Gestern sah ich auf Arte die
erste Hälfte des Costa-Gavras-Film „Compartiment Tueurs“ (Mord im Fahrpreis
inbegriffen) aus dem Jahre 1965. Der Debut-Film des französisch-griechischen
Regisseurs wurde mit großem schauspielerischen Aufwand hergestellt: neben Yves
Montand, der in vielen Filmen Costa-Gavras mitspielt, sind auch seine Frau
Simone Signoret und der später berühmt gewordene Michel Piccoli in einer eher
unsympathischen Rolle zu sehen.
Es wurde mir schnell klar, dass
in „Compartiment Tueurs“ „schöne Frauen“ und „sexuelle Lust“ als mögliches Motiv
des Mordes im Zugabteil thematisiert wurden. Dabei spielte der „junge“ Michel
Piccoli überzeugend den sexuell verklemmten Mann, der versucht hatte, sich im
Zug an das Opfer, das ihn durch Blicke dazu aufgefordert zu haben schien,
heranzumachen, dabei aber „abblitzte“.
Michel Piccoli spielte in dem zweiten
Costa-Gavras-Film „Un homme de trop“ (Ein Mann zu viel) aus dem Jahr 1966, der
am Montagabend auf Arte lief und von einer Resistance-Gruppe handelt, die zwölf
ihrer Mitglieder, die von Deutschen im besetzten Frankreich gefangen und
inhaftiert worden waren, mit hohem Aufwand von Gewalt befreit, jenen „Mann zu
viel“, der als dreizehnter mit befreit wird.
Ich habe mir auch von diesem Film
nur den Anfang angeschaut. Irgendwie „kam“ ich in die beiden Filme nicht „hinein“.
Ganz anders war es in einem
anderen Costa-Gavras-Film, den ich erst vor kurzem sah: ich meine den Film „Missing“
(Vermisst) aus dem Jahre 1982, der einen wahren Fall während des
Militärputsches 1973 in Chile schildert.
„Compartiment Tueurs“, Costa-Gavras
erster Film, war ein reiner Krimi, während seine späteren Filme dem Genre des „Polit-Thrillers“
zugerechnet werden, weil sie oft Menschen zeigen, die in die Machenschaften
diktatorischer Regimes geraten, wie in „Z“ (1968), der die griechische
Militärdiktatur behandelt, in „L’Aveu“ (1970), der sich gegen den Stalinismus
in der Tschechoslowakei wendet und in „Etat de Siege“ (Der unsichtbare Aufstand)
aus dem Jahre 1972, der sich mit der Militärdiktatur in Uruguay beschäftigt. Ich
habe alle drei Filme vor längerer Zeit gesehen. Costa-Gavras war von 1982 bis 1987 Leiter der „Cinematheque
Francaise“ in Paris, in der zum Beispiel Wim Wenders während seiner Pariser
Jahre „Film studiert“ hat, und ist es seit 2007 wieder.
Der Film „Compartiment Tueurs“
entstand nach einem Roman von Sebastien Japrisot aus dem Jahr 1962. Japrisot,
der 1953 den Roman „The Catcher in the Rye“ von J.D. Salinger ins Französische
übersetzt hat, und selbst Filme gedreht hat, ist offenbar einer der
beliebtesten Krimi-Autoren Frankreichs. Aus seiner Feder stammt auch die
Vorlage zu den Filmen „L’ete meurtrier“ (Ein mörderischer Sommer, 1983), den
ich bereits besprochen habe, und „Un long dimanche de fiancailles“, (Mathilde –
eine große Liebe, 2005), zwei Filme, die ich gesehen habe.
Am Dienstagabend lief auf 3SAT
der Film „Bitter Moon“ von Roman Polanski, den ich einst (1993) mit Veronica im
Kino gesehen habe. Der Film nach dem Roman „Lune de Fiel“ von Pascal Bruckner
behandelt das Thema Sexuallität auf ziemlich deprimierende Art und Weise. Der
Titel spielt auf den englischen Begriff „Honey Moon“ oder den französischen „Lune
de Miel“ für „Flitterwochen“ an und zeigt ein Gegenbild zu dieser in der Regel „süßen“
Zeit, das eben „bitter“ ist.
Bruckner, ein französischer Autor
mit jüdischen Wurzeln, hat sich zusammen mit Alain Finkielkraut 1977 in dem
Buch „Le nouveaux desordre amoureux“ (deutsch 1979 unter dem Titel „Die neue
Liebesunordnung“) vor allem mit den Theorien Wilhelm Reichs auseinandergesetzt,
die zur „Sexuellen Revolution“ in den 60er Jahren führte, ein Thema, das mir
immer wieder begegnet.
Für mich gibt es drei
Gegenangriffe auf die von den Menschen zu entwickelnden höheren Kräfte
Imagination, Inspiration und Intuition. Der erste fand 1896 mit der Erfindung
des Kinos statt, der zweite folgte exakt 33 Jahre später mit der Einführung des
Tonfilms im Jahre 1929 durch den Film „The Jazz-Singer“ und der dritte eben
wieder 33 Jahre später (1962) mit der „sexuellen Revolution“.
Im Grunde sind die Romane von
Jaspirot und von Bruckner literarische Auseinandersetzungen mit dieser
sexuellen Freizügigkeit, die zum „sozialen Chaos“ der Gegenwart beigetragen hat,
das wir als Lehrer von Kindern aus sogenannten „Patchworkfamilien“ oder von „alleinerziehenden
Müttern“ täglich erleben.
Die Verfilmungen der Romane verstärken
den Effekt noch, denn Darstellerinnen wie Isabelle Adjani in „L’ete meurtrier“
oder Polanskis dritte Ehefrau Emmanuelle Seigner aus „Bitter Moon“ haben auf
Männer durchaus eine aufreizende Wirkung. Wie anders ist es bei den durchaus
schönen Frauen aus muslimischen Ländern, die ihre Haare unter Kopftüchern
verstecken und nie körperbetonte Kleider tragen. Sie haben eine ganz andere
Ausstrahlung als jene Frau, die sich im engen kurzen Rock im Schlafwagenabteil
des Zuges aus „Compartiment Tueurs“ auf ihrer Liege hin und her dreht und den
armen Michel Piccoli ganz verrückt macht mit ihren hübschen nackten Beinen. Oder
wie Isabelle Adjani in „L’ete meurtrier“ die allen Männer des Dorfes, in dem
sie lebt, den „Kopf verdreht“, ähnlich wie Brigitte Bardot in dem
Roger-Vadim-Film „Et Dieu crea la femme“ (Und immer lockt das Weib), einem
frühen und damals skandalträchtigen Vertreter des Genres aus dem Jahre 1957,
der ebenfalls vor einigen Monaten auf Arte gezeigt wurde.
Den Höhepunkt der Gefahren der
Beziehung zwischen Mann und Frau, wenn sie sich nur noch auf die Sexualität
beschränkt und damit zu einem wahren „Geschlechterkampf“ ausartet, der tödlich
endet, ist mit Sicherheit „Bitter Moon“ von Roman Polanski.
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