Samstag, 3. September 2016

"Ave Maria y Maria!" - das französische Revolutionsspektakel "Viva Maria!" aus dem Jahre 1965


Am Donnerstagnachmittag (01.09.2016) zeigte Arte den Klassiker „Viva Maria!“ aus dem Jahr 1965. Der Film, der eine Parodie auf Männerfreundschaften im Wilden Westen ist, indem er das Verhältnis umkehrt, und zeigt, dass auch zwei Frauen miteinander durch „Dick und Dünn“ gehen können, schildert in bunten Bildern eine fröhliche Revolution in dem fiktiven Staat San Miguel in Mexiko.
Die beiden Freundinnen, dargestellt durch die Göttin der französischen Intellektuellen, Jeanne Moreau, und das französische Sexsymbol-Äquivalent zu Marylin Monroe, Brigitte Bardot, sind zunächst Tingel-Tangel-Tänzerinnen im wandernden Circus und Variete-Theater des „großen Rodolpho“. Beide heißen im Film ironischerweise Maria. Die Bardot-Maria hat Erfahrung mit Sprengstoff, weil sie bereits als kleines Mädchen ihren Vater, einen irischen Freiheitskämpfer, bei seinen blutigen Einsätzen unterstützte. Der Film, der zu seiner Entstehungszeit solche Sprengstoffanschläge eher comicmäßig inszenierte, weckt heute, in einer Zeit, wo solche allgegenwärtig sind, ganz andere Assoziationen. Bardot kennt sich also mit Mord und Totschlag aus. Ihr Gefährte ist Thanatos, der Tod. Die Moreau-Maria kennt sich dagegen in der Liebe aus. Ihr Begleiter ist Eros. In dem Film heißt er Flores und wird von Schönling George Hamilton gespielt.
Weil Flores, ein Revolutionär, im Kampf stirbt und im Tode Moreau-Maria bittet, seine Mission fortzusetzen, werden die beiden zu Rachegöttinnen, die das Volk gegen ihre Peiniger anführen und diese schließlich besiegen. Es lebe die Revolution!
Die beiden Frauen werden schließlich im Lande San Miguel wie Heilige verehrt und das Volk betet zu ihnen „Ave Maria y Maria!“ Das gefällt dem Klerus gar nicht und die katholischen Priester, angeführt von einer grauen Eminenz, dem bösen Abt, fangen sie ein und stecken sie in die Folterkammer. Weil die Folterinstrumente so lange nicht mehr benützt worden waren, sind sie marode und so sollen die beiden wie Märtyrerinnen standrechtlich erschossen werden. Aber gerade noch rechtzeitig kann der große Rodolpho, der ein Gewehr erfindet, mit dem man um die Ecke schießen kann, mit seinen Circus-Artisten eingreifen und die Erschießung verhindern. Der Zauberer Gregor von Rezzori schickt weiße Tauben aus, die Handgranaten an ihren Beinen tragen, und sie im richtigen Moment fallen lassen. Eine dieser Granaten fällt am Ende des Films in die Mönchskapuze des bösen Abtes. Kurz darauf sieht man ihn wie Saint Denis mit seinem Kopf in der Hand die Treppe herunter schreiten.
Der Film steckt voller blasphemischer Anspielungen auf die christlichen Symbole. Das beginnt schon mit der Namengebung: Maria in Doppelung. Auch San Miguel, das Land, in dem alles spielt, weist spirituell auf den Volksgeist der Deutschen, früher der Hebräer hin. Der Herrscher des Landes erinnert stark an einen Diktator in österreichischer Uniform. Es gibt einige Anspielungen auf Hitler oder zumindest auf die Hitler-Parodie Charlie Chaplins in seinem Film „The great Dictator“ aus dem Jahre 1940. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Gegenspieler des großen Diktators am Ende der „große Rudolf“ ist, was, wenn man das Wortspiel weiter treibt, auf die Gleichung: „Rudolf gegen Adolf“ hinausläuft. Es ist ja auch wahr: Rudolf Steiner war der geistige Gegenspieler Adolf Hitlers.
Taube und Kreuz sind weitere christliche Symbole, die durch den Film „in Misskredit“ gebracht werden. Dem großen Zampano Gregor von Rezzori gelingt es sogar, eine tote Taube wieder zum Leben zu erwecken, eine Anspielung auf die Totenerweckung Christi. Nur dass es sich hier nicht um einen Menschen, sondern um eine Taube handelt, die in der christlichen Tradition als Symbol des Heiligen Geistes gilt. Er und seine Assistentin könnten vielleicht auch dafür sorgen, natürlich zusammen mit Rudolf und seinen Akrobaten, dass es nach der gelungenen Revolution auch weitergeht. Vielleicht zaubert er ja aus seinem Hut das passende Gesellschaftsmodell, nachdem sich die bisherigen staatlichen und kirchlichen Mächte als Schurken erwiesen und ihre wohlverdiente Strafe bekommen haben. Ich denke, die neue Gesellschaft wird dann vor allem eines anbieten: Unterhaltung im Sinne des Varietes.
Immerhin haben sich die beiden Marias bei einer Vorstellung als „kreativ“ erwiesen und aus der Not eine Tugend gemacht: Weil der Bardot-Maria bei ihrer ersten Vorstellung der Rock weggerutscht war, erfanden die beiden bei dieser Gelegenheit – wir schreiben das Jahr 1907 – den Striptease.
Warum sollte es auch verboten sein, die Menschen zu unterhalten? Hollywood macht ja seit über hundert Jahren nichts anderes, als dem Publikum die Langeweile zu vertreiben. Dass es nichts anderes als Täuschung ist, was der Zuschauer im Kino und später im Fernsehen zu sehen bekam und bis heute noch zu sehen bekommt, hat bei vielen den Sinn für Wahrhaftigkeit nachhaltig korrumpiert. Die Suche nach der Wahrheit ist anstrengend und gepflastert mit Irrtümern. Wer will das heute noch?
Die Studentengeneration der 68er war die letze, die noch an so etwas wie Wahrheit glaubte. Die damaligen „Revoluzzer“ schüttelten erst einmal den „Staub von 1000 Jahren“ aus den Talaren der Universitätsprofessoren und klagten ihre Väter an, während der Nazidiktatur geschwiegen zu haben. Familie und Religion waren für viele keine Alternative. Die meisten strebten eine Gesellschaft nach sozialistischem oder kommunistischem Muster an. Marx und Mao waren ihre Vorbilder. Einige hatten ganz andere Visionen von der neuen Gesellschaft, die nach der gelungenen Revolution entstehen sollte. Darunter waren Männer wie Rudi Dutschke, der ernsthaft an einem Alternativmodell des Dritten Weges zwischen Kommunismus und Kapitalismus arbeitete, bis ihn das Attentat schachmatt setzte. Dabei orientierte er sich auch an der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners, genauso wie die Männer des Prager Frühlings, die einen „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“ anstrebten. Ein weiterer wichtiger Ideengeber der damaligen Zeit war der Künstler Josef Beuys.
Rudi Dutschke sah „Viva Maria“ mehrmals, ohne – wie üblich – im Kino einzuschlafen. Irgendetwas gefiel ihm an dem Film. Vielleicht identifizierte er sich ja auch nur mit dem „großen Rudolf“, seinem Namensvetter. Aber eine Theorie zur Gesellschaftsveränderung lieferte der Film gewiss nicht, auch wenn er von vielen damaligen Studenten im vorrevolutionären Taumel gefeiert wurde. Mit Striptease und einem Gewehr, mit dem man um die Ecke schießen kann, baut man keine neue Gesellschaft auf, nachdem die alte untergegangen ist.
Was bleibt ist: Variete. Unterhaltung. Ernst ade. Spaß komm raus!
Richard Wagner hat diese Tendenz bereits vor beinahe 170 Jahren kritisiert und gewisse jüdische Künstler dafür verantwortlich gemacht. Er meinte, diese könnten nur Unterhaltung, aber keine wahre Kunst schaffen[1]. Diese These haben jüdische Kreise ihm sehr übel genommen und eine wahre Hexenjagd auf den Komponisten veranlasst. Seitdem gilt Wagner als Antisemit. Niemand hat etwas gegen Unterhaltung einzuwenden, aber wenn die ganze Menschheit via Film nur noch mit „Unterhaltung“ überflutet wird, dann kann nur eine Gesellschaft von Idioten oder Psychopathen entstehen, die jeden Sinn im Leben verloren haben.
Nun ist es kein Zufall, dass auch Louis Malle, der Regisseur des Films „Viva Maria!“, der so penetrant christliche Symbole missbraucht, aus einer reichen jüdischen Industriellenfamilie stammt.
Beim Betrachten des Films empfindet der Zuschauer 120 Minuten lang unterhaltsame Kurzweil. Aber was bleibt danach?
Es kommt mir so vor, als zerplatzten all die schönen (teuren) Bilder wie Seifenblasen. Nur ein schaler Eindruck bleibt zurück, wenn man sich nach dem Ansehen des Films die Augen reibt und wieder in der Realität anzukommen versucht. War da was? Nein, es war nichts! Nada!



[1] „Das Publikum unserer heutigen Operntheater ist seit längerer Zeit nach und nach gänzlich von den Anforderungen abgebracht worden, welche nicht etwa an das dramatische Kunstwerk selbst, sondern überhaupt an Werke des guten Geschmacks zu stellen sind. Die Räume dieser Unterhaltungslokale füllen sich meistens nur mit jenem Teile  unserer bürgerlichen Gesellschaft, bei welchem der einzige Grund zur wechselnden Vornahme irgendwelcher Beschäftigung die Langeweile ist: die Krankheit der Langeweile ist aber nicht durch Kunstgenüsse zu heilen, denn sie kann absichtlich gar nicht zerstreut, sondern nur durch eine andere Form der Langeweile über sich selbst getäuscht werden. Die Besorgung dieser Täuschung hat nun jener berühmte Opernkomponist zu seiner künstlerischen Lebensaufgabe gemacht. Es ist zwecklos, den Aufwand künstlerischer Mittel näher zu bezeichnen, deren er sich zur Erreichung seiner Lebensaufgabe bediente: genug, dass er es, wie wir es aus dem Erfolge ersehen, vollkommen verstand, zu täuschen, und dieses namentlich damit, dass er jenen von uns näher charakterisierten Jargon seiner gelangweilten Zuhörerschaft als modern pikante Aussprache aller der Trivialitäten aufheftete, welche ihr so wiederholt oft schon  in ihrer natürlichen Albernheit vorgeführt worden waren. Dass dieser Komponist auch auf Erschütterungen und auf die Benutzung der Wirkung von eingewobenen Gefühlskatastrophen bedacht war, darf niemanden befremden, der da weiß, wie notwendig dergleichen von Gelangweilten gewünscht wird.“ (Richard Wagner, Das Judentum in der Musik, 1850, Reprint 1998, S 28)

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