Gestern (21.09.2016) zeigte Arte in einer Live-Übertragung aus der Mailänder Scala Peter Steins Inszenierung von Mozarts Zauberflöte mit Studenten der 2001 gegründeten „Accademia del Teatro alla Scala“ als Solisten. Es war eine ziemlich werkgetreue Inszenierung, die mir gut gefallen hat. Vielleicht hatten die Gesänge der Studenten noch nicht die letzte Perfektion erreicht, aber das gelungene Bühnenbild lehnte sich an die frühen Aufführungen von Mozarts letzter Oper (Uraufführung am 30. September 1791, einen Tag nach Michaeli) an, was mir wie eine wohltuende Abkehr von den sonst üblichen modernistischen Opern- und Theater-Inszenierungen von Klassikern vorkam.
„Die Zauberflöte“ war meine erste
Oper. Ich war ungefähr zehn Jahre alt. Damals hatten meine Eltern noch kein
Fernsehen. Ich weiß noch, wie mich mein Vater mitnahm, um bei unsern Nachbarn die Oper als Fernsehsendung zu sehen. Ich glaube, auch meine
Mutter war dabei. Es war das einzige Mal, dass wir zusammen bei befreundeten
Nachbarn zum Fernsehschauen waren. Ich war
besonders vom Vogelsänger Papageno beeindruckt. Auch die Musik gefiel mir auf
Anhieb. Von der Geschichte verstand ich damals noch gar nichts. Ich habe die
Zauberflöte seitdem mehrmals gesehen, auf der Bühne und im Film (in der Fassung
von Ingmar Bergmann), aber ich habe nie wirklich den roten Faden der Geschichte
verfolgen können.
So volkstümlich die Oper durch ihre eingängige Musik zunächst
erscheint, so ist sie zwar äußerlich ein
Märchen, aber im Kern voller Anspielungen an „Weisheiten“, die am Ende des 18. Jahrhunderts
von den Freimaurer-Logen diskutiert und geübt wurden, in denen sowohl Mozart
als auch sein Freund, der Librettist Schikaneder, Mitglieder waren. Peter Stein
verwendet in seiner Inszenierung, insbesondere im Zweiten Akt, zahlreiche
Symbole der Freimaurer im Bühnenbild. Das gefällt mir.
Die Oper, die gestern, einen Tag
vor der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche, im zweitältesten (nach „La Fenize in
Venedig) und berühmtesten Opernhaus der Welt aufgeführt und von Arte live
übertragen wurde, fällt gerade jetzt in meine persönliche Auseinandersetzung
mit einem guten Freund, der Mitglied im "Grand Orient de France" (GOD), einer der einflussreichsten Logen der westlichen Welt, ist. Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der
Freimaurerei des 18. Jahrhunderts und dem Logenwesen des 20. Jahrhunderts. Etwa seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts betätigen sich Hochgrad-Maurer der westlichen Logen als "Brüder des Schattens" (Heinz Pfeifer).
Es ist weithin bekannt, dass die
drei Ideale der Französischen Revolution, „Liberte, Egalite, Fraternite“ aus
Logen-Zusammenhängen stammen. Die besten Geister der damaligen Zeit wie Lessing,
Wieland, Herder, Goethe und Schiller waren selbstverständlich Mitglieder im
Orden. Auch die meisten Fürsten jener Zeit waren „Brüder“.
Bei Jan Assmann und Florian
Ebeling, Ägyptische Mysterien – Reisen in die Unterwelt in Aufklärung und
Romantik, H.C.Beck, München 2011, lese ich, dass im Schutzraum der Loge vor
allem zukünftige Fürsten „erzogen“ werden sollten. Es war ja so, dass – wie Rudolf
Steiner ausführt – bis zu Kaiser Karl IV. auf den Thronen des Abendlandes nur „Eingeweihte“
saßen und aus ihrer übergeordneten Einsicht heraus regierten. Später wurden
dann die Einweihungen immer oberflächlicher und beschränkten sich schließlich
nur noch auf „symbolische“ Akte.
Homer (Odyssee, 11. Gesang),
Vergil (Aeneis, 6. Gesang), Ovid (Metamorphosen, 10. Buch: Orpheus) und
Apuleius (Der Goldene Esel) berichten in ihren Werken, wie die beiden Autoren
in ihrer Einleitung „Einweihung als Aufklärung“ erläutern, noch von der „verwandelnden
Kraft“ der Einweihung in den Mysterien. Die Fürsten sollten durch die
Einweihung „erleuchtet“ werden und dadurch ihren Aufgaben als Herrscher gerecht
werden. Es ging in den „Mysterien“ um „Leiden und Lernen“ (pathein und mathein).
Durch die Französische Revolution wurde allerdings das Ende der Herrschaft der Aristokraten („Les aristocrates a la lanterne“) und das Zeitalter der „Bürgerlichen Gesellschaft“ („tiers etat“) eingeläutet. Im Inneren der Logen, in der alle Brüder, ob bürgerlich oder adelig, gleich waren, wurde ein Staat im Staate geschaffen, sozusagen der zukünftige Staat, in dem die Verwirklichung der drei Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit vorweggenommen wurde. Nichts anderes war geplant, als das „Himmelreich auf Erden“. So kann es im Zweiten Akt der „Zauberflöte“ heißen: „Wenn Tugend und Gerechtigkeit/ Der Großen Pfad mit Ruhm bestreut,/ Dann ist die Erd ein Himmelreich/ Und Sterbliche den Göttern gleich.“
Durch die Französische Revolution wurde allerdings das Ende der Herrschaft der Aristokraten („Les aristocrates a la lanterne“) und das Zeitalter der „Bürgerlichen Gesellschaft“ („tiers etat“) eingeläutet. Im Inneren der Logen, in der alle Brüder, ob bürgerlich oder adelig, gleich waren, wurde ein Staat im Staate geschaffen, sozusagen der zukünftige Staat, in dem die Verwirklichung der drei Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit vorweggenommen wurde. Nichts anderes war geplant, als das „Himmelreich auf Erden“. So kann es im Zweiten Akt der „Zauberflöte“ heißen: „Wenn Tugend und Gerechtigkeit/ Der Großen Pfad mit Ruhm bestreut,/ Dann ist die Erd ein Himmelreich/ Und Sterbliche den Göttern gleich.“
Assmann und Ebeling führen aus,
dass die Freimaurer des 18. Jahrhunderts ihre Ideale im Verborgenen als „Avantgarde
einer kommenden Welt und im Vertrauen auf deren allmähliche Selbstdurchsetzung“
praktizierten (S. 25) und verweisen auf den Historiker Reinhard Koselleck, der
diesen Prozess als „Pathogenese der bürgerlichen Welt“ deutete.
War die Französische Revolution
in erster Linie das Werk von Freimaurern – alle wichtigen Akteure waren in
Logen organisiert – so ist die Russische Revolution vor allem das Werk von säkularen Juden,
wie Johannes Rogalla von Bieberstein in seiner leider viel zu wenig bekannten
Untersuchung „Jüdischer Bolschwismus“ Mythos und Realität, Edition Antaios,
Schnellroda, 2003 sachlich herausgearbeitet hat.
Rogalla von Bieberstein zitiert
Silke Mertins („Zwischentöne: Jüdische Frauenstimmen aus Israel", Berlin 1992, S. 175f) mit folgender Aussage: „Ich bin damit großgeworden, dass ein jüdischer
Mensch sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, progressiv und sozialistisch
ist. Sozialismus war unsere Religion. In der Geschichte des jüdischen Volkes,
den Weg vom Sklaventum zur Freiheit, von Ägypten nach Israel, sahen sie (meine
Eltern) die entscheidende Botschaft für die ganze Menschheit.“
Im Moskauer Wohnzimmer der
kommunistischen Familie hing, so berichtet Mertins, ein Bild von Karl Marx, den
die Revolutionäre durchaus als Juden wahrnahmen. 1906 kursierte in Frankreich
eine Bildkarte, die Karl Marx als „modernen Moses“ zeigte. Die beiden
Gesetzestafeln, die er – auf dem modernen Berg Sinai, dem Berg der Proletarier
(„mont proletarien“) stehend – in den
Händen hält, tragen die Inschriften: „Le Capital“ und „Manifest Communiste“.
Auch die Kommunisten träumten von
einem „Himmelreich auf Erden“, genau wie die Freimaurer. Von messianischem
Eifer durchdrungen, versuchten sie ihre Ideen zu verwirklichen und –
scheiterten.
Die Träume der Freimaurer
überlebten die Zeitläufte in der wunderschönen Oper von Mozart. Die Träume der
jüdischen Kommunisten versanken im Blut von Millionen Menschen, genauso wie die
Träume vom „Tausendjährigen Reich“ der Nationalsozialisten.
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