Gestern zeigte Arte den Debütfilm
von Louis Malle, bei dem Volker Schlöndorff, der natürlich noch nicht auf
meinen Brief geantwortet hat, sein Handwerk gelernt hat: „Fahrstuhl zum Schafott“
(Ascenseur pour l’echafaud) aus dem Jahre 1957, durch den die französische
Schauspielerin Jeanne Moreau zum Star wurde. Anschließend wurde das Portrait „Jeanne Moreau – die Selbstbestimmte“ von
Virginie Linhart aus dem Jahr 2017 gezeigt, durch das ich viel Neues über die
1928 Geborene erfuhr, die am 31. Juli 2017 gestorben ist.
Der „perfekt gemachte Thriller“
(Ulrich Gregor) entspricht dem Geist des Existentialismus, bleibt aber von der
ersten bis zur letzten Sekunde ansonsten geistlos: er ist intellektuell
großartig, ja, aber ohne die geringste Spur von Spiritualität, wenn man davon
absieht, dass man durch das Fenster des Büros des Rüstungsunternehmers Simon
Carala im obersten Stock des Firmengebäudes auf die „butte Montmartre“ mit
Sacre Coeur sehen kann.
Julien Tavernier (Maurice Ronet),
Veteran des Indochinakrieges und der engste Mitarbeiter, lebt in einem
ehebrecherischen Verhältnis zu Florence (Jeanne Moreau), der wesentlich
jüngeren Frau des gewissenlosen Waffenhändlers Carala, hinter dem ich das reale
Vorbild Marcel Dassault vermute. Die „Liebenden“ sind sich einig, den störenden
Ehemann zu töten. Der Film ist nicht nur völlig geistlos, sondern auch ganz
unmoralisch.
Immer mehr entdecke ich, wie die „Nouvelle
Vague“, die auch durch Filme wie „Fahrstuhl zum Schafott“ begründet wurde, im
Grunde eine ganze Generation geprägt hat, die auch deswegen nicht zum Geist
finden konnte, weil sie erst einmal den Intellekt und die eigene Existenz
entdecken musste, die Männer in die Politik und die Frauen in die Emanzipation
treibend. Hier sehe ich tatsächlich so etwas wie den „Arabismus“ am Werk, der
vereint mit der von Juden geleiteten „Kulturindustrie“ (Theodor W. Adorno)
okkult gegen das Christentum ankämpfte, das in den 60er Jahren als obsolet angesehen
wurde, wovon man bei dem Kölner Schriftsteller Heinrich Böll mehr erfährt, der sich
zum Beispiel mit seinem Roman „Ansichten eines Clowns“ (1962) am tatsächlich
antiquierten Katholizismus abarbeitete.
Diesen Hintergrund müsste ich
einmal genauer aufarbeiten. Vielleicht ist das eine Aufgabe, die ich noch
erfüllen muss.
Im geistigen Hintergrund der neueren
Filmindustrie, die von so genialen Meistern wie Louis Malle, Michelangelo
Antonioni, Francois Truffaut und Orson Welles angeführt wurde, leuchtet, wie
mir durch den englischen Beitrag in Facebook, den ich vor kurzem zitiert habe (https://www.facebook.com/Cosmopolitancitizens/posts/909428919469768),
klar wurde, die vor allem in Frankreich populäre Dominanz des Cartesianismus,
des „Cogito, ergo sum“, auf, dem man das christliche „Amo, ergo sum“ an die
Seite stellen müsste, um die ganze Wahrheit zu erhalten. Rene Descartes war,
wie ich dem Beitrag staunend entnahm, der wiedergeborene mittelalterliche arabische
Philosoph Averroes (Ibn Ruschd), für den es keine unsterbliche Seele gab.
So läuft auch der ganze Plan der
beiden Liebenden, die ihr Glück mit einem Mord begründen wollen, ins Nichts. Gespiegelt
wird die Geschichte des großbürgerlich-mörderischen Liebespaares Julien und
Florence von dem kleinbürgerliche Liebespaar Veronique und Louis, die Julien
Taverniers Auto klauen, einen Ausflug mit ihm machen, sich ein Autobahnduell
mit einem deutschen Touristenpaar leisten, das mit einem schnellen Mercedes
Sportwagen fährt und dieses schließlich in einem Motel, in das die Deutschen das
junge Pärchen eingeladen haben, mit der Pistole Juliens, die die Autodiebe im
Handschuhfach des gestohlenen Wagens gefunden haben, ermorden.
Im Hintergrund des Films spielt
die Beziehung Deutschlands zu Frankreich eine nicht unwichtige Rolle. Das wird
vor allem an zwei Beispielen der überlegenen deutschen Technik demonstriert:
die Mikro-Kamera und der PS-starke Mercedes-Sportwagen. Die Minolta, die Veronique
im Auto Juliens vorfand, liefert zum Schluss in den frisch entwickelten Fotos das
Beweismaterial, mit dem die Kommissare Lino Ventura und Charles Denner sowohl
das kleinbürgerliche Pärchen, als auch Julien und Florence wegen Mordes
überführen können.
Der Film, der mit einer
Großaufnahme auf das Gesicht von Florence begann, endet mit dem Blick auf ein
Foto, das das ehebrecherische Liebespaar im heimlichen Glück vereint sieht. Diese
verbotene Liebe, die sicher echt war, zerstören die beiden selbst durch ihren
gemeinsam ausgeheckten teuflischen Plan.
Ja, so sehr ich Jeanne Moreau als
Schauspielerin verehre, so sehr erscheint sie mir in vielen ihrer Filme doch
als „Teufelin“. Die Anstiftung zum Mord geht in „Fahrstuhl zum Schafott“ vor
allem von ihr aus. Auch in Truffauts genialem Film „Jules et Jim“, der Jeanne
Moreau 1962 als Sängerin berühmt machte, spielt sie selbstbewusst mit der Liebe
zweier Freunde und in Louis Bunuels „Tagebuch einer Kammerzofe“ verführt sie
als Dienstmädchen nicht nur den älteren Hausherrn, sondern auch den Gärtner,
der von Michel Piccoli gespielt wird.
In dem Porträt von Virginie
Linhart begründet sie einmal, warum sie sich als erfolgreiche
Theaterschauspielerin der 50er Jahre mit „Fahrstuhl zum Schafott“ für den Film entschieden
habe, mit dem Ausspruch, sie „wollte aus dem Schatten ans Licht“ treten. Das
ist doppelt ironisch gemeint, denn der Erstlingsfilm von Louis Malle spielt
vorwiegend in der Nacht, wurde jedoch mit natürlichem Licht auf besonders
lichtempfindlichen Film aufgenommen. Jene Nacht von Samstag auf Sonntag ist
eine wahre Walpurgisnacht, wie wir sie auch am vergangenen Wochenende in
Stuttgart erlebt haben, als 400 bis 500 Jugendliche – zumeist mit
Migrationshintergrund – nach einer Polizeikontrolle wegen Drogenbesitzes, die Polizisten
angriffen und Geschäfte plünderten. Die „Explosion der Gewalt ist seit Sonntag Hauptgesprächsthema
in Deutschland.
Die Nacht von Samstag (Sabbat)
auf Sonntag kann man auch symbolisch verstehen und ich denke, die
Drehbuchautoren Louis Malle und Roger Nimier haben diese Nacht nicht zufällig
gewählt. Julien muss die ganze Nacht in einem Fahrstuhl verbringen, weil er
noch einmal ins Firmengebäude zurückgekehrt war, um ein Seil, mit dem er ins
oberste Stockwerk zum Firmenchef Carala gelangt war, und das er vergessen
hatte, zu beseitigen und dabei stecken blieb, weil der Hausmeister zu der
späten Stunde den Strom abgeschaltet hat.
Wenn ich oben sagte, der Film
habe keine spirituelle Seite, so muss ich mich jetzt korrigieren: Die Nacht von
Samstag auf Sonntag ist archetypisch mit dem christlichen Karsamstag verbunden,
als der Gekreuzigte „im Tod der Beistand der vor ihm gestorbenen Seelen wurde“,
wie es im Credo heißt. Die nur im Nikodemus-Evangelium überlieferte „Höllenfahrt“,
die in christlichen Zusammenhängen der Erlösung der vorchristlichen Seelen
diente, wird in „Fahrstuhl zum Schafott“ umgedeutet zu einer wirklichen
Höllenfahrt, denn sie bedeutet für die Liebenden Julien und Florence, nicht wie
für Adam und Eva, die Erlösung beziehungsweise die Erfüllung ihres Glücks,
sondern eine mehrjährige Gefängnisstrafe, wenn nicht sogar den Tod, wenn man
den Titel des Films wörtlich nimmt.
Der Ausspruch von Jeanne („Johanna“)
Moreau, dass sie „aus dem Schatten ins Licht“ treten wollte, hat mich berührt,
denn auch ich wollte das immer. Ich wollte zuerst Filmschauspieler, später
Filmregisseur werden. Diesem Streben sind seit etwa zehn Jahren auch zum
Beispiel all meine Veröffentlichungen im Internet (Weblogs und Facebook) und
zuletzt der Versuch, mein Corona-Tagebuch zu veröffentlichen, geschuldet.
Ein gnädiges Schicksal hat mich
nun belehrt, dass es für mich diesen Weg, den Jeanne Moreau erfolgreich gehen
durfte, nicht gibt.
Ich muss im Schatten bleiben,
darf aber vielleicht dafür das wahre Licht erfahren.
Hiermit schließe ich auch diesen Weblog.
Hiermit schließe ich auch diesen Weblog.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen