Sonntag, 29. Januar 2017

Das "Blutsprinzip" - Gedanken zum geistigen Hintergrund des zweiten Teils der Mafia-Trilogie "Der Pate" von Francis Ford-Coppola (1974)



„Der Pate, 2. Teil“, den Arte gestern (29.01.2017) ausstrahlte, ist ein Film, der als einer der besten aller Zeiten gilt. Meine russische Freundin, die am vergangenen Sonntag schon den ersten Teil mit mir ansah, hat auch den zweiten Teil mit mir angesehen. Sie erzählte mir, dass die Mafia-Trilogie von Francis Ford-Coppola in den 80er Jahren auch in den sowjetischen Kinos gezeigt wurde und viele Russen zur Nachahmung angeregt habe. So entstand in der zerfallenden Sowjetunion eine eigene Spielart der Mafia, die „rote Mafia“.
Am interessantesten fand ich die Film-Figur des jüdischen Mafia-Bosses Hyman Roth, die dem echten Mafia-Boss Meyer Lansky nachempfunden ist. Die Rolle hatte Coppola mit Lee Strasberg besetzt, dem berühmten Chef der New Yorker Schauspielschule, bei der unter anderem Marlon Brando das sogenannte „Method Acting“ erlernte. Lee Strasberg ist ein gebürtiger Österreicher und heißt eigentlich Israel Strassberg. Er war also Jude und lebte von 1901 bis 1982.
Die Rolle, die er in dem Film als böser Gegenspieler von Michael Corleone, dem Chef des mächtigsten sizilianischen Mafiaclans, spielt, geht mir jetzt noch nach, so intensiv war das Spiel des bereits 73jährigen Strasberg. Im Film flüstert er Michael in einer Szene ins Ohr: „Wir sind mächtiger als US-Steel“. Das sagt alles und ist wahr.
Wie in dem Film „Havanna“ tritt der jüdische Mafia-Boss während der Neujahrsfeierlichkeiten des Jahreswechsels 1957/58 auf, an dem der Umsturz durch die Revolutionäre Fidel Castros und der Fall des korrupten Präsidenten Battista stattfand, der aus dem Land ein einziges Spielcasino und Bordell gemacht hatte.
Lee Strasberg war auch der Lehrer von Al Pacino, der Michael, den jüngeren Sohn des Paten Don Vito, im ersten Teil von Marlon Brando gespielt, darstellt, und von Robert de Niro, der den jungen Aufsteiger Vito im zweiten Teil spielt.
Was für ein Name: Michael!
Der Film zeigt also in gewisser Weise einen modernen Michael, der mit den Mitteln der sizilianischen Clans gegen das Böse in Gestalt des Chefs der jüdischen Clans kämpft: Dahinter steht der Mythos des Kampfes Michaels mit dem Drachen.
Ich denke, dass Coppola diesen mythischen, oder sagen wir besser: geisteswissenschaftlichen Hintergrund bewusst gewählt hat: Michael gegen Israel (Strassberg).
Michael Corleone sollte nach dem Willen des Vaters eigentlich gar nicht in die Geschäfte der Familie eingebunden werden, wie im ersten Teil gezeigt wurde. Er war während des Zweiten Weltkrieges Soldat in Deutschland und wollte anschließend auf dem College studieren, also einen ganz anderen Weg einschlagen. Erst nach der Ermordung seines älteren Bruders Santino (James Caan), dem Nachfolger Don Vitos, steigt er „ins Geschäft“ ein.
Dabei zeigt er sich als ein ganz besonders harter Vertreter der Familie und des Gesetzes der Omerta. Die Familienehre, die den sizilianischen Clans im Blut zu stecken scheint, ist ihm nun das höchste Gebot. So bricht für ihn eine Welt zusammen, als ihm seine Frau Kay (Diane Keaton) eröffnet, dass sie das dritte von ihm empfangene Kind, einen Sohn, abgetrieben habe, weil sie nicht noch einen weiteren Teufel auf die Welt bringen wollte, und ihn dann verlässt.
Der religiös-spirituelle Hintergrund des Films wird deutlich, als der Erzieher des ältesten Sohnes von Michael ihm beim Angeln sein Geheimnis verrät, warum er immer die größten Fische fängt. Er sagt, das komme davon, dass er immer vorher bete. Das ist eine der letzten Szenen des zweiten Erzählstranges des Films, der mit der Kommunion des gleichen Sohnes in der Sierra Nevada im Jahre 1957 einsetzt. Der erste Erzählstrang setzt im Jahre 1901 (Geburtsjahr von Lee Strasberg) ein, als der neunjährige Vito miterleben muss, wie seine Mutter von einem sizilianischen Clan-Boss vor seinen Augen erschossen wird.
Es ist eine blutig-archaische Gesellschaft, die hier im Jahre 1974 vorgeführt wird. Es wird in erschreckender Offenheit gezeigt, wohin das Festhalten an den Blutsbanden führt.
Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, dass das „Blutsprinzip“ in unserer Zeit überwunden werden und einem neuen, freien Prinzip der Gemeinschaftsbildung Platz machen muss, das ein geistiges ist. Im Grunde hat schon das Neue Testament auf diesen Wechsel hingewiesen, indem es in Johannes dem Täufer einen Juden auftreten lässt, der das Blutsprinzip bewusst durchbricht, indem er die Menschen tauft und sie dadurch aus dem Geiste heraus neu geboren sein lässt. Es sind aber neben den erzkatholischen Sizilianern vor allem die Juden, die "stur" am Blutsprinzip festhalten. Dafür steht Hyman Roth, der schon durch seinen Namen auf die Farbe des Blutes hinweist.

Der Film zeigt die Tragik, die der Zwiespalt in der Seele Michael Corleones bedeutet, der sich eigentlich vom Blutsprinzip lösen will, aber es nicht kann, weil das Blut in ihm noch zu stark wirkt. 

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