Ich habe gestern auf Arte den
Sidney-Pollack-Film „Havana“ (USA 1990) mit Robert Redford und Lena Olin
gesehen, den ich bisher noch nicht kannte. Mir fiel bald auf, dass er ein wenig
nach dem Schema von „Casablanca“, dem berühmten Melodram von Michael Curtiz
(USA 1942), gedreht wurde. Diesmal ist allerdings der Hintergrund nicht die
Nazidiktatur, vor der politische Aktivisten fliehen müssen und in Ricks Cafe Americain
in Casablanca landen, sondern die kommunistische Revolution in Kuba im Jahr
1959 und die dortigen Casinos.
Wie Rick (Humphrey Bogart) ist
auch Jack Weil (Robert Redford), der Pokerspieler, ein zunächst vollkommen an Politik
uninteressierter Mann. Beide Männer haben nur ihr persönliches materielles Fortkommen
im Auge. Rick hat einmal im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite der
Republikaner gegen die Faschisten gekämpft. Nun ist er aber desillusioniert und
nicht mehr bereit, „für andere den Kopf hinzuhalten“. Jack war Zeuge des japanischen Angriffs auf Pearl Harbour und hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft . Er
gewinnt aufgrund seiner Kaltblütigkeit und seiner Menschenkenntnis praktisch
jede Poker-Partie und versucht vor allem die Reichen an seinen Spielertisch zu locken.
Da begegnen beide, Rick und Jack,
jeweils einer Frau, die für ihre Ideale leben, beziehungsweise sich für die
Ideale ihrer Männer einsetzen: Rick begegnet der Schwedin Ilsa Lund (Ingrid
Bergmann), Jack der Schwedin Roberta („Bobby“) Duran (Lena Olin). Beide Frauen sind
schon vergeben, also nicht mehr frei. Die beiden Männer verlieben sich trotzdem
in die „einmalig hübschen“ Schwedinnen und geraten dadurch nicht nur in einen
moralischen Konflikt, sondern auch in eine existentielle Krise. Beide
müssen mindestens einmal im Leben ihren Egoismus überwinden und sich „für eine
gute Sache“ einsetzen. Beide entscheiden sich, ihr persönliches Glück zugunsten
des Widerstandes der Ehemänner gegen die ungerechten Diktaturen zu opfern und
werden dadurch indirekt zu „Helfern der Revolution“.
Interessant an solchen Filmen
ist, dass nicht die Kämpfer gegen Unrecht und Diktatur die Helden der
Geschichte sind, sondern desillusionierte Egoisten, die sich in die hübschen
Ehefrauen jener Idealisten verlieben: In „Casablanca“ ist Viktor Laszlo
(gespielt von Paul Henreid) ein „berühmter“ tschechischer Widerstandskämpfer
gegen die Nazidiktatur, in „Havanna“ ist Dr. Alfons Duarte (gespielt von Raoul
Julia) ein sozialistischer Revolutionsführer gegen das Battista-Regime. Der
Doktor-Titel könnte auf Che Guevara verweisen, den engsten Freund von Fidel
Castro, und großem Vorbild der 68er.
Die Frauen stehen zwischen den
zwei Männern. Von ihrer Treue hängt viel ab. Fallen sie und verlassen ihre
Ehemänner, dann drohen diese auch zu stürzen und „die Sache“ droht zu
scheitern. Weil sie aber standhaft, das heißt treu sind und über ihren Gefühlen
stehen, können sie ihre Männer stärken: den Ehemännern geben sie Kraft für ihre
Aufgaben, den Liebhabern das Gefühl, einmal etwas Sinnvolles getan zu haben.
Die Perspektive der beiden Filme
ist zunächst die des unbeteiligten Helden. Durch die Magie der Liebe werden die
Männer jedoch zu Akteuren und moralischen Helden. Sie lernen etwas, was sie
vorher nicht konnten: über ihren Gefühlen zu stehen und um der Sache willen auf
die geliebte Frau zu verzichten. Aus dieser paradoxen Kombination ziehen beide
Filme ihre dramaturgische Spannung und ihre melodramatische Wirkung.
Bei solchen Filmen interessiert
mich nicht so sehr der Unterhaltungswert, sondern die – meist untergründigen –
politischen oder moralischen Botschaften. Den Regisseur Sidney Pollack schätze
ich sehr. Besonders sein Polit-Thriller „Three days of the Condor“ (USA 1975) hat
mir gut gefallen, weil er einen ziemlich realistischen Einblick in die Arbeit
der Geheimdienste gewährt.
Auch in „Havanna“ kommt ein
CIA-Agent vor, der sich in Kuba als Autor für ein Gourmet-Magazin tarnt. Das
Thema CIA beschäftigt mich zurzeit wieder besonders, weil ich vor ein paar
Tagen das neu erschienene Buch von David Talbot über Allen Dulles („Das
Schachbrett des Teufels – Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas
heimlicher Regierung“) bekommen habe. Seit Robert de Niros Opus Magnum „The
good shepherd“ (USA 2006), in dem ganz klar eine enge Verbindung zwischen dem
fiktiven CIA-Agenten Edward Wilson (Matt Damon), der sein Vorbild in dem realen
CIA-Direktor James Jesus Angleton (aktiv von 1947 – 1975) hat, und dem
Geheimorden “Skull and Bones” aufgezeigt wird, beschäftigt mich das komplexe Thema.
Von meinem leider verstorbenen Freund Johannes Legner weiß ich, dass Robert de
Niro für seinen Film akribisch recherchiert hat und sogar persönlich in der „Gauck-Behörde“
in Berlin gewesen ist. Neulich erfuhr ich auch über eine Darstellung auf
Facebook, dass das Wort „Verschwörungstheoretiker“ im Jahre 1967 von der CIA
lanciert wurde, um unliebsame Kritiker zu diskreditieren (http://lesakerfrancophone.net/et-la-cia-crea-le-label-theoriciens-du-complot/). Diese Politik wirkt
bis heute.
Was mich aber am meisten an dem
Film erstaunte, war der kurze Auftritt eines Casino-Bosses, der im Film auf den
Namen „Meyer“ hört. Der Zuschauer erfährt, dass dieser scheinbar Allmächtige
sowohl das Battista-Regime mit Geld unterstützt, als auch die Rebellen. Diese
kurze Szene hat etwas Gruseliges. Erst im Abspann des Films lese ich, dass es
sich bei diesem Herrn Meyer um den berüchtigten Gangster Meyer Lansky handelt,
der zusammen mit Bugsy Spiegel und dem Sizilianer Lucky Luciano das Casino-Imperium von Havanna vor der
Revolution leitete und nachher groß in die Spieler-Stadt Las Vegas investierte,
das neue Havanna.
Meyer Lansky, der 1983 achtzigjährig in Miami
an Lungenkrebs starb, galt "as king of all evil, the brains, the secret mover, the inspirer and controller of American organized crime" (https://en.wikipedia.org/wiki/Meyer_Lansky)
Diese Zusammenhänge erfährt der
Zuschauer natürlich nicht aus dem Film. Dazu muss er schon eigene
Nachforschungen anstellen.
Erschreckend dabei ist für mich,
dass Meyer Lansky und Spiegel Juden waren. Sie bildeten bereits in den 20er
Jahren den sogenannten „Bugs and Meyer Mob“, einen Vorläufer der „Murder Inc“. Als
Angehörige des „Auserwählten Volkes“ haben sie später in Havanna die Spielsucht
der Menschen befördert, und gleichzeitig in Las Vegas, in Miami und London. Dass daneben auch der Drogenhandel
und die Prostitution an diesen Stätten blühten und noch heute blühen,
ist kein Geheimnis. Sex sells.
Das sind nur ein paar wenige
Fakten zu einem Thema, das mich immer wieder beschäftigt, und das mich immer
wieder erstaunt. Dabei liegt es mir fern, die Juden pauschal zu verdächtigen. Offenbar
aber findet man immer wieder Menschen dieses Volkes, wenn es um Revolution, Zersetzung
der Sitten und Betrug im großen Stil geht.
Warum?
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