Ich soll nächste Woche bei meinen Flüchtlingen „Geschichte“ im Rahmen des Orientierungskurses „Leben in Deutschland“ unterrichten. In dem Buch aus dem Klett-Verlag („60 Stunden Deutschland“) beginnt das zweite von drei Modulen, „Geschichte und Verantwortung“ mit dem Thema „Nationalsozialismus und seine Folgen“. Von den 16 Seiten dieses Moduls sind allein sechs Seiten diesem Thema gewidmet, die restlichen zehn Seiten den beiden anderen Themen des zweiten Moduls, „Geschichte Deutschlands nach 1945“ und „Leben im wiedervereinigten Deutschland und in Europa“.
Innerlich wehre ich mich dagegen,
das Thema Nationalsozialismus ohne den Zusammenhang mit der Vorgeschichte zu behandeln.
Überhaupt widerstrebt es mir, die Deutsche Geschichte auf die zwölf Jahre des „Dritten
Reiches“ zu verkürzen. Das kann nur in der üblichen oberflächlichen Weise geschehen,
die dem schwierigen Thema nicht angemessen ist.
Die Frage, wie ein Kulturvolk in die
Barbarei verfallen kann, bleibt dabei unbeantwortet. Das kann man aus heutiger Sicht
nicht verstehen. Waren die deutschen Betreiber der „Judenvernichtung“ alle irre,
geistig verwirrt? Dagegen spricht die aufwendige rationale Organisation bei der
Errichtung der Konzentrationslager, die ja ursprünglich als „Arbeitslager“ für „volkszersetzende
Elemente“ geplant waren, beziehungsweise als Internierungslager für Kriegsgefangene.
Immerhin hatte der Präsident der 1929 gegründeten jüdischen Organisation „Jewish
Agency“, Chaim Weizmann, im September 1939 erklärt, „dass die Juden in aller Welt
auf der Seite Englands kämpfen würden“.[1] Warum sollte
Hitler nicht dürfen, was Theodor Roosevelt nach dem Angriff auf Pearl Harbour in
Amerika tat? Er internierte alle Japaner, die in Amerika lebten, zwischen 1941 und
1945 in Kriegsgefangenenlagern.
Als „volkszersetzend“ bezeichneten
die Nationalsozialisten vor allem Kommunisten und Juden, die in den Augen vieler
Deutscher identisch waren. Es war nach den Erfahrungen mit den „Spartakisten“, die
1919 versuchten, im besiegten Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine kommunistische
Räterepublik nach sowjetischem Vorbild zu installieren[2], zumindest
nachvollziehbar. Diese Menschen sollten für die Zeit des Krieges in Arbeitslagern
weggesperrt werden, weil die Nazis nicht wollten, dass sie im Untergrund gegen den
Staat „intrigierten“. Dass es dabei viele Unschuldige traf, die einfach nur ihrem
Beruf als Arzt oder Schauspieler nachgehen wollten, ist aus heutiger Sicht natürlich
vollkommen ungerechtfertigt. Aber ich kann verstehen, dass die Juden, die in der
Sowjetunion mit Terror ein blutiges Regime errichtet und Millionen Russen ermordet
oder im Gulag eingesperrt hatten, damals als gefährlich angesehen wurden. Ohne den
„jüdischen Bolschewismus“ kann man den Antisemitismus einer großen Anzahl von Deutschen
nicht verstehen, wie Rogalla von Bieberstein deutlich nachweist.
Wenn man die Konzentrationslager als
Folge des Terrors zum Beispiel eines Trotzkis in Russland sieht, dann kann man die Einrichtung
solcher Lager eher verstehen. Bezeichnend für diesen Zusammenhang ist ein Satz,
den der Oberrabiner von Moskau, Jakob Mazeh, zu Trotzki gesagt haben soll: „Die
Trotzkis machen die Revolution, aber die Bronsteins müssen dafür bezahlen“ (Rogalla
von Bieberstein, S 11). Trotzki hieß mit bürgerlichem Namen „Bronstein“. Er wollte
nicht, dass man ihn sofort als Jude erkannte und hat sich deshalb hinter einem Kunstnamen
versteckt.
Dass Adolf Hitler bis 1939 ein durchaus
von großen Teilen des Volkes geliebter und auch vom Ausland respektierter Staatsmann
war, kann man vielen historischen Dokumenten entnehmen, zum Beispiel auch den Privatfilmen
des jungen Wolfgang Wagner aus dem Jahr 1936, die ich vorgestern in „3SAT Kulturzeit“ in Ausschnitten sah. Das Unglück begann 1939, als Hitler Polen „überfiel“, nachdem er monatelang
erfolglos versucht hatte, sich mit der polnischen Regierung über einen „Korridor“
nach Danzig, der deutschen Exklave, zu einigen.
Hitler wollte keinen Krieg, wie immer
wieder behauptet wird. Deutschland steht immer zwischen den Fronten und kann es
sich nicht leisten, einen Krieg zu beginnen. Das Unternehmen ist von vornherein
zum Scheitern verurteilt. Dabei muss man der Gerechtigkeit halber sagen, dass Deutschland
sowohl 1917 als auch 1942 durchaus – trotz hoher Verluste – erfolgreich im Krieg
gewesen ist. Erst als die Amerikaner sowohl am Ende des Ersten, als auch am Ende
des Zweiten Weltkrieges massiv und mit frischen Kräften eingriffen, war das „Dritte
Reich“ zum Untergang verurteilt.
Ich wünsche mir gewiss kein „Drittes
Reich“ mehr herbei und als Nachgeborener bin ich froh, dass ich nicht in einem nationalsozialistischem
Staat aufgewachsen bin, der ja in Wirklichkeit eine Diktatur war. Zudem war der
„Heide“ Hitler ein Gegner des „schwachen“ (nach Friedrich Nietzsche) Christentums.
Das Christentum hatte damals tatsächlich bereits seine ursprüngliche spirituelle
Kraft verloren. Es war in Dogmen erstarrt und versuchte – innerhalb der Kirchen
– die Menschen mit märchenhaften Heilsversprechungen zu lenken, die kein Erwachsener
mehr „glauben“ konnte. Die Kirchgänger beteten nur nach, was ihre Priester vorbeteten.
Christliches Leben ist „Routine“ geworden und spricht immer weniger Menschen an.
Die Erneuerung des Christentums konnten
die Kirchen nicht leisten, weil sie inzwischen selbst nicht mehr verstanden, was
das Christentum in seinem Kern eigentlich ist. Hier hätte nur eine den Materialismus
überwindende Sicht helfen können, wie sie Rudolf Steiner bereits am Anfang des 20.
Jahrhunderts angeboten hat, als er die Schrift „Das Christentum als mystische Tatsache
und die Mysterien des Altertums“ (1901) veröffentlichen ließ.
Gestern brachte das dritte Programm
des Bayerischen Fernsehens einen Abend („Der große Helmut Dietl-Abend“) und eine
Nacht mit Filmen und einem Porträt des am 30. März 2015 verstorbenen Münchner Regisseurs
Helmut Dietl. Ich sah mir den Film „Schtonk!“, den ich erst vor kurzem auf Arte
gesehen hatte, nochmals an und danach das Porträt von Lars Friedrich „Schwermut
und Leichtigkeit. Dietls Reise“ mit Ausschnitten aus Dietls letztem Interview.
Der Film „Schtonk!“ (1992) ist eine
gelungene Satire auf die Leichtgläubigkeit und Oberflächlichkeit unserer Intellektuellen
im Verhältnis zur deutschen Geschichte.
Helmut Dietl greift die Veröffentlichung
der gefälschten Tagebücher durch das Politmagazin „Stern“ am 28. April 1983 auf.
Die Geschehnisse, die inzwischen gut recherchiert sind, kann man detailliert auf
Wikipedia nachlesen. Mich erschreckt, dass in die Prüfung der Echtheit der Tagebücher
und anderer von dem Fälscher Kujau angefertigter Dokumente auch der Stuttgarter
Historiker Eberhard Jäckel verwickelt ist, der die Errichtung eines Holocaust-Denkmals
in Berlin angeregt hat und von der Einzigartigkeit der Massen-Ermordung der Juden
überzeugt ist. Er war einer der Wortführer im sogenannten „Historikerstreit“ 1986/87,
der durch einen Vortrag Ernst Noltes aus dem Jahre 1980, der 1986 noch einmal abgedruckt
worden war, angestoßen worden ist. Ernst
Nolte, der im Prinzip die Argumente zur Erklärung der Verfolgung der Juden vorbringt,
die ich oben angedeutet habe, hat auch das Vorwort zu Rogalla von Biebersteins Untersuchung
„‘Jüdischer Bolschewismus‘ – Mythos und Realität",
Edition Antaios, 3. Auflage 2004, geschrieben. Ich habe den bekannten Historiker
Ernst Jäckel und seinen Assistenten Axel Kuhn während meines Studiums in Stuttgart
gesehen und gehört.
Der Film zeigt, wie eng der Sternreporter
Hermann Wille, gespielt von Götz George, mit ehemaligen Nazi-Anhängern wie zum Beispiel
der Nichte Hermann Görings befreundet war und wie er mit ihr in Kreisen von „Altnazis“ verkehrte,
wo er auch zum ersten Mal von den angeblichen Hitlertagebüchern Kenntnis erlangte.
Die Figur ist angelehnt an den Sternreporter Gerd Heidemann, der tatsächlich
mit der Nichte Görings befreundet war, ebenfalls Kontakte zu ehemaligen Nazis hatte
und sogar die Jacht von Hermann Göring erwarb.
Überhaupt entspricht fast alles, was
der Film zeigt, der Wirklichkeit. Wie lächerlich die Aufregung um die Hitlertagebücher
in den Kreisen von Redakteuren und Verlegern in Wirklichkeit war, zeigt der Film
sehr gut auf. Aber er lässt noch tiefer blicken.
Der Betrug (englisch: Hoax) mit den
Tagebüchern deutet schon darauf hin, dass in der überlieferten Geschichte des Nationalsozialismus
„Fallen“ lauern, in die selbst Historiker vom Kaliber eines Ernst Jäckel hineintreten
können. Die tradierte Geschichte dieser Zeit ist offenbar nicht ganz „koscher“.
So sprach der Verleger Gerhard Mohn,
der von der „Existenz“ der Tagebücher am 29. Juni 1981, seinem 60. Geburtstag, erfuhr,
von „der Sensation des Jahrhunderts“ (siehe: Wikipedia). Peter Koch, der damalige
Chefredakteur des Stern, schrieb im Editorial der Ausgabe vom 28. April 1983: „Die
Geschichte des Dritten Reiches muss teilweise umgeschrieben werden“ (a.a.O.). Er
erwies sich dadurch als „Revisionist“. Denn diese wollen ja nichts anderes, als
die „offizielle“ Geschichte des Dritten Reiches einer Revision zu unterziehen, weil
sie davon überzeugt sind, dass sie nicht der Wahrheit entspricht, also – wie die
falschen Hitlertagebücher – eine „Betrugsgeschichte“ ist, die von den Siegern absichtlich
gefälscht worden sei. [3]
Es gehört offenbar zu den spannenden
Geheimnissen unserer Geschichte, dass sie immer wieder Rätsel aufgibt und dass sie
die Öffentlichkeit spaltet: hier die Guten, die meistens links stehen und dort die
Bösen, die immer rechts stehen. Mit objektiver, sachlicher Geschichtsforschung hat
das nichts zu tun. Alle scheinen mir befangen. Die einen, weil sie bestimmte Fragen öffentlich gar nicht zu stellen wagen, weil sie dadurch Reputation und Karriere aufs Spiel
setzen, die anderen, weil sie bisweilen wie „besessen“ erscheinen von ihren Ideen
und Verfolgung und Bestrafung als Volksverhetzer und Holocaust-Leugner auf sich nehmen,
ohne Rücksicht auf ihre Familie zu nehmen.
Diese Spaltung beobachte ich gegenwärtig
überall in der Welt: Zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Moslems und Juden,
zwischen Russland und Amerika, und schließlich zwischen Demokraten und Republikanern
in den bevorstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahlen.
Überall fehlt die ausgleichende Mitte,
auf die Rudolf Steiner in seinen Ideen von der Dreigliederung des Sozialen Organismus
in vielen Vorträgen unzählige Male hingewiesen hat.
Nur die Mitte kann verbinden, was
durch Gegensätze getrennt wurde.
Das ist die Tragik Mitteleuropas,
dass seine eigentliche Mission, Ausgleich zwischen den Polen zu sein, durch zwei
entfesselte Weltkriege erfolgreich zerstört wurde.
[3] Siehe: Germar
Rudolf, „Holocaust-Revisionismus – Eine kritische geschichtswissenschaftliche Methode“,
Castle Hill Publishers UK, zweite revidierte Auflage, Januar 2016
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