Sonntag, 6. November 2016

Das böse Spiel unedler Adliger im Frankreich vor der Revolution - Milos Formans "Valmont" aus dem Jahre 1989


Gestern Abend (06.11.16) habe ich den Milos-Forman-Film „Valmont“ (USA 1989), eine der beiden fast gleichzeitigen Verfilmungen des Briefromans „Gefährliche Liebschaften“ (Les Liaisons Dangereuses) von Choderlos de Laclos aus dem Jahre 1782 auf Arte angeschaut. Das durch und durch unmoralische Buch gilt als eines der Hauptwerke der klassischen Literatur Frankreichs und belegte 1999 den ersten Platz bei der Wahl der zwölf besten Bücher Frankreichs durch die Mitglieder der Academie Goncourt.
Der Film ist verführerisch gut besetzt mit dem jungen Colin Firth als Verführer Valmont, der hübschen Annette Bening als skrupellose Intrigantin Madame de Merteuil und der jungen Fairuza Balk als naivem Mädchen Cecile.
Der ganze Film und seine Beteiligten haben in Anlehnung an den Roman nur ein Ziel: der 15-jährigen Cecile noch vor der Hochzeit mit dem Grafen Gercourt die Jungfräulichkeit zu rauben und parallel dazu die verheiratete Madame de Tourvel vom Tugendweg abzubringen. Beide Intrigen gelingen. Dabei ist die besondere Pointe des Films von Forman, dass der Graf, ohne es zu wissen, am Ende eine schwangere Frau heiratet. Diese Abweichung vom Roman ist nicht ohne böse Ironie.
Überhaupt ist der Film, der, von der Musik der Barockzeit begleitet, in ausgesucht schönen Bildern von französischen Schlössern schwelgt, voller böser Ironie und geradezu diabolischer Kabale. All die schönen Menschen haben es nur darauf abgesehen, die Moral und hergebrachte Sittlichkeit des Zeitalters genüsslich zu zerstören. Dieses Spiel des Advocatus Diaboli hat schon der Romanschreiber betrieben und es ist der menschlichen fleischlichen Schwäche geschuldet, dass die „Verführungskünste“ auch an ihr verderbliches Ziel gelangen können. Das Sittengemälde zeigt dadurch, wie schwach inzwischen die menschliche Moral im dekadenten Frankreich des Ancien Regime gewesen ist.
Heute ist von Tugend, Sittsamkeit und Moral überhaupt nichts mehr übrig. Unsere „permissive“ Gesellschaft lebt nach dem Prinzip: erlaubt ist, was Spaß macht. So wirbt die Elektronik-Kette Media Markt seit einem Jahr mit dem Slogan „Hauptsache Spaß“ und verunglimpft in einem neuen Werbespot alle Menschen, die gesund leben wollen. Diese Werbestrategie, die einmal mit dem Slogan „Ich bin doch nicht blöd“ begann und dann mit dem noch populäreren Slogan „Geiz ist geil“ fortfuhr, greift in eindeutiger Absicht die materialistische Einstellung der Konsumenten auf, die nur noch einen einzigen Wert kennen: das „Schnäppchen“ muss „billig“ sein.
Beigetragen zu diesem Wertverlust hat in gewisser Weise auch das Kino. Darüber ließe sich ausführlich philosophieren. Ich sehe in den beiden Verfilmungen des Romans von Choderlos de Laclos in den Jahren 1988 und 1989, also kurz vor der friedlichen Revolution in Deutschland und dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion und ihrer Satelliten eine geniale Metapher für den Zustand unserer Welt: alle Werte werden, wie damals vor der französischen Revolution, auf den Prüfstand gestellt. 1989 sind es die Ideale des Sozialismus, die nicht mehr tragen, zumindest nicht in den Ländern, in denen er als ursprüngliches Ideal galt.

Der Film „Valmont“, von Milos Forman, einem genialen Filmregisseur mit jüdischen Wurzeln aus der ehemaligen Tschechoslowakei, zeigt in wunderschönen Bildern die Dekonstruktion einer alten Welt. Aber was stellt er an die Stelle des Alten? Die Ideale der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Ich sehe nichts davon in dem Film. Genauso wenig wie in der anarchistischen Komödie „Viva Maria“ von Louis Malle. Ist das die Mission des Kinos: alle Hoffnung auf eine bessere Welt fahren zu lassen? Hauptsache zwei Stunden Spaß? Und Hauptsache, das Publikum zahlt für diese zwei Stunden der Ablenkung die "Eintrittskarte"?

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