Montag, 19. September 2016

Casablanca und Havanna - zwei Städte und zwei Filme. Gedanken zu Sidney Polacks Film "Havanna" aus dem Jahre 1990


Ich habe gestern auf Arte den Sidney-Pollack-Film „Havana“ (USA 1990) mit Robert Redford und Lena Olin gesehen, den ich bisher noch nicht kannte. Mir fiel bald auf, dass er ein wenig nach dem Schema von „Casablanca“, dem berühmten Melodram von Michael Curtiz (USA 1942), gedreht wurde. Diesmal ist allerdings der Hintergrund nicht die Nazidiktatur, vor der politische Aktivisten fliehen müssen und in Ricks Cafe Americain in Casablanca landen, sondern die kommunistische Revolution in Kuba im Jahr 1959 und die dortigen Casinos.
Wie Rick (Humphrey Bogart) ist auch Jack Weil (Robert Redford), der Pokerspieler, ein zunächst vollkommen an Politik uninteressierter Mann. Beide Männer haben nur ihr persönliches materielles Fortkommen im Auge. Rick hat einmal im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite der Republikaner gegen die Faschisten gekämpft. Nun ist er aber desillusioniert und nicht mehr bereit, „für andere den Kopf hinzuhalten“. Jack war Zeuge des japanischen Angriffs auf Pearl Harbour und hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft . Er gewinnt aufgrund seiner Kaltblütigkeit und seiner Menschenkenntnis praktisch jede Poker-Partie und versucht vor allem die Reichen an seinen Spielertisch zu locken.
Da begegnen beide, Rick und Jack, jeweils einer Frau, die für ihre Ideale leben, beziehungsweise sich für die Ideale ihrer Männer einsetzen: Rick begegnet der Schwedin Ilsa Lund (Ingrid Bergmann), Jack der Schwedin Roberta („Bobby“) Duran (Lena Olin). Beide Frauen sind schon vergeben, also nicht mehr frei. Die beiden Männer verlieben sich trotzdem in die „einmalig hübschen“ Schwedinnen und geraten dadurch nicht nur in einen moralischen Konflikt, sondern auch in eine existentielle Krise. Beide müssen mindestens einmal im Leben ihren Egoismus überwinden und sich „für eine gute Sache“ einsetzen. Beide entscheiden sich, ihr persönliches Glück zugunsten des Widerstandes der Ehemänner gegen die ungerechten Diktaturen zu opfern und werden dadurch indirekt zu „Helfern der Revolution“.
Interessant an solchen Filmen ist, dass nicht die Kämpfer gegen Unrecht und Diktatur die Helden der Geschichte sind, sondern desillusionierte Egoisten, die sich in die hübschen Ehefrauen jener Idealisten verlieben: In „Casablanca“ ist Viktor Laszlo (gespielt von Paul Henreid) ein „berühmter“ tschechischer Widerstandskämpfer gegen die Nazidiktatur, in „Havanna“ ist Dr. Alfons Duarte (gespielt von Raoul Julia) ein sozialistischer Revolutionsführer gegen das Battista-Regime. Der Doktor-Titel könnte auf Che Guevara verweisen, den engsten Freund von Fidel Castro, und großem Vorbild der 68er.
Die Frauen stehen zwischen den zwei Männern. Von ihrer Treue hängt viel ab. Fallen sie und verlassen ihre Ehemänner, dann drohen diese auch zu stürzen und „die Sache“ droht zu scheitern. Weil sie aber standhaft, das heißt treu sind und über ihren Gefühlen stehen, können sie ihre Männer stärken: den Ehemännern geben sie Kraft für ihre Aufgaben, den Liebhabern das Gefühl, einmal etwas Sinnvolles getan zu haben. 
Die Perspektive der beiden Filme ist zunächst die des unbeteiligten Helden. Durch die Magie der Liebe werden die Männer jedoch zu Akteuren und moralischen Helden. Sie lernen etwas, was sie vorher nicht konnten: über ihren Gefühlen zu stehen und um der Sache willen auf die geliebte Frau zu verzichten. Aus dieser paradoxen Kombination ziehen beide Filme ihre dramaturgische Spannung und ihre melodramatische Wirkung.
Bei solchen Filmen interessiert mich nicht so sehr der Unterhaltungswert, sondern die – meist untergründigen – politischen oder moralischen Botschaften. Den Regisseur Sidney Pollack schätze ich sehr. Besonders sein Polit-Thriller „Three days of the Condor“ (USA 1975) hat mir gut gefallen, weil er einen ziemlich realistischen Einblick in die Arbeit der Geheimdienste gewährt.
Auch in „Havanna“ kommt ein CIA-Agent vor, der sich in Kuba als Autor für ein Gourmet-Magazin tarnt. Das Thema CIA beschäftigt mich zurzeit wieder besonders, weil ich vor ein paar Tagen das neu erschienene Buch von David Talbot über Allen Dulles („Das Schachbrett des Teufels – Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung“) bekommen habe. Seit Robert de Niros Opus Magnum „The good shepherd“ (USA 2006), in dem ganz klar eine enge Verbindung zwischen dem fiktiven CIA-Agenten Edward Wilson (Matt Damon), der sein Vorbild in dem realen CIA-Direktor James Jesus Angleton (aktiv von 1947 – 1975) hat, und dem Geheimorden “Skull and Bones” aufgezeigt wird, beschäftigt mich das komplexe Thema. Von meinem leider verstorbenen Freund Johannes Legner weiß ich, dass Robert de Niro für seinen Film akribisch recherchiert hat und sogar persönlich in der „Gauck-Behörde“ in Berlin gewesen ist. Neulich erfuhr ich auch über eine Darstellung auf Facebook, dass das Wort „Verschwörungstheoretiker“ im Jahre 1967 von der CIA lanciert wurde, um unliebsame Kritiker zu diskreditieren (http://lesakerfrancophone.net/et-la-cia-crea-le-label-theoriciens-du-complot/). Diese Politik wirkt bis heute.
Was mich aber am meisten an dem Film erstaunte, war der kurze Auftritt eines Casino-Bosses, der im Film auf den Namen „Meyer“ hört. Der Zuschauer erfährt, dass dieser scheinbar Allmächtige sowohl das Battista-Regime mit Geld unterstützt, als auch die Rebellen. Diese kurze Szene hat etwas Gruseliges. Erst im Abspann des Films lese ich, dass es sich bei diesem Herrn Meyer um den berüchtigten Gangster Meyer Lansky handelt, der zusammen mit Bugsy Spiegel und dem Sizilianer Lucky Luciano das Casino-Imperium von Havanna vor der Revolution leitete und nachher groß in die Spieler-Stadt Las Vegas investierte, das neue Havanna.
Meyer Lansky, der 1983 achtzigjährig in Miami an Lungenkrebs starb, galt "as king of all evil, the brains, the secret mover, the inspirer and controller of American organized crime" (https://en.wikipedia.org/wiki/Meyer_Lansky)
Diese Zusammenhänge erfährt der Zuschauer natürlich nicht aus dem Film. Dazu muss er schon eigene Nachforschungen anstellen.


Erschreckend dabei ist für mich, dass Meyer Lansky und Spiegel Juden waren. Sie bildeten bereits in den 20er Jahren den sogenannten „Bugs and Meyer Mob“, einen Vorläufer der „Murder Inc“. Als Angehörige des „Auserwählten Volkes“ haben sie später in Havanna die Spielsucht der Menschen befördert, und gleichzeitig in Las Vegas, in Miami und London. Dass daneben auch der Drogenhandel und die Prostitution an diesen Stätten blühten und noch heute blühen, ist kein Geheimnis. Sex sells.
Das sind nur ein paar wenige Fakten zu einem Thema, das mich immer wieder beschäftigt, und das mich immer wieder erstaunt. Dabei liegt es mir fern, die Juden pauschal zu verdächtigen. Offenbar aber findet man immer wieder Menschen dieses Volkes, wenn es um Revolution, Zersetzung der Sitten und Betrug im großen Stil geht. 
Warum?





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