mal
gesehen hatte, wieder an.
Ich hätte auch gerne „Sabrina“
mit der schönen Audrey Hepburn und dem alt gewordenen Humphrey Bogart am
Ostersonntagabend angeschaut, aber ich habe für meinen französischen Gast Claude, der absolut kein "Filmgucker" ist, darauf verzichtet. Dabei ist er neben „Ariane“ mein
zweiter Lieblingsfilm von Billy Wilder mit der engelsgleichen Audrey Hepburn.
Ich habe ja beide auf DVD und kann sie jederzeit anschauen.
3SAT strahlte am Ostermontagnachmittag
zwei deutsche Karl-May-Filme von Billy Wilders Kollegen und Freund Robert
Siodmak aus, die dieser in der Mitte der 60er Jahre für die CCC-Studios des deutschen
Filmproduzenten Artur Brauner gedreht hatte: „Der Schatz der Azteken“ und „Die
Pyramide des Sonnengottes“ (beide 1965).
Ich hatte die Filme vor mehr als
fünfzig Jahren einmal im Kino gesehen, wie alle Karl-May-Filme, vermutlich
nicht nur einmal, und konnte mich gut an die Szenerie, die Stimmung und die
Musik erinnern. Mich störte damals überhaupt nicht das offensichtlich
„Zusammengestückelte“ des Films, der, wie ich aus dem „Karl-May-Magazin“
erfuhr, unter enormen Zeitdruck an drei verschiedenen Drehorten (Jugoslawien,
Spanien, Berlin) entstanden ist.
Normalerweise schaue ich mir die
alten Karl-May-Filme deshalb nicht mehr im Fernsehen an, weil durch meinen
inzwischen kritischen Geist die schöne kindliche Illusion zerstört wird. Aber
am Ostermontag machte ich eine Ausnahme. Eigentlich wollte ich einen
Mittagsschlaf machen und schaltete nur eher zufällig den Fernseher ein. Da begann gerade der erste
Film des Zweiteilers, und ich blieb mit wachsendem Interesse dran. Ich
versuchte den Film mit meinem damaligen Bewusstsein und gleichzeitig mit meinem
jetzigen Bewusstsein anzuschauen. Die im Film „versteckten Botschaften“ hat ja
die jugendliche Seele unbewusst durchaus aufgenommen, aber ich kann sie mir
jetzt erst bewusst machen.
Zu diesen Botschaften gehört zum
Beispiel, dass dieser Karl-May-Film mich zum ersten Mal mit der
mittelamerikanischen Hochkultur der Azteken bekannt machte. Natürlich wäre es
falsch, jene geradezu europäisch aussehenden Film-Azteken mit den historischen
zu identifizieren. Die Aztekenprinzessin Karja und ihr Großvater, der letzte
Hüter des Aztekenschatzes Flathouani, ein Nachkomme des Montezuma, sind im Film reine Phantasiefiguren, die sich
vage auf Figuren aus einigen Karl-May-Romanen stützen. Aber das waren wir ja
schon von dem im Phantasie-Nordamerika des sächsischen Erzählers spielenden Apachen-Häuptling
Winnetou gewohnt. Darauf kam es nicht an.
Immerhin kommt in beiden Filmen,
insbesondere im zweiten, eine ziemlich echt aussehende, aber in Wirklichkeit in
Jugoslawien nachgebaute Aztekenpyramide vor. Das Innere dieser Pyramide, in dem
am Ende des zweiten Teils die „Teufelin“ Josefa, die alle Männer verführt, ihr
schreckliches, aber in der Filmlogik der damaligen Zeit verdientes Ende findet,
ist wieder reine Film-Phantasie und erinnert an andere Gruselfilme jener Jahre
aus den CCC-Studios.
Auch der fiktive Goldschatz der
Azteken, um den sich die ganze Handlung der zwei Filme – ähnlich wie bereits im
ersten Karl-May-Film der Serie, „Der Schatz im Silbersee“ (1962) – dreht, ist
reine Phantasie, allerdings in Anlehnung an einige Stilelemente der
mittelamerikanischen Hochkultur.
Im Bauchbereich der mittleren
Statue, die entfernt an ein Kreuz erinnert, ist ein Totenkopf aus Gold zu
sehen. Darüber, auf Haupteshöhe, glotzt ein menschenähnlicher Götterkopf aus
grünen Edelstein-Augen in die Höhle. Rechts und links der zentralen Stele
liegen noch zwei weitere Götterköpfe, die wie durch ein Erdbeben von der Statue
abgefallen zu sein scheinen.
Mich erinnert das Arrangement des
Schatzes an die „Gruppe“ von Rudolf Steiner und Edith Maryon, die für das erste
Goetheanum geschnitzt wurde und den „Menschheitsrepräsentanten“ zeigt, der das
Gleichgewicht zwischen den beiden Widersachermächten Luzifer und Ahriman halten
kann, nur dass der Bühnenbildner Otto Pischinger hier mit mittelamerikanischen
Stilelementen gearbeitet und alles mit falschem Gold überzogen hat.
Im entfernten soll diese Statue vielleicht
an den Aztekischen Kriegsgott „Vitzliputzli“ (Huitzilopochtli) erinnern, der im Film
durch den schein-gebildeten, durch Mexiko reisenden schwäbischen
Kuckucksuhrenvertreter Hasenpfeffer, der
in seinem „Konfirmationslexikon“ die Namen der Götter nachschlägt und an einer Stelle einmal von dem "Metaphysischen" dieser Kultur redet, Erwähnung
findet.
War beim „Schatz im Silbersee“
der Indianerschatz in einer unzugänglichen Höhle an einem See gelegen, so
befindet sich der Schatz der Azteken drei Jahre und viele Karl-May-Filme später
in einem Vulkan. Statt Wasser kommt hier das Gegen-Element Feuer zum Einsatz.
Die Handlung spielt im Jahre
1864, also exakt hundert Jahre, bevor Artur Brauner die Produktion in Auftrag gab.
Die Hauptfigur ist der deutsche Arzt und Diplomat – man könnte auch sagen:
Spion – Dr. Karl Sternau, der im Auftrag von Reichskanzler Otto von Bismark
durch Mexiko reist (wo er schon früher war und viele Freunde gefunden hat), um
dem entmachteten rechtmäßigen zapotekischen
Präsidenten Benito Juarez gegen die Franzosen zu unterstützen, die in dem Staat
um diese Zeit ein von Kaiser Napoleon III. eingesetztes Marionetten-Regime
unter dem jüngeren Bruder Kaiser Franz-Josefs, Erzherzog Maximilian von
Österreich (1832 – 1867), installiert haben. Der edle deutsche Held, der in den
beiden Filmen von dem amerikanischen Old-Shatterhand-Darsteller
und Hünen Lex Barker (1919 – 1973) gespielt wird, schreitet an manchen Stellen
des Films mit seinem schwarzen Hut wie Gary Cooper als Town-Marshall Willi Kane
in „High Noon“ (Zwölf Uhr mittags, 1952) durch die schein-mexikanische
Landschaft.
Eine weitere Hybrid-Figur des
Films ist die „komische Person“ Andreas Hasenpfeffer „aus Plochingen am schönen
Neckarstrand“. Der aufschneiderische Schwabe mit dem falschen Schwäbisch wird
von Ralf Wolter gespielt, der wie Lex Barker und Rik Battaglia, der wieder den
sadistischen Bösewicht mimen darf, zum gewohnten Karl-May-Inventar gehört. Der
Berliner Schauspieler, der bereits vor der Karl-May-Film-Reihe in dem
Billy-Wilder-Film „One, Two, Three“ (Eins zwei drei, 1961), Hollywood-Erfahrung
sammeln und einen glatzköpfigen sowjetischen Agenten spielen durfte, wurde 1962
von Harald Reinl im „Schatz im Silbersee“ als kauziger Westmann Sam Hawkens
eingesetzt, den er neben dem trotteligen und eitlen Hadschi Halef Omar in den
Orientabenteuern immer wieder in den Winnetou-Filmen verkörpern durfte. Es war seine Standard-Rolle, die ihm auf den
Leib geschrieben zu sein schien, und aus der er nicht mehr herauskam, ähnlich
wie Pierre Brice, der ewige Winnetou-Darsteller, der in anderen Rollen immer hinter seinem „Mythos“ verblasste.
Den Typus des Möchtegern Helden
und Angsthasen, der aber ab und zu doch als „Deus ex Machina“ ganz nützlich ist,
verkörpert Ralf Wolter in den beiden Mexiko-Filmen in der altbekannten Manier
und bringt dadurch zusammen mit seinen Kuckucksuhren „echt deutschen Humor“ ins ferne Mexiko.
Im Film gibt es zwei Figuren, die
wie Bild und Gegenbild aufgebaut sind: Der Vater der schönen Rosita Arbellez,
der Hazienda-Besitzer Don Pedro Arbellez (Hanns Nielsen) trägt den Namen des
Apostels Petrus, der zwielichtige Vater der „Teufelin“ Josefa den Namen Paolo,
hinter dem sich der Apostel Paulus versteckt.
In diesem Motivzusammenhang muss
auch die Aztekenprinzessin Karja genannt werden, die sich in den Spieler und
Verführer Graf Alfonso (Gerard Barray) verliebt und die mit dem Aztekenschatz,
den ihr mit einem Azteken gezeugter zukünftiger Sohn erben soll, am liebsten dem
gestürzten Präsidenten Benito Juarez schenken würde, verehrt nicht nur,
angetrieben von ihrem Großvater, den sie „Meister“ nennt, die alten heidnischen
Götter, sondern als moderne junge Aztekin auch die neue, christliche Göttin,
die Heilige Maria von Guadalupe, vor deren Grotte sie einmal lange betet.
Diese Maria wiederum kann als die
Gegenspielerin zu Josefa gesehen werden, die das eigentliche Böse in dem Film
verkörpert, die „Teufelin“. Dass sie ausgerechnet den Namen des biblischen
Zimmermanns Josef trägt, der als Vater von Jesus verehrt wird, obwohl er das
laut katholischer Sichtweise im wörtlichen Sinne gar nicht war, ist bestimmt
kein Zufall.
Ich weiß nicht mehr, ob diese
vier biblischen Namen schon in den entsprechenden Romanen des gläubigen
Christen Karl Mays vorkommen, da ich die Bände vor sehr langer Zeit zuletzt
gelesen habe, aber ich vermute es.
Solche Namen in einem fiktiven
Abenteuer sind genauso wenig wie der Name Sternau, der an
die Sterne erinnert, an denen sich die mittelamerikanischen Kulturen stark
orientierten, bestimmt keine Zufälle, sondern „transportieren“
unterschwellige Botschaften.
Sternau, der männliche Held,
steht also zwischen zwei Vaterfiguren: der eine (Pedro) ist gut, der andere
(Paolo) böse. Auch Karja, die weibliche Heldin, steht zwischen zwei Frauenfiguren,
die eine (Maria) ist lieb, die andere (Josefa) böse. Hier hat das Autorentrio Georg
Marischka, Robert A. Stemmle und Ladislas Fodor versucht, die Geschichte an literarische
Vorbilder anzulehnen, wie es Schriftsteller gerne tun. Die Germanisten sprechen
dabei von mythischen Konnotationen.
Auch wenn es sich hier um keine „hohe
Literatur“ handelt, hört doch die jugendliche Seele solche Namen und wird in
der Tiefe von den Figuren positiv oder negativ beeinflusst. Josefa wird unbewusst
also immer eine zwar hübsche, aber gefährliche und abgrundtief böse Frau bleiben,
genauso wie ihr alles andere als edler Vater Paolo eine rauchende,
ungewaschene, zwielichtige Person.
Diese Bilder und ihre
Konnotationen prägen sich der jugendlichen Seele tief ein, natürlich vollkommen
unbewusst, genauso wie die Karikatur der Menschheitsgruppe, die in der beeindruckenden
Aztekenstatue, wie besprochen, mehrmals ins Bild gesetzt wird.
Mit diesen Mitteln werden junge
Seelen in eine falsche Richtung gelockt und können sich natürlich nur noch sehr
schwer den echten Wahrbildern annähern, die ihnen im Leben vielleicht auch einmal
begegnen. Aberglaube übernimmt die Rolle des echten Glaubens, bei vielen jedoch
eher eine grundsätzliche Abwendung vom Glauben. Wenn Josef und Paulus „böse“
sind, warum sollte man dann die Geschichten der Bibel überhaupt studieren. Dann
glaubt man doch lieber an den Maya-Kalender oder die Marienerscheinungen in Guadalupe.[1] Das ist auch nicht
schlecht, da sich auch darin spirituelle Wahrheiten verstecken. Auch das
Interesse an den mittelamerikanischen Kulturen ist durchaus berechtigt, nur
muss man es geistig in den richtigen Zusammenhang stellen, was die Autoren des
Films natürlich nicht tun.
Rudolf Steiner weist in seinen Vorträgen
aus dem Jahr 1916 („Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis
des 19. Jahrhunderts“, GA 171) darauf hin, dass der Azteken-Gott Toatl, der mit
dem „Großen Geist“ identifiziert wurde, in Wirklichkeit eine ahrimanisch
gewordene geistige Wesenheit aus der alten Atlantis war, die Menschenopfer
forderte.[2] Das Herausschneiden des Magens
des gefangenen Feindes auf der Spitze einer Pyramide zu bestimmten kosmischen
Konstellationen war in Wirklichkeit ein schwarzmagisches Ritual, durch das die
aztekischen Priester eingeweiht wurden und über ihr Volk herrschen konnten.
Am 18. September 1916
enthüllte Rudolf Steiner seinen Zuhörern in einem Vortrag eine geistige
Tatsache, die man, wie er sagt, nur mit Geistes-Organen wahrnehmen kann. In
diesem spricht er von einem aztekischen Helden, der den Namen Vitliputzli trug.
Es war kein Gott, sondern ein Kämpfer gegen den größten Schwarzmagier
Mittelamerikas (GA 171, S 62).
Dieser Kampf führte zur
Kreuzigung des Schwarzmagiers in Mexiko. Und diese Kreuzigung soll laut
Geistesforschung, gleichsam wie ein Gegenbild der zum gleichen Zeitpunkt auf
dem Hügel von Golgatha in Jerusalem stattgefunden Kreuzigung, gegenüberstehen.
Wir erfahren, dass der böse
Kriegsgott Vitzliputzli, wie ihn Heinrich Heine in seinem Gedicht aus dem
ersten Buch seines Geschichtsepos „Romanzero“ (1851) nennt, in Wirklichkeit
kein Gott und nicht böse, sondern ein menschlicher Held und gut war.
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